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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 lita;Betreff
N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 27. September 1989, Zl. I/7-St-T-8977, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 27. September 1989 wurden über den Beschwerdeführer Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt, weil er als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw-Zuges am 18. Oktober 1988 um 10.00 Uhr in Eichgraben, im Kreuzungsbereich der Flettnerstraße mit der LH 124, 1. das Fahrzeug "bei einem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten" habe, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, und
2. nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und ein Identitätsnachweis nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch Übertretungen zu 1. nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und zu 2. nach § 99 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen.
Entsprechend den Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides habe die "Auffordererin" nach der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Eichgraben bekanntgegeben, daß der Beschwerdeführer mit dem Lkw-Zug zur angegebenen Zeit im Ortsgebiet von Eichgraben von der Flettnerstraße kommend zum Kreuzungsbereich mit der LH 124 gefahren sei. Ohne auf den bevorrangten Querverkehr zu achten, sei der Beschwerdeführer in die Kreuzung nach links in Richtung Altlengbach eingefahren, wobei er einen bevorrangten Pkw-Lenker (das sei die "Auffordererin") zum Bremsen genötigt habe. Mit der Anhängerladung (Holzbalken) habe der Beschwerdeführer das Hauseck des Feuerwehrgebäudes gestreift und dabei ein Stück des Verputzes herausgebrochen. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer, ohne anzuhalten, seine Fahrt in Richtung Altlengbach fortgesetzt, und es unterlassen, dem Geschädigten seine Identität bekanntzugeben oder die Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Die Feuerwehr Eichgraben habe durch diesen Unfall einen Schaden von S 8.000,-- erlitten. Die "Auffordererin" sei als Zeugin befragt worden und habe in der Niederschrift vom 18. Oktober 1988 die am Gendarmeriepostenkommando Eichgraben gemachten Angaben vollinhaltlich aufrecht erhalten. Sie habe eindeutig ausgeführt, daß der Beschwerdeführer als Lenker des Lkw-Zuges unbedingt habe bemerken müssen, daß er ihr den Vorrang genommen habe. Außerdem sei sie der Meinung, ein erfahrener Lkw-Lenker müsse eine Kurve so anfahren, daß keine Beschädigung durch das Ladegut erfolge. Die Zeugin komme weiters zu der Schlußfolgerung, daß im Falle des Vorhandenseins eines Fußgängers auf dem Gehsteig beim Feuerwehrhaus dieser möglicherweise zwischen der Hausmauer und dem Ladegut zerquetscht worden wäre. Die Angaben der Zeugin seien klar, eindeutig und sachbezogen, sodaß an der Richtigkeit derselben keine begründeten Zweifel bestünden. Zu der Frage, ob der Beschwerdeführer die Beschädigung habe bemerken müssen, sei das Gutachten eines Amtssachverständigen eingeholt worden, welches wie folgt laute:
"Es ist durchaus möglich, daß der Lenker die Streifung nicht wahrgenommen hat, weil er die Kraftwirkung vom Anhänger her nicht wahrnehmen kann und er auch mit seinen Außenspiegeln keine Sicht in den Bereich zur Kontaktstelle hat. Der Lenker muß aber Kenntnis über das Ausmaß seiner Ladung und über die Fahrzeugbewegung während der Bogenfahrt haben. Ebenso muß dem Lenker bewußt geworden sein, daß er mit seinem Fahrzeug und dessen Beladung dem Feuerwehrhaus nahe kam und es erhebt sich die Frage, ob er im gegenständlichen Fall nicht während der Vorbeifahrt anhalten hätte müssen, um zu kontrollieren, ob er kontaktfrei vorbeikommen werde bzw. ob er nicht nach der Vorbeifahrt sein Fahrzeug hätte anhalten müssen, um zu überprüfen, ob er kontaktfrei vorbeigekommen ist."
Aus diesem Gutachten sei zu entnehmen, daß dem Beschwerdeführer sowohl zufolge der Kraftwirkung des Anhängers als auch der Sicht durch die Außenspiegel keine objektiven Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht habe. Es sei aber dem Gutachten zweifelsfrei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer bei Einhaltung der gehörigen Vorsicht und Aufmerksamkeit im konkreten Fall durch Zuhilfenahme eines geeigneten Einweisers oder aber durch entsprechende Fahrweise (Anhalten vor der Engstelle unter Kontrolle des noch vorhandenen Platzes für das Fahrmanöver, gegebenenfalls mehrmalige Kontrolle) bzw. durch nachträgliche Kontrolle nach Durchfahrt durch die Engstelle zu überprüfen gehabt hätte, ob er kontaktfrei vorbeigekommen sei. Somit hätten dem Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewußtsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Beschädigung einer Ecke des Feuerwehrhauses zu erkennen vermocht hätte, da ihm das Ausmaß der Ladung, die Fahrzeugbewegung und die knappen Bewegungsspielräume zu Bewußtsein hätten kommen müssen. Wie bereits aus der Anzeige hervorgehe, sei der Beschwerdeführer offenkundig rücksichtslos in die gegenständliche Kreuzung eingefahren, da er auch nicht auf den bevorrangten Querverkehr geachtet habe. Bei entsprechend vorsichtiger, sorgfältiger und gewissenhafter Fahrweise hätte der Beschwerdeführer das gegenständliche Straßenstück nur langsam fahrend passieren dürfen bzw. zufolge der knappen und engen Fahrbahnverhältnisse sowie der über den Anhänger herausragenden Ladung im Zweifelsfall vor der Vorbeifahrt an dem Feuerwehrhaus anhalten müssen, den vorhandenen Bewegungsspielraum überprüfen und dann mit entsprechender Vorsicht und Gewissenhaftigkeit
- erforderlichenfalls mit mehrmaliger sorgfältiger Kontrolle - das kritische Straßenstück passieren können. Dadurch, daß der Beschwerdeführer im konkreten Fall die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen nicht getroffen habe, die im Gutachten des Amtssachverständigen für das Kraftfahrwesen angeführt seien, dessen Aussage schlüssig sei und daher von der Berufungsbehörde übernommen werde, habe es der Beschwerdeführer an der nötigen Sorgfalt mangeln lassen, bei deren Anwendung ihm objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er bei gehöriger Aufmerksamkeit die Möglichkeit des Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht hätte. Auch eine nachfolgende Kontrolle, ob die Platzverhältnisse tatsächlich ausreichend gewesen seien oder nicht, sei dem Beschwerdeführer bei den gegebenen Verhältnissen zumutbar gewesen. Der von ihm gewählte Fahrstil und die Nichtbeachtung des bevorrangten Querverkehrs würden aber auf eine mangelnde Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers trotz der kritischen Verkehrssituation schließen lassen. Daraus ergebe sich, daß dem Beschwerdeführer der Verkehrsunfall aus Mangel an pflichtgemäßer Sorgfalt nicht zur Kenntnis gelangt sei. Schließlich führe der Beschwerdeführer selber aus, daß die Hausfront mit dem Ende eines Kantholzes am hintersten Punkt (ca. 10 m hinter der Fahrerkabine) gestreift worden sei. Der Beschwerdeführer sei sich somit logischerweise über die Länge des Ladegutes und den Abstand des Ladegutes von der Fahrerkabine im klaren gewesen. Wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung weiters ausführe, sei der Lkw mit der vom Beschwerdeführer mitgeführten Ladung samt Anhänger nur unter größter Aufmerksamkeit bei den gegebenen engen Fahrbahnverhältnissen und Manövriermöglichkeiten zu steuern gewesen. Daß dies nicht der Fall gewesen sei und daß der Beschwerdeführer von den ihm gegebenen Möglichkeiten (entsprechend langsame und vorsichtige Fahrweise, Anhalten vor der Gefahrenstelle und Kontrolle des zur Verfügung stehenden Freiraumes, etc.) nicht Gebrauch gemacht habe, sei ihm als Fahrlässigkeit anzulasten. Andernfalls hätte der Beschwerdeführer den Verkehrsunfall gar nicht verursacht bzw. jedenfalls den eingetretenen Sachschaden feststellen können und müssen. Es bestehe somit kein Zweifel, daß der Beschwerdeführer mit dem Verkehrsunfall, bei welchem der Verputz des Feuerwehrhauses Eichgraben beschädigt worden sei, in einem ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, und daß ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen können und müssen, aus denen er die Möglichkeit des Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht habe. Weiters bestehe kein Zweifel, daß der Beschwerdeführer das von ihm gelenkte Fahrzeug nach dem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten habe, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, weshalb er mit Recht wegen Übertretung der Bestimmung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bestraft worden sei. Darüber hinaus bestehe weiters kein Zweifel, daß der Beschwerdeführer nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, obwohl sein Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, weshalb er mit Recht wegen Übertretung der Bestimmung des § 4 Abs. 5 leg. cit. bestraft worden sei. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zufolge § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Ist bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden, dann haben die im Abs. 1 genannten Personen zufolge Abs. 5 dieser Gesetzesstelle die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid ausschließlich mit dem Einwand, daß er den Verkehrsunfall nicht wahrgenommen habe und auch bei gehöriger Aufmerksamkeit für ihn eine Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalles nicht gegeben gewesen sei, wobei er auf das schon wiedergegebene Gutachten des Sachverständigen für das Kraftfahrwesen verweist, demzufolge es durchaus möglich sei, daß der Lenker die Streifung nicht wahrgenommen habe, weil er die Kraftwirkung vom Anhänger her nicht habe wahrnehmen können und auch mit seinem Außenspiegel keine Sicht in den Bereich zur Kontaktstelle gehabt habe. Der Beschwerdeführer meint, der Lenker eines Lkw-Zuges könne nicht verpflichtet werden, nach jeder passierten Fahrtstrecke zu überprüfen, ob er nicht auf Grund des Ausmaßes der Ladung irgendeine Sache beschädigt habe. Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach den angeführten Gesetzesstellen sei die Kenntnis vom Eintritt eines Schadensfalles. Da der Beschwerdeführer das Streifen eines Holzbalkens von der Anhängerladung mit dem Hauseck des Feuerwehrgebäudes nicht habe wahrnehmen können, habe er auch sein Fahrzeug nicht angehalten, um seinen Verpflichtungen im Sinne des § 4 StVO 1960 nachzukommen.
Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a sowie Abs. 5 leg. cit. ist nach ständiger hg. Judikatur nicht nur das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen von dem Eintreten eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Slg. N.F. Nr. 11.495/A).
Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, daß der Lenker eines Lkw-Zuges nicht verpflichtet ist, "nach jeder passierten Fahrtstrecke zu überprüfen, ob er nicht auf Grund des Ausmaßes der Ladung irgendeine Sache beschädigt hat", doch darf nicht übersehen werden, daß im Bereich des vorliegenden Tatortes die schon geschilderten besonderen, für den Beschwerdeführer nicht zu übersehenden und von ihm auch gar nicht bestrittenen Umstände vorgelegen waren, die angesichts der Größe des von ihm gelenkten Lkw-Zuges sowie des über diesen hinausragenden Ladegutes eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätten, um ein anstoßfreies Passieren dieses Teiles der gewählten Fahrstrecke zu gewährleisten. Daß es der Beschwerdeführer an dieser Aufmerksamkeit hat fehlen lassen, geht schon daraus hervor, daß er, wie die belangte Behörde in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides unwidersprochen festgestellt hat, "offenkundig rücksichtslos" in die in Rede stehende Kreuzung eingefahren ist, zumal durch dieses Fahrmanöver des Beschwerdeführers eine im Vorrang befindliche Pkw-Lenkerin zum Bremsen genötigt worden ist.
Der Gerichtshof folgt daher im Ergebnis der Auffassung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer insofern ein Verschulden an den ihm angelasteten Übertretungen vorzuwerfen ist, als er die unter den im Beschwerdefall gegebenen besonderen Umständen gebotene Aufmerksamkeit nicht aufgewendet hat, was dazu geführt hat, daß ihm die durch sein Fahrverhalten bedingte Verursachung eines Sachschadens nicht sogleich zur Kenntnis gelangt ist.
Die Bestrafung des Beschwerdeführers ist daher unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens zu Recht erfolgt.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Allgemein Identitätsnachweis MeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180199.X00Im RIS seit
12.06.2001