TE Vfgh Beschluss 1987/6/15 V84/86

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Veröffentlicht am 15.06.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Beschluß des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 10.06.1986, kundgemacht im Amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 21.06.1986. Beilage 4 (zu Heft 12)
MOG 1985 §73 Abs7
MOG 1985 §73 Abs8
MOG 1985 §80 Abs6

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung des Beschlusses des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 10.6.1986 (betreffend Pflichtrückgabe); durch die V, die sich primär an die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe wendet und diese nach §73 Abs8 iVm §80 Abs6 MOG im Falle von bestimmten Ersatzzahlungen berechtigt, die einzelnen Milcherzeuger anteilsmäßig zu belasten, Eingriffsmöglichkeit in die Rechtssphäre des antragstellenden Milcherzeugers; hier jedoch bloß potentielle Verletzung der Rechtssphäre - keine unmittelbare Betroffenheit; mangelnde Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller, in dessen landwirtschaftlichem Betrieb nach seinem Vorbringen Milch erzeugt wird, beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung des Beschlusses des geschäftsführenden Ausschusses des Milchwirtschaftsfonds vom 10. Juni 1986, kundgemacht im Amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 21.Juni 1986, Beilage 4 (zu Heft 12), wegen Gesetzwidrigkeit.

Diese V hat folgenden Wortlaut:

"Der geschäftsführende Ausschuß des Milchwirtschaftsfonds hat in seiner Sitzung am 10. Juni 1986 nachstehenden Beschluß gefaßt, der somit gemäß §59 MOG 1985 kundgemacht wird, und zwar:

Pflichtrückgabe

Die Bearbeits- und Verarbeitungsbetriebe haben ab 1. Juli 1986 je 100 kg übernommener und gemäß §16 MOG verrechneter Milchliefermenge (Abhofverkauf) 0,167 kg Butter (= 250 g je 150 kg Milchliefermenge) an Milcherzeuger ihres Einzugsgebietes abzugeben. Die Hälfte dieser Menge, das sind 0,0835 kg Butter (= 125 g je 150 kg Milchliefermenge) kann auch in Form von Milch und sonstigen Erzeugnissen aus Milch abgegeben werden.

Für die an die Milcherzeuger abgegebenen Waren ist der Einzelhandelspreis zu verrechnen. Bei der Berechnung der vierteljährlichen Gesamtrückgabemenge für den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb und der auf die einzelnen Milcherzeuger entfallenden Rückgabemengen ist die von einem Milcherzeuger während eines Quartals gelieferte Milch nur bis zu einer Menge von 15.000 kg anzurechnen.

Die Abrechnung erfolgt quartalsweise.

Bei Unterschreitung der festgesetzten vierteljährlichen Gesamtrückgabemenge hat der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb eine Ersatzzahlung zu leisten, deren Höhe wie folgt ermittelt wird:

Die Minderrückgabemenge ausgedrückt in kg Butter wird mit dem zum Quartalsende gültigen Netto-Einzelhandelspreis für Österr. Teebutter, ausgeformt in Alu (Code Nr. 3101) bewertet und ergibt die an den Fonds zu leistende Ersatzzahlung.

         Für die Umrechnung von Milch und sonstigen Erzeugnissen aus

Milch in Butter gilt folgender Umrechnungsschlüssel:  1 kg Käse

entspricht 1 kg Butter,  2 kg Topfen oder Rahm entsprechen 1 kg

Butter,  1 kg Schlagobers entspricht 1 kg Butter,  5 kg saure

Milchprodukte mit Fruchtzusätzen und Fruchtjoghurt

      entsprechen 1 kg Butter, 10 kg Milch oder sonstige flüssige

Milcherzeugnisse entsprechen

      1 kg Butter. Die Ersatzzahlung ist gemeinsam, mit dem

allgemeinen Absatzförderungsbeitrag im ersten auf das Quartal

folgenden Kalendermonat an den Fonds zu entrichten. Die

Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe sind berechtigt, die

einzelnen Milcherzeuger zum selben Termin entsprechend zu

belasten.

Dieser Beschluß ist befristet mit 30. Juni 1987".

2. Zur Prozeßvoraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit durch die bekämpfte V führt der Antragsteller im Sinne des §57 Abs1 letzter Satz VerfGG aus, die Be- und Verarbeitungsbetriebe hätten gemäß §73 Abs7 und 8 Marktordnungsgesetz 1985 (MOG idF der Nov. BGBl. 183/1986) vierteljährlich Butter, Milch und sonstige Erzeugnisse aus Milch an die Milcherzeuger ihres Einzugsgebietes "abzugeben". Diese Abgabe sei von der "freiwillig" zurückgenommenen Menge im Sinne des §73 Abs7 Z4 MOG zu unterscheiden. Sie erfolge nach §73 Abs8 letzter Satz iVm §80 Abs6 erster Satz MOG in der Weise, daß der Milcherzeuger um den, je 150 kg auf ihn entfallende Rückgabemenge, nach dem Einzelhandelspreis errechneten Betrag weniger ausbezahlt erhielte. Aus der Sicht des Milcherzeugers handle es sich somit um einen gesetzlich angeordneten "Zwangs(Rück)kauf", der durch die angefochtene V konkretisiert werde. Durch diesen Kaufzwang werde der Antragsteller aktuell und unmittelbar betroffen, einer weiteren Konkretisierung durch Individualakte bedürfe es nicht; auch sei eine Dispensmöglichkeit nicht gegeben (Hinweis auf VfSlg. 8212/1977).

3. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene V - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die V für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die

V in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüberhinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch die V selbst tatsächlich erfolgt. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die V selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 9724/1983).

Die bekämpfte V wendet sich primär an die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe (vgl. auch §73 Abs7 MOG idF BGBl. 183/86). Soferne der betreffende Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb nach §73 Abs8 MOG idF BGBl. 183/86 eine - in der bekämpften V näher geregelte - Ersatzzahlung wegen Unterschreitung der vierteljährlichen Gesamtrückgabemenge zu leisten hat, ist der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb nach §73 Abs8 iVm §80 Abs6 MOG berechtigt, die einzelnen Milcherzeuger anteilsmäßig zu belasten. Insofern ist die bekämpfte V geeignet, auch in die Rechtssphäre des Antragstellers einzugreifen.

Der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers wird aber nicht nach Art und Ausmaß durch die V selbst eindeutig bestimmt und verletzt die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers bloß potentiell.

Voraussetzung für die Verpflichtung des Bearbeitungsund Verarbeitungsbetriebes zur Leistung einer Ersatzzahlung ist, daß die vom Fonds festgesetzte vierteljährliche Gesamtrückgabemenge unterschritten wird. Die Verpflichtung tritt daher erst dann ein, wenn alle Milcherzeuger im Bereich des betreffenden Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes die in der bekämpften V festgelegten Rückgabemengen insgesamt nicht erreichen. Der einzelne Milcherzeuger ist erst dann verpflichtet, eine bestimmte Menge an Milchprodukten zurückzunehmen, wenn von anderen Milcherzeugern nicht entsprechend mehr an Milchprodukten abgenommen wird. Welche Mengen an Milchprodukten der einzelne Milcherzeuger dann zurücknehmen muß bzw. in welcher Höhe er durch den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb mit einer Ersatzzahlung belastet wird, hängt davon ab, inwieweit seine Rücknahmequote von anderen Milcherzeugern durch "freiwillige Abnahme" erfüllt wurde. Dazu kommt, daß der Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die Ersatzleistungen an den einzelnen Milcherzeuger zu überwälzen.

Der Antragsteller behauptet weder, daß im Bereich des für ihn zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebes die vierteljährliche Gesamtrückgabemenge nicht erreicht worden wäre, noch daß er persönlich deswegen vom Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb zur Rücknahme von Milchprodukten verpflichtet worden oder durch den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb mit einer Ersatzzahlung im Sinne des §80 Abs6 MOG belastet worden wäre. Damit fehlt es an der unmittelbaren Betroffenheit des Antragstellers durch die von ihm bekämpfte V.

4. Der Antrag war daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Marktordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V84.1986

Dokumentnummer

JFT_10129385_86V00084_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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