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44 ZivildienstNorm
ZDG §47Leitsatz
Keine Bedenken gegen §47 ZDG (betreffend die Zusammensetzung der ZDOK), auch keine Bedenken mangelnder Bestimmtheit gegen das in dieser Bestimmung geregelte Vorschlagsrecht; kein gravierender Verstoß auf verfahrensrechtlicher Ebene, insbesondere nicht im Bereich der Beweiswürdigung; Beiziehung der Vertrauensperson gem. §6 Abs3 stellt (lediglich) ein Recht des Antragstellers dar - Anwesenheit der Vertrauensperson bei der Verhandlung ist in §47 Abs4 nicht zwingend vorgeschrieben; keine Verletzung im durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks ZivildienstleistungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) vom 30. September 1986 wurde der Antrag des Bf. auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung gemäß §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes (ZDG) abgewiesen.
Der Bescheid ist wie folgt begründet:
"Infolge der komplexen Natur der freien Beweiswürdigung (vgl. etwa VfGH B128/83 B304/83) können zwar nicht alle Prämissen, die den Senat zu dieser Ansicht geführt haben, im einzelnen wiedergegeben werden, zumal sich beispielsweise die während eines Gespräches zutage kommenden Ausdrucksbewegungen - Tonfall;
Bestimmtheit oder Unbestimmtheit der Rede; Gesichtsausdruck;
Zeitabstand zwischen Frage und Antwort und dergleichen - die oft entscheidend dazu beitragen, einem Menschen Glauben zu schenken oder zu versagen, der Verbalisierung weitgehend entziehen.
Zusammenfassend kann aber gesagt werden, daß der Rechtsmittelwerber während des mit ihm geführten mehr als halbstündigen Gesprächs nicht wie ein junger Mann seines Alters und Ausbildungsstandes wirkte, der eine auf zumutbare Überlegungen beruhende, gefestigte innere Einstellung zum fraglichen Thema zum Ausdruck bringt, der also auf der Basis einer echten Überzeugung die Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen grundsätzlich und vorbehaltlos ablehnt und sonach im Falle der Wehrdienstleistung tatsächlich in schwere Gewissensnot geraten würde.
Im einzelnen ist hervorzuheben, daß das relativ substanzarme Vorbringen des Antragstellers mit seinem Gesamtgehaben in der Berufungsverhandlung insofern im Einklang stand, als in beidem ungewöhnlich geringe innere Anteilnahme zum Ausdruck kam. Eingelernt und unglaubwürdig wirkte seine Behauptung, unter keinen Umständen "die Freiheit eines anderen Menschen" beschränken zu wollen, und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um einmarschierende Soldaten einer fremden Macht handelt. Daß er sich endlich über mögliche Methoden gewaltfreier Verteidigung völlig uninformiert zeigte, rundet das Bild und deutet gleichfalls in die Richtung mangelnden echten persönlichen Interesses an der gegenständlichen Materie.
Bei der Würdigung der Person und des Vorbringens des Antragstellers wurde seine Mitgliedschaft beim Behindertenförderungsverein Neusiedl am See, die jährliche Spende eines Bildes und alles das, was seine Vertrauensperson vorbrachte - siehe oben - mit in Rechnung gestellt.
Dies war aber im Sinne eines spezifischen Zusammenhanges mit der vom Zivildienstgesetz geforderten inneren Einstellung nicht gewichtig genug, den in freier Würdigung unmittelbar gewonnenen Eindruck des Senates - siehe oben - entscheidend zu verändern. Mangels der materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Wehrpflichtbefreiung mußte sonach der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt erachtet, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt und eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des §47 ZDG "in jeder Richtung der Bundesverfassung" anregt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1.a) Der Bf. macht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die die Zusammensetzung der bel. Beh. regelnde Bestimmung des §47 ZDG geltend. Das Gesetz sei hinsichtlich der im §47 Abs3 Z3 und 4 genannten Mitglieder nicht ausreichend determiniert und es sei behördlicher Willkür oder dem Zufall überlassen, wie die Behörde jeweils konkret zusammengesetzt sei. Im Abs5 des §47 heiße es, daß die in Abs3 Z3 und 4
genannten Stellen der Aufforderung, Kommissionsmitglieder vorzuschlagen, fristgerecht zu entsprechen hätten. Wer aufzufordern habe, sei im Gesetz nicht geregelt. Weiters sei die in Abs3 Z3 vorgenommene Umschreibung von Jugendorganisationen, die offenbar berechtigt seien, Mitglieder vorzuschlagen, völlig ungenügend und allgemein gehalten.
Im Gesetz sei also nicht nur die Behörde, die aufzufordern hat, unzureichend bestimmt, es sei auch deren Willkür überlassen, an wen sie derartige Aufforderungen richte, weil die Jugendorganisationen, denen eine Entsendungsmöglichkeit zustehe, im Gesetz völlig unzureichend umschrieben seien.
b) Der Bf. ist zu diesem Vorbringen zunächst auf die Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, nach welcher gegen die Bestimmung des §47 ZDG - allerdings nicht unter dem Aspekt der hier vorgebrachten Argumente - keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (s. VfGH 26.9.1985 B722/84 und 13.10.1986 B856/85).
Im Hinblick auf den ersten Satz des §47 Abs5 (wonach die Vorschläge nach Abs3 Z3 und 4 dem Bundesminister für Inneres zu erstatten sind) ist es nicht zweifelhaft, daß auch die im zweiten Satz des Abs5 vorgesehene Aufforderung zur Erstattung derartiger Vorschläge dem Bundesminister für Inneres zukommt. Die nach der Z3 des Abs3 vorschlagsberechtigten Jugendorganisationen oder deren Verbände, die nach ihren Statuten für die wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und kulturellen Angelegenheiten der Jugend wirken und nach Zusammensetzung der Mitgliederzahl eine repräsentative Interessenvertretung der österreichischen Jugend darstellen, sind nach Auffassung des VfGH durch die soeben dargelegten, im Gesetz enthaltenen Kriterien in ihrer Aufgabenstellung und Zielsetzung in einem Maße konkretisiert, welches als hinreichende Determinierung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH zu Art18 B-VG (vgl. ua. VfSlg. 8395/1978) anzusehen ist.
Der VfGH kann daher schon deshalb die vorgebrachten Bedenken nicht teilen.
2.a) In der Beschwerde wird weiters behauptet, die bel. Beh. habe sich nicht ausreichend mit der Person des Bf. auseinandergesetzt, insbesondere mit dem Berufungsvorbringen, wonach der Bf. in Gegenwart anderer Personen Schwierigkeiten habe, sich mündlich zu artikulieren und zu formulieren. Die ZDOK hätte sich daher nicht mit allgemeinen Wendungen in ihrer Entscheidung begnügen dürfen. Die bel. Beh. habe nicht dargetan, warum sie zu diesem und nicht zu einem anderen Verfahrensergebnis gekommen sei bzw. welche konkreten Umstände sie dazu veranlaßt hätten, das nach außen hin passiv wirkende Verhalten des Bf. nicht dem zuzuordnen, was es wirklich ist und was der Bf. in der Berufung bereits vorgebracht habe, nämlich die ihm fehlende Eignung, sich in mündlicher Rede zu artikulieren. Die Begründung des angefochtenen Bescheides müsse in diesem Zusammenhang als absolut unzureichend, als Scheinbegründung und damit als grober Verstoß verfahrensrechtlicher Art eingestuft werden. Die Beweiswürdigung der bel. Beh. widerspreche der Lebenserfahrung und den Gesetzen des logischen Denkens.
Im übrigen sei der bel. Beh. ein gravierender Verfahrensfehler unterlaufen: Wie dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen sei, sei die vom Bf. namhaft gemachte und von der Behörde geladene Vertrauensperson nicht während der gesamten Verhandlung zugegen gewesen, sondern erst am Schluß der Verhandlung erschienen. Es wäre wesentlich gewesen, daß der Senat während der gesamten Verhandlung vollständig, insbesondere durch die Vertrauensperson besetzt gewesen wäre. Nachdem die Vertrauensperson zur Verhandlung erschien, seien ihr auch die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht zur Kenntnis gebracht worden. Wenn auch dem nicht ständigen Senatsmitglied, also der Vertrauensperson, kein Stimmrecht zukomme, wäre gerade im gegenständlichen Fall die Anwesenheit der Vertrauensperson während der ganzen Verhandlung erforderlich gewesen, weil der Bf. eben Schwierigkeiten habe, sich mündlich zu artikulieren.
b) Der Bf. versucht der Sache nach darzutun, daß der belangten ZDOK ein gravierender - und damit verfassungsrechtlich relevanter - Verfahrensverstoß unterlaufen sei, indem er sinngemäß meint, die Bescheidbegründung sei unzulänglich und ziehe insbesondere das Parteivorbringen nicht ausreichend und eingehend genug in Betracht: Sein (des Beschwerdeführers) unsicheres Auftreten vor der ZDOK anläßlich der mündlichen Verhandlung spreche nicht gegen seine Glaubwürdigkeit.
Diese Vorwürfe qualifizierter Verfahrensfehler halten aber einer Nachprüfung nicht stand. Von - verfassungsrechtlich relevanten - Verfahrensmängeln schwerer Natur kann hier, nimmt man den Berufungsbescheid in seiner Gesamtheit, keinesfalls gesprochen werden, zumal die tragenden Erwägungen und Ableitungen der Berufungsinstanz in sich geschlossen nachvollziehbar sind.
In Wahrheit laufen die Beschwerdeausführungen nach ihrer erkennbaren Zielsetzung bloß auf eine subjektive Kritik der behördlichen Beweiswürdigung hinaus, wenn die - für den Bf. negativen - Schlußfolgerungen der ZDOK in tatsächlicher Beziehung als unrichtig und verfehlt hingestellt werden. Ein nach §2 ZDG bedeutsamer grober Verstoß verfahrensrechtlicher Art könnte im gegebenen Zusammenhang nur in einer der Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechenden Beweiswürdigung der ZDOK liegen; davon kann aber - wie dargetan - hier keine Rede sein. Die Gesamtheit aller Umstände, die dem zur Entscheidung berufenen Kollegialorgan die Überzeugung vom Wert und von der Aussagekraft des Bescheinigungsmaterials vermitteln, kann überhaupt nicht restlos analysiert werden, zumal sich vor allem das Ergebnis des persönlichen Eindrucks, den Aussagende im Zuge ihrer Befragung hinterlassen, nicht immer in voller Breite in Worte kleiden läßt (vgl. zB VfSlg. 10324/1985 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Zusammenfassend ist ein in die Verfassungssphäre reichender gravierender Verstoß auf verfahrensrechtlicher Ebene, insbesondere im Bereich der Beweiswürdigung, nicht zu ersehen:
Der VfGH kann der ZDOK nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie aufgrund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die im soeben erwähnten Erk. zitierte Judikatur des OGH).
Zum Vorbringen des Bf. betreffend die Abwesenheit seiner Vertrauensperson - die nicht Mitglied der ZDOK ist - bei der Berufungsverhandlung genügt der Hinweis, daß die Beiziehung einer Vertrauensperson gemäß §6 Abs3 ZDG (lediglich) ein Recht des Antragstellers darstellt und daß die Anwesenheit der Vertrauensperson bei der Verhandlung in §47 Abs4 ZDG keineswegs zwingend vorgeschrieben ist.
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat somit ebensowenig stattgefunden wie die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Zivildienst, ZivildienstkommissionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1203.1986Dokumentnummer
JFT_10129385_86B01203_00