TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/19 87/17/0306

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Veröffentlicht am 19.01.1990
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Index

L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art140 Abs7;
VergnügungssteuerG Wr 1963 §35 Abs1;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 9. April 1987, Zl. MDR-F 4/87/Str, betreffend Verwaltungsübertretung nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz, berichtigt durch den die gleiche Geschäftszahl tragenden Bescheid derselben Behörde vom 5. November 1987

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Jänner 1987 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 35 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 schuldig erkannt und über ihn nach der eben erstgenannten Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 80.000,-- (Ersatzarreststrafe: 70 Tage) verhängt, weil er als Verantwortlicher der F-Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vergnügungssteuerpflichtige Einnahmen in Höhe von S 581.063,-- aus dem in seinem Betrieb in Wien, in der Zeit vom 31. Dezember 1984 bis 30. Juni 1985 anläßlich von Publikumstanzveranstaltungen durchgeführten Verkauf von Speisen und Getränken, weiters steuerpflichtige Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken anläßlich der im selben Zeitraum in dieser Betriebsstätte durchgeführten Kabarettvorstellungen in Höhe von S 187.264,--, zusammen also in Höhe von S 768.327,--, nicht termingerecht zur Vergnügungssteuer einbekannt, die darauf entfallende Vergnügungssteuer von zusammen S 61.466,-- sowie das Raumpauschale in Höhe von S 18.720,--, fällig gewesen jeweils bis zum Zehnten jeden Monates für den unmittelbar vorhergehenden Kalendermonat, nicht rechtzeitig entrichtet und dadurch diese Abgabe im Gesamtbetrag von S 80.186,-- in der Zeit vom 11. Jänner 1985 bis 22. Juli 1985 (Zeitpunkt der amtlichen Bemessung) fahrlässig verkürzt habe.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge; dies mit der Maßgabe, daß nach den Worten "als Verantwortlicher" der Klammerausdruck "zur Vertretung nach außen berufener Gesellschafter" in den Spruch des Straferkenntnisses eingefügt wurde. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde zur Strafbemessung im wesentlichen aus, im Hinblick darauf, daß § 35 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 für Handlungen und Unterlassungen, wodurch die Steuer hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, Strafen bis zum Dreißigfachen des Verkürzungsbetrages vorsehe, erscheine die im vorliegenden Fall verhängte Strafe von S 80.000,--, die ungefähr dem verkürzten Steuerbetrag entspreche, nicht hoch und berücksichtige die zur Tatzeit bestehende Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernden Umstand. Immerhin sei das Interesse, dem die Strafdrohung diene (die ordnungsgemäße und fristgerechte Steuergebarung), erheblich gefährdet worden, sei doch das strafbare Verhalten erst durch die Tätigkeit der Behörde beendet worden. Es liege auch kein Anhaltspunkt für ein nur geringfügiges Verschulden vor. Die angeführte Strafe nehme auch auf die Vermögens- und Einkommenslosigkeit des Beschwerdeführers sowie auf dessen Sorgepflicht für zwei Kinder ausreichend Rücksicht.

Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom 5. November 1987 wurde der Spruch des angefochtenen Bescheides vom 14. Jänner 1987 gemäß § 62 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 dahin berichtigt, daß der bei der Wiedergabe des Spruches des Straferkenntnisses des Magistrates angeführte Strafkostenbeitrag richtig S 8.000,-- und nicht S 80.000,-- zu lauten habe.

Gegen den mit Bescheid vom 5. November 1987 berichtigten Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 9. April 1987 richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach seinem gesamten Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht einer Verletzung des § 35 Abs. 1 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 schuldig erkannt und deswegen bestraft zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Mit Beschluß vom 8. März 1989, Zl. A 4/89, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, festzustellen, daß § 35 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. Nr. 11, idF der Vergnügungssteuergesetznovelle 1976, LGBl. Nr. 37, und der Vergnügungsteuergesetznovelle 1981, LGBl. Nr. 16, verfassungswidrig war.

Mit Erkenntnis vom 27. September 1989, G 21/89-9 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof u.a. aus Anlaß des vorliegenden Falles ausgesprochen, daß die eben zitierte Gesetzesstelle verfassungswidrig war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hat der Verfassungsgerichtshof wie im vorliegenden Fall ausgesprochen, daß eine Gesetzesstelle verfassungswidrig war, so ist diese Gesetzesstelle gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht, was mit dem besagten Erkenntnis vom 27. September 1989 aber nicht geschehen ist, auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände MIT AUSNAHME DES ANLASSFALLES weiterhin anzuwenden.

Da auch der Beschwerdefall Anlaßfall für das in Rede stehende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes war, ist die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle somit im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden. Infolgedessen entbehrt aber der angefochtene Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer einer Verletzung des § 35 Abs. 1 des Wiener Vergnügungssteuergesetzes 1963 in der zitierten Fassung schuldig erkannt und deswegen bestraft worden war, einer gesetzlichen Grundlage.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits berücksichtigt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987170306.X00

Im RIS seit

19.01.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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