TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/24 89/01/0337

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Veröffentlicht am 24.01.1990
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Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

WaffG 1967 §12 Abs1 impl;
WaffG 1986 §12 Abs1;

Betreff

N gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Juli 1989, Zl. Wa-128/89, betreffend Waffenverbot

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. März 1989, mit dem in Bestätigung eines zuvor im Mandatsverfahren erlassenen Bescheides dieser Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1986 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition verboten worden war, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 30. Mai 1988 gegen 23.00 Uhr das Gendarmeriepostenkommando E angerufen und mitgeteilt, in dem von ihm allein bewohnten Haus befinde sich eine fremde Person. Der Beschwerdeführer habe hiebei erklärt, er werde schießen. Der Beschwerdeführer habe, als

ca. 15 Minuten später ein Gendarmeriebeamter bei seinem Haus eingetroffen sei, im Vorhaus stehend, sein Jagdgewehr mit einer ruckartigen Bewegung auf diesen gerichtet. Der Beschwerdeführer sei nach Aussagen des Gendarmeriebeamten sehr aufgeregt und erheblich alkoholisiert gewesen. Eine anschließende Durchsuchung sämtlicher Räume des Hauses sei ergebnislos geblieben, wobei alles versperrt und ein Einbruch nicht feststellbar gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe auf den Einwand, er habe sich die Gegenwart eines Einbrechers im Haus auch nur einbilden können, entgegnet, er sei durch starken Lärm (Rütteln an seiner Haustür) geweckt worden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, nicht alkoholisiert gewesen zu sein, sondern nach der Stallarbeit lediglich zwei Flaschen Bier getrunken zu haben. Er sei verständlicherweise aufgeregt und schlaftrunken gewesen. Entgegen der Aussage des Gendarmeriebeamten habe der Beschwerdeführer behauptet, seine Haustür sei versperrt gewesen. Der Beschwerdeführer sei im Besitz zweier Faustfeuerwaffen gewesen, welche ihm seine Schwester aber schon vor etwa drei Jahren wegen vom Beschwerdeführer geäußerter Selbstmordabsichten aus einem unversperrten Nachtkästchen weggenommen habe. Eine amtsärztliche Untersuchung habe ergeben, daß beim Beschwerdeführer chronischer Alkoholmißbrauch mit medizinisch feststellbarer Leberschädigung und einer Schädigung des Nervensystems vorliege. Im Zuge des von der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens habe der untersuchende Amtsarzt sein Gutachten dahin präzisiert, daß die beim Beschwerdeführer festgestellte Leberschädigung mit Sicherheit auf erhöhten Alkoholkonsum zurückzuführen sei. Nach diesem Gutachten seien andere Ursachen für diese Schädigung, für die der Beschwerdeführer auch keine konkreten "Anhaltspunkte geliefert" habe, auszuscheiden. Angesichts der bereits eingetretenen Schädigungen des Nervensystems sei beim Beschwerdeführer von Alkoholmißbrauch zu sprechen, auch wenn die Schwester des Beschwerdeführers nur von einem gelegentlichen Alkoholkonsum gesprochen habe. Der Beschwerdeführer habe beim Vorfall vom 30. Mai 1988 übersteigert und "rational wenig faßbar" reagiert, indem er bereit gewesen sei, gegen vermeintliche "Einbrecher" mit einer Schußwaffe vorzugehen. Hiebei sei, wie sich aus der glaubhaften Aussage des Gendarmeriebeamten ergebe, eine erhebliche Alkoholisierung des Beschwerdeführers vorgelegen. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers erweise sich deshalb als übersteigert und "rational wenig begründet", weil er, obwohl er auf Grund seines Anrufes mit dem Eintreffen der Gendarmerie habe rechnen können, dem eintreffenden Beamten mit dem Gewehr gegenüber getreten sei. Der Beschwerdeführer hätte, wäre die Haustür entsprechend seiner Darstellung versperrt gewesen, dem Beamten nicht mit der Waffe gegenüberzutreten brauchen bzw. hätte, wäre die Tür unversperrt gewesen, ein Versperren mehr Schutz geboten, als die in Anschlag gebrachte Waffe. Hinzu komme, daß sich die Schwester des Beschwerdeführers auf Grund der von ihm geäußerten Selbstmordabsichten veranlaßt gesehen habe, ihm beide Faustfeuerwaffen wegzunehmen. Auf Grund des festgestellten Alkoholmißbrauches, der bereits Auswirkungen bis zu einer Schädigung des Nervensystems mit sich gebracht habe, könne nicht nur die leichtfertige, sondern sogar die mißbräuchliche Verwendung einer Waffe nicht ausgeschlossen werden. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer Selbstmordabsichten ausgesprochen habe. Angesichts der noch hinzukommenden übersteigerten, mit Waffen im Zusammenhang stehenden Reaktionen sei die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen nicht von der Hand zu weisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, nur dann mit einem Waffenverbot belegt zu werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährdet würde. Die untersuchende Amtsärztin habe in ihrem ergänzenden Gutachten nicht von Alkoholmißbrauch, sondern von Alkoholkonsum gesprochen. Gründe, die auf einen Alkoholmißbrauch des Beschwerdeführers hinweisen würden, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Bei den festgestellten Schädigungen der Leber und des Nervensystems handle es sich um rein körperliche Gebrechen, welche nicht als Begründung für ein Waffenverbot herangezogen werden könnten. Aus dem Umstand, daß das Auftreten von Bewußtseinstörungen nicht festgestellt worden sei, könne darauf geschlossen werden, daß der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Alkoholkonsum keine psychischen Störungen hinterlassen habe. Der von der belangten Behörde zu unrecht angenommene gewohnheitsmäßige Mißbrauch von Alkohol stehe im Gegensatz zu regelmäßigem Alkoholkonsum, welcher nicht bedeute, daß der Betreffende vom Alkohol abhängig oder dem Alkoholmißbrauch ergeben sei. Das Verhalten des Beschwerdeführers am 30. Mai 1988 sei nicht auf Alkoholkonsum - er habe lediglich zwei Flaschen Bier getrunken -, sondern auf die durch das vermutete Eindringen eines Einbrechers verursachte Streßsituation zurückzuführen. Der Beschwerdeführer sei berechtigt, sein Eigentum und seine körperliche Unversehrtheit notfalls auch mit einer Waffe zu verteidigen. Der Beschwerdeführer habe, weil er bei Eintreffen der Gendarmeriebeamten vor Öffnen der Tür nicht habe wissen können, wer eintreten werde, verteidigungsbereit sein müssen. Hinsichtlich der angeblich geäußerten Selbstmordabsichten lägen bis auf die Angaben seiner vielleicht übervorsichtigen Schwester "keinerlei konkrete Anzeichen" vor. Der Beschwerdeführer habe, als er das Rütteln an seiner Haustüre bemerkt habe, mit Recht annehmen können, daß "etwas nicht in Ordnung" sei, und sich daher mit der Waffe auf die Suche nach der Lärmursache begeben. Daraus, daß er bei Wahrnehmen der Geräusche sofort die Gendarmerie verständigt habe und nicht auf eigene Faust auf "Verbrechersuche" gegangen sei, könne geschlossen werden, daß er Waffen nicht mißbräuchlich verwenden werde. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei keinesfalls vorgelegen, weil sich der Vorfall vom 30. Mai 1988 ausschließlich im Haus des Beschwerdeführers abgespielt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegen den Beschwerdeführer erlassene Waffenverbot wurde von den Verwaltungsbehörden beider Instanzen auf § 12 Abs. 1 WaffG gegründet. Danach hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Diese Regelung dient - wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. hiezu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 3. Dezember 1980, Zl. 127/80, und vom 26. Juni 1985, Zl. 84/01/0264) - der Verhütung mißbräuchlicher Verwendung namentlich von Schußwaffen und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine solche mißbräuchliche Verwendung stattgefunden hat.

Die belangte Behörde hat als Tatsachen, die in bezug auf den Beschwerdeführer die in § 12 Abs. 1 WaffG angeführte Annahme rechtfertigen, insbesondere die von der Amtsärztin bei ihm festgestellten Gesundheitsschäden, sein Verhalten beim Vorfall vom 30. Mai 1988 und seine von der Schwester des Beschwerdeführers angegebene Äußerung von Selbstmordabsichten angesehen.

Im Gutachten der Amtsärztin ist festgehalten, daß die beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschäden wohl auf Alkoholmißbrauch zurückzuführen sind. Zur Frage, inwieweit diese Schäden Einfluß auf das Verhalten des Beschwerdeführers im Umgang mit Waffen haben könnten, enthält das Gutachten keine Aussagen. Der im vorliegenden Fall festgestellte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers allein kann aber noch nicht als für die in § 12 Abs. 1 WaffG angeführte Annahme hinreichende Tatsache angesehen werden. Die Klärung der Frage, ob aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers derartige Schlüsse berechtigterweise hätten gezogen werden können, hätte beim gegebenen Sachverhalt der Einholung von Gutachten eines Facharztes für Neurologie bzw. Psychiatrie bedurft.

Soweit die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers am 30. Mai 1988 als übersteigert und "rational wenig begründet" beurteilt hat, ist ihr entgegenzuhalten, daß unter Berücksichtigung der diesem Vorfall zu Grunde liegenden Situation aus diesem Verhalten der Schluß, der Beschwerdeführer werde Waffen mißbräuchlich verwenden, noch nicht ableitbar ist. In dieser Hinsicht ist vor allem von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer beim Ansichtigwerden des Gendarmeriebeamten die Waffe abgesetzt hat.

Hinsichtlich der Äußerung von Selbstmordabsichten, die im übrigen nach der unwiderlegt gebliebenen Ausführungen des Beschwerdeführers bereits zwei bis drei Jahre zurückliegt, hat es die belangte Behörde unterlassen zu prüfen, ob dieser Äußerung tatsächlich Ernsthaftigkeit beizumessen war oder ob es sich hiebei nicht nur um eine milieubedingte Redensart gehandelt hat.

Da sohin nicht auszuschließen ist, daß die belange Behörde bei Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010337.X00

Im RIS seit

25.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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