TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/24 89/01/0446

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Veröffentlicht am 24.01.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1 idF 1974/796;
AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 16. Oktober 1989, Zl. 226.647/5-II/13/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge erhob der Beschwerdeführer, ein tschechischer Staatsangehöriger, Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Mai 1989, mit dem festgestellt worden war, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorliegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe angegeben, er sei bis zu seiner Ausreise im April 1987 in einem Hotel als Kellner beschäftigt gewesen. Auf Grund seiner Weigerung mit der Polizei zusammenzuarbeiten, habe der Beschwerdeführer "nur Schwierigkeiten gehabt". So sei ihm einen Tag vor Antritt einer Reise zu den Olympischen Spielen in Jugoslawien der Reisepaß entzogen worden. Wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinwirkung sei der Beschwerdeführer nach einer vom 24. Februar 1986 bis Ende Mai 1986 andauernden Untersuchungshaft zu einer Geldstrafe und einem Jahr Fahrverbot verurteilt worden. Im Jahre 1987 habe der Beschwerdeführer einen ungarischen Staatsbürger kennen gelernt, mit dessen Hilfe ihm die illegale Ausreise nach Ungarn und in der Folge die illegale Einreise in das Bundesgebiet gelungen sei. Im Berufungsverfahren - so führte die belangte Behörde ferner aus - sei der Beschwerdeführer von seinen Angaben insofern abgegangen bzw. habe diese dahin ergänzt, daß er sein Heimatland deshalb verlassen habe, weil er mit dem dortigen System nicht einverstanden gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei auch sein Ausweis für Reisen in sozialistische Staaten abgenommen worden. Als er im Jahre 1986 die Zusammenarbeit mit der Polizei abgelehnt habe, sei er bei einem Verhör verprügelt und in der Folge vom 28. Februar 1986 bis 10. Mai 1986 in Untersuchungshaft genommen worden, ohne daß ihm eine strafbare Handlung hätte nachgewiesen werden können. Der Beschwerdeführer habe es "nervlich" nicht länger ausgehalten in seinem Heimatland zu leben, und daher beschlossen, dieses zu verlassen.

Dieses Vorbringen erachtete die belangte Behörde angesichts der in der CSSR herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände als nicht glaubwürdig. Die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich auch aus Divergenzen seiner Aussagen über seine Inhaftierung im Jahre 1986. Da erfahrungsgemäß Asylwerber gerade bei ihrer ersten Einvernahme spontan jene Angaben machten, die der Wahrheit am nächsten kämen, sei die ins Treffen geführte, auf die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Polizei zurückgeführte Verfolgung nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer habe auch eine seinen Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung ausgeübt, sodaß auch im Zusammenhang mit seiner beruflichen Laufbahn keine Verfolgung erkennbar sei. Die "Schwierigkeiten" des Beschwerdeführers bei seiner Ausreise stellten ein Ostblockstaaten systemimmanentes Faktum und keine individuelle Verfolgung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, die Angaben des Beschwerdeführers durch Anfragen an tschechoslowakische Behörden zu überprüfen bzw. den Beschwerdeführer zur Vorlage von Beweisen für sein Vorbringen aufzufordern. Die vom Beschwerdeführer angeführten behördlichen Maßnahmen seien als schwere Verfolgungshandlungen zu werten, deretwegen seine Furcht vor Verfolgung wohlbegründet sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung die über ihn verhängte Untersuchungshaft mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand in Zusammenhang gebracht und angegeben hat, deswegen bestraft worden zu sein. Demgegenüber hat er in der im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführten ergänzenden Befragung seine Inhaftierung auf die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Polizei zurückgeführt. Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang die Abweisung der Berufung damit begründet hat, daß erfahrungsgemäß die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprechen und daß daher die über das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Vorbringen hinausgehende Ausführungen als nicht glaubwürdig anzusehen seien, hat der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt, daß eine derartige Würdigung eines sich im Lauf des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern nicht unschlüssig ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987, Zl. 85/01/0299, vom 7. Dezember 1988, Zlen. 88/01/0276, 0284, und viele andere).

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine Feststellungen über die gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen getroffen und insbesondere keine Nachforschungen bei tschechoslowakischen Behörden angestellt, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der Begünstigung seiner Rechtsstellung vorzubringen. Anfragen an jene staatlichen Stellen des Heimatlandes, dessen Schutz der Asylwerber gerade nicht in Anspruch nehmen will, sind aus naheliegenden Gründen des Schutzes der Person des Asylwerbers nicht zweckmäßig und zielführend (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere).

Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die belangte Behörde nicht alle vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände als "systemimmanente Fakten von Ostblockstaaten" gewertet, sondern nur die Behauptungen über die Einschränkung der Reisefreiheit als derartiges Faktum angesehen. Diese entspricht der tatsächlich von den Oststaaten bis vor kurzem geübten Praxis, sodaß auch insoweit Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Demgemäß konnte auch ein Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

Schlagworte

freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungBeweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010446.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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