TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/19 89/17/0182

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Veröffentlicht am 19.01.1990
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37169 Kanalabgabe Wien;
L82309 Abwasser Kanalisation Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BAO §250 Abs1;
KanalgebührenO Wr 1987;
Kanalräumungs- und KanalgebührenG Wr;
LAO Wr 1962 §195;

Beachte

Besprechung in: ÖStZ 1990, 368;

Betreff

A-GmbH gegen Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989, Zl. MDR-G 13/89, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Vorlage einer Berufungsvorentscheidung an die Rechtsmittelinstanz in Angelegenheit Abwassergebühr

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. August 1988 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin auf Herabsetzung der Abwassergebühr für einen näher bezeichneten Zeitraum ab.

Die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Jänner 1989 - zugestellt am 20. Jänner 1989 - abgewiesen.

Mit Bescheid vom 14. März 1989 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin "vom 23.2.1989, eingebracht am 27.2.1989, auf Vorlage der Berufung vom 8.9.1988 an die Abgabenbehörde zweiter Instanz als verspätet zurückgewiesen."

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin am 19. April 1989 einen - mit 14. April 1989 datierten - Schriftsatz mit folgendem Wortlaut ein:

"Gegen den im Betreff genannten Bescheid der MA 4/Referat 6 vom 14.3.1989, der Berufungswerberin zugestellt am 22.3.1989, erhebt die Berufungswerberin innerhalb innerhalb offener Frist nachstehende

Berufung

und führt hiezu aus wie folgt:

Der von der A, Gemeinnützige Siedlungs- und Baugesellschaft m. b.H. für die Zeit vom 1.1.1986 bis 31.12.1986 gestellte Antrag auf Herabsetzung der Abwassergebühr betreffend die Wohnhausanlage Wien 3., X-Gasse wurde mit Bescheid der MA 4/Referat 6-III-428/87-1 vom 18.8.1988 im wesentlichen unter der Begründung abgewiesen, daß die nachgewiesene Nichteinleitungsmenge nicht die im Gesetz geforderte Mindestgrenze von 5 v. 100 der Bezugsmenge überschritten habe. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung der MA 4/6 vom 18.1.1989 als unbegründet abgewiesen und wurde diese Berufungsvorentscheidung der Berufungswerberin am 20.1.1989 zugestellt.

Der von der Berufungswerberin angebrachte Eingangsstempel auf zitierter Berufungsvorentscheidung (insbesondere der Tagesstempel - in Kopie beiliegend) ist derart verschwommen und undeutlich zu lesen, daß der zuständige Sachbearbeiter der Berufungswerberin den Tagesstempel mit 28.1.1989 identifizierte und diesen Tag auf (sie) für den Beginn des Fristenlaufes in seinem Kalender festhielt. Die Berufungsweberin brachte demnach am 27.2.1989 vermeintlich innerhalb offener Frist die Berufung gegen die Berufungsvorentscheidung der MA 4/6 vom 18.1.1989 ein und stellte die entsprechenden Sachanträge.

Erst mit dem im Betreff genannten Bescheid wurde die Berufungswerberin aufgeklärt, daß das richtige Datum der Zustellung genannter Berufungsvorentscheidung der 20.1.1989 war und wurde dieses Datum auch bei Durchsicht in den Postbüchern der Berufungswerberin bestätigt.

Dem Sachbearbeiter der Berufungswerberin ist bei der Feststellung des Datums der Zustellung der Berufungsvorentscheidung aufgrund des verschwommenen Eingangsstempels zweifellos nur ein minderer Grad des Verschuldens anzulasten und ersucht daher die Berufungswerberin nachträglich um Fristverlängerung der 4-wöchigen Berufungsfrist gegen die Berufungsvorentscheidung gemäß § 191 Abs. 3 WAO dahingehend, daß die von der Berufungswerberin am 27.2.1989 eingebrachte Berufung als fristgerecht eingebracht angesehen wird.

Inhaltlich verweist die Berufungswerberin nochmals auf die schon mit Schriftsatz vom 23.2.1989 vorgebrachten Sachargumente und beantragt daher

1. die Vorlage dieser Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz,

2. die Bestellung eines neuen gerichtlich beeideten Sachverständigen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Ermittlung der richtigen Nichteinleitungsmenge,

3. die Abgabenbehörde zweiter Instanz wolle entscheiden, daß die von der Berufungswerberin vorgebrachte Nichteinleitungsmenge von 990,75 m3 den Tatsachen entspricht und demzufolge den Bescheid der MA 4/Referat 6-III-428/87-1 dahingehend abändern, daß dem von der Berufungswerberin gestellten Antrag vom 18.11.1987 auf Herabsetzung der Abwassergebühr in dem von der Berufungswerberin urgierten Ausmaß stattgegeben werde."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 224 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung-WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages am 20. Februar 1989 geendet habe und daher der am 28. Februar 1989 bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingelangte Vorlageantrag verspätet sei. Diese Feststellungen habe die Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Die Zurückweisung des Vorlageantrages sei somit zu Recht erfolgt. Bemerkt werde, daß im Berufungsverfahren nicht zu prüfen gewesen sei, ob und in welchem Ausmaß ein Verschulden der Beschwerdeführerin an der Versäumung der Frist vorliege. Eine Fristverlängerung nach § 191 Abs. 3 WAO sei nicht möglich, weil sich diese Vorschrift auf die Verlängerung der Berufungsfrist beziehe, während § 211 Abs. 1 WAO ausdrücklich normiere, daß es sich bei dieser Frist zur Stellung eines Vorlageantrages um eine unerstreckbare Frist handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahren steht außer Streit, daß ein Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz innerhalb der im § 211 Abs. 1 zweiter Satz WAO genannten Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung nicht eingebracht wurde. Die Beschwerdeführerin rügt vielmehr, daß sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob bei verspäteter Einbringung des Vorlageantrages nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 240 WAO möglich gewesen wäre bzw. die Berufung - gegen den Zurückweisungsbescheid vom 14. März 1989 - als Wiedereinsetzungsantrag zu werten gewesen wäre.

Nach § 195 WAO muß die Berufung enthalten:

a) Die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c)

die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d)

eine Begründung.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Schriftsatz vom 14. April 1989 alle essentiellen Bestandteile, die eine Berufung nach § 195 WAO enthalten muß - auch in der Beschwerde wird diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgebracht - enthielt. Die belangte Behörde war daher berechtigt und verpflichtet, in dem Schriftsatz eine Berufung zu erblicken und über diese Berufung zu entscheiden (vgl. das zu § 250 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1978, Zl. 738/78).

Ob der Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 14. April 1989 auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages anzusehen war, muß dahingestellt bleiben, weil der angefochtene Bescheid eine Entscheidung über einen derartigen Wiedereinsetzungsantrag nicht getroffen hat (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Juni 1978).

Soweit aber die Beschwerdeführerin rügt, daß die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 14. März 1989 "falsch oder zumindest unvollständig" sei, "da mit der verspäteten Einbringung des Antrages, unsere Berufung im ordentlichen Rechtsmittelweg als erledigt zu betrachten gewesen wäre und daher der Hinweis auf ein außerordentliches Rechtsmittel in der Rechtsmittelbelehrung notwendig gewesen wäre", vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen - und wird dies in der Beschwerde auch in keiner Weise dargetan -, inwieweit die Beschwerdeführerin dadurch überhaupt in ihren Rechten - und zwar durch den Spruch des angefochtenen Bescheides - verletzt sein kann. Im übrigen kann der Verwaltungsgerichtshof dem Gesetz keine Regelung entnehmen, die die Behörde verpflichten würde, auf die Möglichkeit des Rechtsbehelfes der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinzuweisen.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989170182.X00

Im RIS seit

19.01.1990

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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