TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/24 89/01/0013

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Veröffentlicht am 24.01.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 31. August 1988, Zl. 228.874/4-II/6/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. November 1987 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Mit diesem war gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes (im folgenden: AsylG) und daher gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. auch nicht zum Aufenthalt imBundesgebiet berechtigt ist.

Die belangte Behörde ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger Ghanas und am 16. Juli 1987 legal aus Ungarn kommend nach Österreich eingereist. Am 21. Juli 1987 habe er durch seinen Rechtsanwalt bei der Bundespolizeidirektion Wien um die Gewährung politischen Asyls angesucht und zur Begründung folgendes vorgebracht:

Im Mai 1987 sei ein Freund, den der Beschwerdeführer aus seiner Zeit als Soldat gekannt habe, an ihn herangetreten und habe ihn gebeten, einen Putsch gegen die damals herrschende Militärdiktatur dadurch zu unterstützen, daß er den Putschisten Fahrzeuge zur Verfügung stellen sollte. Da der Beschwerdeführer in Accra einen Autohandel betrieben und mit dem Regime Ghanas, das die Menschenrechte und Grundfreiheiten ständig mißachte, äußerst unzufrieden gewesen sei, sei er der Bitte nachgekommen und habe die Putschisten mit einigen Fahrzeugen ausgestattet. Der Putsch sei am 4. Juni 1987 versucht worden, aber an der Loyalität der Militärs dem Regime gegenüber gescheitert. Noch am selben Tag sei der Beschwerdeführer als Teilnehmer an der Verschwörung verhaftet und in das politische Gefängnis "Gondar" gebracht worden, wo man ihn schwer mißhandelt und gefoltert habe. Durch die Hilfe eines Schulfreundes sei es ihm wider Erwarten gelungen, "aus dem Gefängnis" und in weiterer Folge aus Ghana zu flüchten. Seine Familie habe er in Ghana zurücklassen müssen. Über Jugoslawien und Ungarn sei er nach Österreich gelangt. Bei einer Rückkehr nach Ghana sei er seines Lebens nicht mehr sicher.

Der Beschwerdeführer habe anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 19. August 1987 auf die Angaben in seinem schriftlichen Asylansuchen verwiesen und als Beweismittel dafür, daß er in Ghana als Teilnehmer an dem Putschversuch gesucht würde, zwei Steckbriefe vorgelegt, die er per Post von Freunden zugesandt bekommen habe.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, die Verwaltungsbehörde erster Instanz hätte die zur Überprüfung seiner Behauptungen vorgelegten Beweise nicht aufgenommen. Man habe ihm nicht die Möglichkeit gegeben, sein Vorbringen weiter zu präzisieren. Die vorgelegten Steckbriefe nähmen ausdrücklich darauf Bezug, daß er in Ghana als Teilnehmer eines Putschversuches gesucht würde.

Die belangte Behörde vertrat dazu den Standpunkt, Ermittlungen durch die österreichische Vertretungsbehörde in Ghana hätten ergeben, daß das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers und die von ihm beigebrachten Beweismittel gefälscht seien. Am 4. Juni 1987 habe laut Mitteilungen der österreichischen Botschaft in Accra kein Putschversuch in Ghana stattgefunden. Der Beschwerdeführer werde weder von den lokalen Polizeibehörden, noch von Interpol, noch vom Militär gesucht. Die Steckbriefe die er zur Unterstützung seines Asylansuchens vorgelegt habe seien gefälscht. Abgesehen von dem Formblatt "CID Form No. 39" würden andere Steckbriefe von der "ghanaischen" Polizei nicht verwendet. Überdies würden solche Steckbriefe für den internen Polizeigebrauch verwendet und niemals in den Besitz der gesuchten Person gelangen, weil sie nur in den Polzeistationen auflägen. Recherchen hinsichtlich der Unterzeichner der Steckbriefe hätten ergeben, daß diese Unterschriften der Polizei nicht bekannt seien und daher auch nicht von dazu authorisierten Personen stammten. Laut Mitteilung der österreichischen Vertretungsbehörde sei gegen den Beschwerdeführer kein Verfahren anhängig. Seinen Angaben bezüglich seiner Flucht aus dem "Gondar-Gefängnis" sei entgegenzuhalten, daß es bis jetzt noch niemandem gelungen sei, aus diesem Gefängnis zu entkommen. Ärztliche Atteste über Folterspuren habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Rechtlich gelangte die belangte Behörde daher zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A der Flüchtlingskonvention beim Beschwerdeführer nicht vorlägen und der erstinstanzliche Bescheid zu Recht ergangen sei. Das Amt des Vertreters des Hochkommissars für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 AsylG gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Erledigung (Abweisung) der Berufung zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 AsylG ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt.

Daß in bezug auf die Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A Z. 1 der Flüchtlingskonvention erfüllt seien, hat weder der Beschwerdeführer behauptet, noch sind im Zuge des Verfahrens Tatsachen hervorgekommen, die in eine solche Richtigung wiesen. Da die belangte Behörde auch nicht Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschn. C oder F der Flüchtlingskonvention im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, hatte der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmungen angesehen werden kann, ist unter anderem Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, es wären weitere Erhebungsakte notwendig gewesen und verweist darauf, daß einerseits im fraglichen Zeitraum (Mai bis Juli 1987) laut (der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde beiliegenden) Berichten von Amnesty International regimekritische Revolten, insbesondere Studentenunruhen in Ghana stattgefunden hätten, daß es zur Verhaftung von Regimekritikern und sogar zu mehreren Hinrichtungen gekommen sei, daß weiters gerade zwei der vom Beschwerdeführer vorgelegten Steckbriefe den vom angefochtenen Bescheid genannten Vordruck "CID Form No. 39" darstellten, daß es nicht auszuschließen sei, daß man solche Steckbriefe auch an sich bringen könne, daß der Umstand, daß gegen den Beschwerdeführer laut Mitteilung der österreichischen Vertretungsbehörde in Ghana kein Verfahren anhängig sei, noch nichts besage, weil er ja flüchtig sei und schließlich, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, aus dem "Gondar Gefängnis" entsprungen zu sein, sondern daß ihm seine Flucht während einer Überstellung aus dem Transportfahrzeug gelungen sei.

Mit diesen Argumenten ist der Beschwerdeführer in dreierlei Hinsicht im Recht:

Zum einen ist darauf hinzuweisen, daß sich die belangte Behörde bei Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen "auf Ermittlungen der österreichischen Vertretungsbehörde in Ghana" stützte. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich diesbezüglich nur eine in englischer Sprache abgefaßte Stellungnahme des Vertrauensanwaltes des österreichischen Honorarkonsulates in Accra, die der belangten Behörde als Beilage einer Note des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten vom 17. Juni 1988 übermittelt wurde. Nicht hingegen ergibt sich aus den Verwaltungsakten, daß die belangte Behörde diesbezüglich ihrer in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schon wiederholt betonten Aufgabe der Wahrung des Parteiengehörs (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zlen. 89/01/0179, 0180) nachgekommen wäre. Die belangte Behörde hat es vielmehr verabsäumt, den Inhalt der Stellungnahme des Vertrauensanwaltes des österreichischen Honorarkonsulates (es handelt sich nicht um ein Schreiben der österreichischen Botschaft in Accra) dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben, jene Argumente, die er jetzt in der Beschwerde geltend macht, vorzubringen.

Dazu kommt, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig ist, weil sie mit dem Argument, die Polizeibehörden in Ghana würden ausschließlich Steckbriefformulare "CID Form Nr. 39" verwenden, den von Beschwerdeführer vorgelegten Steckbriefen die Glaubwürdigkeit versagte. Diese Steckbriefe sind aber gerade - zumindest in einem Fall (vgl. Blatt 2 der Verwaltungsakten) - auf dem genannten Formblatt angefertigt worden.

Schließlich ist der belangten Behörde auch eine Aktenwidrigkeit unterlaufen, indem sie davon ausging, der Beschwerdeführer habe behauptet, aus dem "Gondar Gefängnis" entflohen zu sein (was unglaubwürdig sei, weil dies bisher noch niemandem gelungen sei): Der Beschwerdeführer hat dagegen bereits bei seiner niederschriftlichen Befragung am 19. August 1987 vor der Bundespolizeidirektion Wien ausdrücklich gesagt, seine Flucht sei ihm am 10. Juni 1987 während seiner Überstellung gelungen, indem er aus dem fahrenden Militärfahrzeug gesprungen sei (vgl. Seite 3 vorletzter Absatz der zitierten Niederschrift).

Nach all dem Gesagten ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge

Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010013.X00

Im RIS seit

24.01.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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