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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StVO 1960 §5 Abs4;Beachte
Besprechung in: ZVR 1991/11, 323; ZVR 1991/10, 299;Betreff
N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 19. Juli 1989, Zl. I/7-St-Sch-88230, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig erkannt und bestraft, weil er am 19. Jänner 1988 um 20.30 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws "im Krankenhaus Mödling einer erforderlichen und ärztlich unbedenklichen Blutabnahme nicht zugestimmt" habe, obwohl er im Verdacht gestanden sei, am 19. Jänner 1988 um 19.00 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person erheblich verletzt worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Dem zunächst erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, im Schuldspruch des angefochtenen Bescheides sei weder von der Vorführung noch von der Untersuchung des Beschwerdeführers die Rede, obwohl eine Blutabnahme zufolge § 5 Abs. 6 StVO 1960 nur dann zwingend sei, wenn der Verdächtige vorgeführt und eine Untersuchung durchgeführt worden sei, ist zu entgegnen, daß zufolge § 99 Abs. 1 lit. c StVO 1960 eine Verwaltungsübertretung begeht und zu bestrafen ist, wer sich bei Vorliegen der im § 5 Abs. 6 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen. Für die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 ist daher bei Übertretungen dieser Art der Vorwurf wesentlich, daß sich der Täter geweigert hat, sich Blut abnehmen zu lassen, obwohl die Voraussetzungen des § 5 Abs. 6 StVO 1960 gegeben waren, weshalb dem Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950 angesichts des vorstehend wiedergegebenen Schuldspruches entsprochen worden ist. Es genügt demnach, wenn sich aus der Bescheidbegründung ergibt, daß der Beschuldigte vorgeführt und untersucht worden ist.
Anschließend releviert der Beschwerdeführer, daß im Beschwerdefall keine Untersuchung im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960 durchgeführt worden sei, obwohl eine Blutabnahme nur im Rahmen einer derartigen Untersuchung zulässig sei.
§ 5 Abs. 6 StVO 1960 lautet:
"(Verfassungsbestimmung.) Steht der Vorgeführte im Verdacht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, so hat die Untersuchung, wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich ist, eine Blutabnahme zu umfassen."
Es ist zwar davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer angesichts der von den Gendarmeriebeamten festgestellten Merkmale (starker Alkoholgeruch aus dem Mund, starke Rötung der Augenbindehäute und lallende Aussprache) zu Recht in dem Verdacht gestanden ist, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, ferner bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme, daß der Beschwerdeführer in diesem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem eine Person erheblich verletzt worden ist, und die belangte Behörde hat auch zu Recht angenommen, daß der Beschwerdeführer "vorgeführt" worden ist, weil eine Vorführung im Sinne der zitierten Bestimmung (auch) dann vorliegt, wenn ein Organ der Straßenaufsicht eine im Verdacht der Alkoholbeeinträchtigung stehende Person mit einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt in Verbindung bringt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1980, Zl. 1539/80), doch hat die belangte Behörde offensichtlich übersehen, daß im § 5 Abs. 6 leg. cit. ausdrücklich vorgesehen ist, daß die UNTERSUCHUNG, wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich ist, eine Blutabnahme zu UMFASSEN hat. Die hier vorgesehene Untersuchung hat sich demnach nicht auf eine Blutabnahme zu beschränken, weshalb für den Beschwerdeführer nur dann eine Verpflichtung bestanden hätte, sich Blut abnehmen zu lassen, wenn eine Untersuchung (und zwar im Sinne des Einleitungssatzes des § 5 Abs. 4 leg. cit., also zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung) stattgefunden hätte, bei welcher sich überdies ergeben hätte, daß eine Blutabnahme erforderlich ist, um den Grad der Alkoholeinwirkung feststellen zu können. Diesbezügliche Erörterungen läßt der angefochtene Bescheid allerdings zur Gänze vermissen.
Die belangte Behörde hat zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt, der behandelnde Arzt habe als Zeuge angegeben, die Untersuchung des Beschwerdeführers durchgeführt zu haben, wobei dieser eine Gehirnerschütterung gehabt habe und sich nicht mehr genau an den Unfallshergang habe erinnern können, doch ist nirgends davon die Rede, daß der Beschwerdeführer von diesem oder einem anderen Arzt ZWECKS FESTSTELLUNG DES GRADES DER ALKOHOLEINWIRKUNG untersucht worden sei. Auch dem in der Verletzungsanzeige der Unfallabteilung des Landeskrankenhauses Mödling wiedergegebenen Befund (Blatt 32 der Akten) sind keine diesbezüglichen Anhaltspunkte zu entnehmen. Es läßt sich daher auch nicht sagen, ob die vom Beschwerdeführer geforderte Blutabnahme überhaupt im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960, also zur Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. erforderlich war, ob also eine zwecks Blutuntersuchung durchzuführende Blutabnahme nicht etwa deshalb entbehrlich war, weil schon eine - klinische - Untersuchung zur Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung ein eindeutiges Ergebnis im Sinne des § 5 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 erbracht hätte.
Es fehlen demnach Feststellungen darüber, ob im Krankenhaus eine Untersuchung des Beschwerdeführers zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung stattgefunden hat und eine Blutabnahme im Sinne der vorstehenden Ausführungen überhaupt erforderlich war, weshalb der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, sodaß der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, ohne noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" BegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989180139.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
23.09.2008