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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §4 Abs1;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 9. Juni 1989, GZ. 7/2/W-15/1/-/89, betreffend Geltendmachung einer Zollschuld kraft Gesetzes
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Zollamt Klagenfurt - im Zusammenhang mit einem bei ihm als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer anhängigen Finanzstrafverfahren (§ 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1979, BGBl. Nr. 509/1979, idF der BGBl. Nrn. 532/1980, 418/1971 und 210/1982, zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes) - mit Bescheid vom 29. Juni 1987 ausgesprochen, daß für den Beschwerdeführer hinsichtlich eines von ihm im Zollgebiet erworbenen und in der Folge in das Zollausland ausgeführten Autotelefons der Marke Bosch "C", Type Tel 46000000, im Werte von 51.830,51 S am 9. November 1985 gemäß § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand iVm § 3 Abs 2 des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129 (ZollG), die Eingangsabgabenschuld in der Gesamthöhe von 9.695 S kraft Gesetzes entstanden sei, was zuzüglich 2 % Säumniszuschlag in Höhe von 194 S insgesamt 9.889 S ergebe. Dieser Bescheid war unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Ein Jahr später wurde mit Eingangsabgabenbescheid des Zollamtes Klagenfurt vom 27. Juni 1988 ausgesprochen, daß für den Beschwerdeführer "im November 1985" hinsichtlich des streitverfangenen Autotelefons nach der obgenannten Gesetzesstelle nochmals die Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes in der oben genannten Höhe entstanden sei. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer Ende November 1985 mit einem Personenkraftwagen aus Liechtenstein kommend über ein österreichisches Grenzeintrittszollamt in das österreichische Zollgebiet eingereist. Bei der Einreise habe er es unterlassen das von ihm mitgeführte Autotelefon, welches mit seinem Übertritt über die Zollgrenze zollhängig geworden sei, beim österreichischen Grenzeintrittszollamt einem Zollverfahren zuzuführen.
Die Finanzlandesdirektion für Kärnten als Abgabenbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 1989 der Berufung des Beschwerdeführers, in der er die Eingangsabgabenschuld dem Grund nach bestritt und hiezu ausführte, es könne ihm wegen der kurzfristigen Verbringung des streitverfangenen Autotelefons in das Zollausland nicht zusätzlich zur (inneren) Umsatzsteuer auch noch die Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben werden, keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, die belangte Behörde sei bei Abwägung der (näher dargestellten) Beweisergebnisse im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, daß der Beschwerdeführer das streitverfangene Autotelefon nach der Rückbringung aus Italien am 9. November 1985 wieder aus dem Zollgebiet ausgeführt, nach Liechtenstein verbracht und bei seiner drei oder vier Wochen späteren Rückkehr nach Österreich dem Eintrittszollamt abermals zum Zwecke der Durchführung eines ordnungsgemäßen Zollverfahrens nicht erklärt und gestellt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Nichtfestsetzung der zum zweiten Mal vorgeschriebenen Eingangsabgaben für das streitverfangene Autotelefon verletzt, weil er es nicht zweimal in das österreichische Zollgebiet eingeführt habe. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes rügt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ausschließlich die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich der von ihr angenommenen zweimaligen widerrechtlichen Einfuhr des streitverfangenen Autotelefons.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus folgendem vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführten Grund als rechtswidrig:
Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Mit dieser Bestimmung werden zwei Grundsätze normiert, die dem Abgabenrecht immanent sind: Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung. Nach der Anordnung des Abs. 3 der zuletzt genannten Bestimmung bleiben in Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) unberührt.
Dem Beschwerdeführer wird unter Berufung auf den § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG zur Last gelegt, über das EINFUHRZOLLPFLICHTIGE zollhängige Autotelefon "im November 1985" ERSTMALIG vorschriftswidrig so verfügt zu haben, als wäre es im freien Verkehr.
Tatbestandsbezogene, im anhängigen Prozeß relevante Voraussetzung nach dieser Gesetzesstelle ist es, ob der Beschwerdeführer "im November 1985" über das streitverfangene Telefon ERSTMALIG vorschriftswidrig so verfügt hat, als wäre es im freien Verkehr. Diese vom Tatbestandsmerkmal der wiedergegebenen Gesetzesstelle erfaßte Frage hatte das Zollamt Klagenfurt bereits mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 29. Juni 1987 entschieden, in welchem dem Beschwerdeführer wegen "erstmaliger vorschriftswidriger Verfügung am 9. November 1985" für das streitverfangene Autotelefon eine Eingangsabgabenschuld in Höhe von 9.695 S zur Entrichtung vorgeschrieben worden war. Die Frage, ob diese unbekämpft gebliebene Vorschreibung seinerzeit zu Recht erfolgt ist oder nicht doch eine eingangsabgabenfreie inländische Rückware im Sinne des § 42 Abs. 1 ZollG vorlag (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0221) entzog sich in dem anhängigen Verfahren der Kognition durch den Verwaltungsgerichtshof.
Wie aus dem Wortlaut des oben wiedergegebenen konstitutiven Zollschuldtatbestandes erhellt, entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes nicht durch jede vorschriftswidrige Verfügung über eine eingangsabgabepflichtige zollhängige Ware, sondern nur durch die "erstmalige" vorschriftswidrige Verfügung. Ist eine Zollschuld durch eine vorschriftswidrige Verfügung bereits entstanden, so kann sie durch eine spätere vorschriftswidrige Verfügung derselben Person nicht noch einmal entstehen. Das hier normierte verbum legale "erstmalig" dient zur Umschreibung des ersten Ereignisses in einer Reihe von aufeinanderfolgenden gleichen Ereignissen und stellt eindeutig klar, daß als Zollschuldner nur derjenige in Betracht kommt, der zur Vornahme der ERSTEN vorschriftswidrigen Verfügung tätig geworden ist (vgl. im Zusammenhang die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1982,
Zlen. 82/16/0095, 0096, Slg. Nr. 5716/F und vom 17. Oktober 1985, Zl. 85/16/0038, Slg. Nr. 6040/F).
Eine mehrmalige Entstehung der Zollschuld für dieselbe Ware würde auch dem Zweck des modernen Zolls, der kein Passierzoll, sondern ein Wirtschaftszoll ist und bei dem die Zollpflicht vom bloßen Grenzübergang losgelöst ist (vgl. Manhart-Fuchs, Das österreichische Zollrecht FN 1 zu § 3) widersprechen: Durch eine mehrmalige Zollvorschreibung würde der Hauptzweck des (gesetzlich vorgesehen einmaligen) Wirtschaftszolls, als Preisbildungsfaktor die Wettbewerbsunterschiede zwischen ausländischen und inländischen Waren auszugleichen und die internationalen Handelsbeziehungen zu regulieren, verloren gehen.
Diese Ausführungen gelten umsomehr für die in Streit gezogene, zum zweiten Male erfolgte Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 9.552 S, die gemäß § 3 Abs. 1 ZollG eine Eingangsabgabe darstellt und für welche gemäß § 24 Abs. 2 UStG die Rechtsvorschriften für Zölle - von einzelnen AusnahmeN oder Einschränkungen abgesehen - "sinngemäß" gelten, und zwar selbst dann, wenn wie im Beschwerdefall, überhaupt kein Zoll zu erheben ist. Der Sinn und Zweck ihrer Vorschreibung ist es, eine gleichmäßige Umsatzsteuerbelastung von eingeführten Waren mit gleichartigen inländischen herbeizuführen (exakter Steuerausgleich).
Da das Gesetz den hier in Streit stehenden Zollschuldtatbestand mit der erstmaligen vorschriftswidrigen Verfügung umschreibt, war es bei der wiedergegebenen Rechtslage der belangten Behörde als Verletzung des Gesetzes anzulasten, wenn sie die Erfüllung des Tatbestandselementes "erstmalig" durch den Beschwerdeführer "im November 1985" annahm, weil die Abgabenbehörde erster Rechtsstufe über das Gegebensein dieses Tatbestandsmerkmales bereits mit ihrem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 29. Juni 1987 entschieden hatte.
Mit der weiteren Frage, ob das streitverfangene Autotelefon überhaupt eine "einfuhrzollpflichtige" Ware darstellt oder nicht, haben sich die Abgabenbehörden beider Rechtsstufen nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens überhaupt nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber, weil es sich bei dem Autotelefon um eine ausgeführte Ware des inländischen freien Verkehrs handelt, die innerhalb der in § 42 Abs. 1 ZollG normierten Frist wiedereingeführt wurde, deshalb notwendig gewesen, weil die Eingangsabgabenfreiheit nach dieser Bestimmung nicht von vornherein auszuschließen ist.
Da die belangte Behörde aus den obdargelegten Gründen eine unzutreffende Vorstellung vom normativen Gehalt des § 174 Abs. 3 lit. a erster Tatbestand ZollG zu erkennen gab, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem für Schriftsatzaufwand in dieser Verordnung allein vorgesehenen PAUSCHbetrag ein Zuspruch für Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160157.X00Im RIS seit
18.01.1990