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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art18 Abs2;Betreff
N gegen Wiener Landesregierung vom 24. Jänner 1989, Zl. MA 70-10/983/88/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "am 19.8.1987 um 11.00 Uhr in Wien 21, A 22 Höhe Brigittenauer Brücke, Rtg. stadteinwärts" als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges "1.) die durch VZ gem. § 52/10 A StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten 2.) mehrere mehrspurige Kraftfahrzeuge auf einer Straßenstrecke, die durch das Verbotszeichen 'Überholen verboten' gekennzeichnet ist, überholt". Er habe dadurch Übertretungen nach § 52 Z. 10a und nach § 16 Abs. 2 lit. a StVO 1960 begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof richtete im Zusammenhang mit der Behauptung des Beschwerdeführers, den in Rede stehenden Verkehrszeichen seien keine Verordnungen der Behörde zugrunde gelegen, an die belangte Behörde das Ersuchen, die Akten über die Erlassung der betreffenden Verordnungen vorzulegen. Die belangte Behörde legte in der Folge zunächst den Text einer Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 20. Oktober 1982 vor, die zwar Verkehrsbeschränkungen im Bereich des Tatortes zum Gegenstand hat, die darin erwähnten Verkehrszeichenpläne wurden - trotz zweifacher Urgenz - nicht angeschlossen. Vielmehr legte die belangte Behörde Pläne vor, die einerseits in der Verordnung nicht genannt sind (und im Hinblick auf ihre Datierung aus dem Jahr 1985 auch nicht genannt sein können), andererseits nicht den Bereich des Tatortes betrafen. Zuletzt legte die belangte Behörde mit Schreiben vom 12. Dezember 1989 die Ablichtung eines Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 24. Juni 1987 vor, mit dem ein gemäß § 90 StVO 1960 Arbeiten auf und neben der Straße bewilligender Bescheid vom 2. Juni 1987 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 "ergänzt" wurde. In diesem Bescheid heißt es u. a.:
"zu 3. Besondere Verkehrsbedingungen
Die Aufteilung der Fahrflächen in Fahrstreifen mittels Fahrbahnmarkierung, die Verkehrsleitung mit Verkehrszeichen, Wegweisern, Avisotafeln und Fahrbahnmarkierungen sowie die Kundmachung von Verkehrsgeboten und Verboten im gegenständlichen Bereich der wasserseitigen Richtungsfahrbahn, der prov. Fahrbahnanschlüsse und im Bereich der Schüttaustraße sind gemäß FBM und FV-Plan 22., Donauuferautobahn A 22 Bauabschnitt Süd 3. Teil Zahl 16667 Phase 1 und Phase 2 durch die Magistratsabteilung 46 auszuführen, ....."
Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund des Inhaltes der von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen davon aus, daß die in Rede stehenden Verkehrszeichen zur Tatzeit keine Deckung durch Verordnungen der Behörde hatten. Punkt 3. des Bescheides vom 24. Juni 1987 kann keinesfalls als eine solche Verordnung angesehen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat es zwar im Erkenntnis vom 29. Juni 1984, Zl. 84/02A/0040, ausdrücklich offengelassen, ob u.U. auch im formalen Kontext eines Bescheides nach § 90 StVO 1960 eine Verordnung enthalten sein kann. Er hat aber zum Ausdruck gebracht, daß in Zweifelsfällen ein strenger Maßstab anzulegen sei. Nur wenn der Wortlaut eindeutig ergebe, daß "eine an die Allgemeinheit gerichtete Anordnung" vorliege, sei eine solche Annahme zulässig. Der oben wiedergegebene Wortlaut des Bescheides vom 24. Juni 1967 zwingt aber nicht zu der Annahme, es liege eine in einem Bescheid "versteckte" Verordnung vor. Primär ist davon auszugehen, daß damit dem Bescheidadressaten, der Bundestraßenverwaltung, gegenüber erklärt wird, daß die in einem angeschlossenen Plan enthaltenen Verkehrszeichen, welche (zum Teil) der Ermöglichung und Sicherung der mit dem Bescheid bewilligten Bauarbeiten dienen sollen, aufgestellt würden. Der Bescheid nimmt auch nicht Bezug auf einen bereits zuvor erlassenen generellen Verwaltungsakt.
Es ginge auch - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - nicht an, vom Gesetz eindeutig einem bestimmten Rechtssatztyp zugeordnete normative Inhalte beliebig untereinander zu vermischen und derart die rechtliche Qualifikation der Anordnung vor den Adressaten und vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verschleiern. Im Zweifel ist eine Norm als das zu qualifizieren, als das sie bezeichnet ist (vgl. die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, wonach für die Qualifizierung eines Verwaltungsaktes als Bescheid im Zweifel der Umstand maßgeblich ist, ob dieser Verwaltungsakt als Bescheid bezeichnet ist).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Vollmachtsurkunde bereits in einem anderen Verfahren verwendet wurde und die darauf entrichteten Stempelgebühren im vorliegenden Verfahren nicht ersetzt werden können.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989020049.X00Im RIS seit
11.07.2001