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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
N gegen Landeshauptmann von Wien vom 22. März 1989, Zl. MA 70-10/526/89/Str, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge eines von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens erging ein mit 22. Juli 1988 datierter Bescheid, mit dem über den Beschwerdeführer wegen beleidigender Schreibweise in einer in diesem Verwaltungsstrafverfahren vom Beschwerdeführer verfaßten Eingabe gemäß § 34 AVG 1950 eine Ordnungsstrafe verhängt wurde. Die Sendung, die diesen Bescheid und eine im Verwaltungsstrafverfahren ergehende Erledigung (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme) enthielt, lag laut Rückschein nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 27. bzw. am 28. Juli 1988 vom 29. Juli 1988 an beim Postamt 1052 Wien zur Abholung bereit.
In seiner gegen den Bescheid vom 22. Juli 1988 - "in offener Frist" - erhobenen, am 18. August 1988 bei der Erstbehörde überreichten und mit einem am 22. August 1988 ebenfalls überreichten Anbringen ergänzten Berufung behauptet der Beschwerdeführer, daß das "Schreiben der Behörde ..... rechtsunwirksam am 28. Juli 1988 hinterlegt" worden sei. Er begründete diese Behauptung der Sache nach damit, daß die "Ankündigung eines zweiten Zustellversuches" (Formular 2 zu § 21 Abs. 2 des Zustellgesetzes) unvollständig ausgefüllt gewesen sei. Er habe bei der "Generalpostdirektion" Rücksprache gehalten und über diesen Zustellmangel Beschwerde geführt. Dabei sei vereinbart worden, "daß die Sendung wegen schweren Zustellmangels zurückgesandt wird". Ein als "A" bezeichneter Bediensteter der zuletzt genannten Dienststelle wird als Zeuge hiefür namhaft gemacht. Die in der weiteren Folge am 3. August 1988 erfolgte Hinterlegung der Sendung sei infolge seiner Ortsabwesenheit vom 2. August 1988 an unwirksam. Von dieser Hinterlegung habe er ungefähr am 13. August 1988 Kenntnis erlangt und die Sendung am 18. August 1988 behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juli 1988 als verspätet zurückgewiesen. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 29. Juli 1988 zugestellt worden, die behauptete Ortsabwesenheit vom 2. August 1988 an sei unerheblich, die Berufungsfrist habe am 12. August 1988 geendet.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat seiner Beschwerde einen Umschlag einer "RSa-Sendung" angeschlossen, die von der Erstbehörde an ihn adressiert wurde, die Geschäftszahl des Bescheides vom 22. Juli 1988 und folgende handschriftliche Vermerke trägt:
"Angek. f. d. 28.07.88", "hint. 1052 28.07.88", "Neuerlich Angek. f. 3.08.88" und "neuel. Hinterleg. 3.08.88"; die beiden erstgenannten Vermerke sind - offenbar mit dem Kugelschreiber, mit dem der dritte Vermerk angebracht wurde - durchgestrichen.
Der Umschlag weist auch drei Poststempel auf: einen des Postamtes 1050 Wien vom 27. Juli 1988 und je einen des Postamtes 1052 Wien vom 28. Juli und vom 3. August 1988.
Über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes teilte das Postamt 1050 Wien mit Schreiben vom 4. Dezember 1989 mit, daß am 27. Juli 1988 "für gegenständlichen RSa-Brief ..... der erste Zustellversuch erfolglos durchgeführt" worden sei. Die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches für den 28. Juli 1988 sei unvollständig ausgefüllt worden. Der zweite Zustellversuch sei ebenfalls ergebnislos verlaufen, die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes beim Postamt 1052 Wien ausgefertigt, in das Hausbrieffach eingelegt, der Rückschein an die Erstbehörde und die Sendung an das Postamt 1052 "abgeleitet" worden. An die Leitung der Zustellabteilung des Postamtes 1050 Wien sei am 3. August 1988 "die gerechtfertigte Beschwerde der mangelhaften Ausfertigung der Ankündigung vom 27.7.1988 herangetragen" worden, "mit dem Bemerken, daß gegenständliche Sendung nicht behoben werde". Nach telefonischer Rücksprache mit der Erstbehörde sei wegen dieses Formfehlers "vereinbart" worden, am 3. August 1988 einen neuerlichen Zustellversuch zu unternehmen. Da der Beschwerdeführer, obwohl darüber informiert, erneut nicht anzutreffen gewesen sei, sei die Sendung unter Zurücklassung einer neuerlichen Verständigung mit 3. August 1988 beim Postamt 1052 neuerlich hinterlegt worden. Die Sendung sei dann am 18. August 1988 durch den Beschwerdeführer behoben worden.
Der Verwaltungsgerichtshof richtete mit Note vom 7. Dezember 1989 an die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 8 VwGG die Aufforderung, zu dem Schreiben des Postamtes 1050 Wien und zu den Vermerken auf dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Umschlag Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme vom 22. Dezember 1989 vertrat die belangte Behörde dazu die Auffassung, daß aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ablichtung der Ankündigung des zweiten Zustellversuches für den 28. Juli 1988 kein relevanter Zustellmangel erkennbar sei und der Beschwerdeführer von sich aus eine Abwesenheit von der Abgabestelle ab dem 2. August 1988 angegeben habe. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren niemals behauptet, "die Zustellversuche vom 27.7. und 28.7.1988 seien vom Zusteller (nämlich auf dem Kuvert) wieder durchgestrichen worden, sodaß die belangte Behörde keinen Grund fand, Bedenken hinsichtlich der Zustellung zu sehen und diesbezügliche Ermittlungen anzustellen". Der Zustellnachweis stelle eine öffentliche Urkunde dar, die vollen Beweis dessen begründete, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt werde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei hinsichtlich der Beweiskraft dieser Urkunde auch nicht geeignet, die Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges darzulegen. Der neuerliche Zustellversuch vom 3. August 1988 sei daher nicht erforderlich gewesen, da der erste Zustellvorgang bereits gültig gewesen sei. Werde das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt, so sei gemäß § 6 des Zustellgesetzes die erste Zustellung maßgebend. Da die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig sei, wenn die Verständigung beschädigt oder entfernt worden sei, sei der Schluß naheliegend, daß die Hinterlegung auch Rechtsfolgen bewirken könne, wenn die Verständigung hierüber aus irgendeinem Grunde mangelhaft geblieben sei.
Es trifft zu, daß der Rückschein eine öffentliche Urkunde ist und den - widerlegbaren - Beweis der Richtigkeit des darin Dokumentierten begründet. Der Beschwerdeführer hat aber im Verwaltungsverfahren ein Vorbringen erstattet, das auf die Widerlegung der Richtigkeit der Annahme, die am 28. Juli 1988 erfolgte Hinterlegung habe die Zustellung der Sendung mit Wirkung vom 29. Juli 1988 bewirkt, hinausläuft. Mit diesem Vorbringen hätte sich die belangte Behörde auseinandersetzen müssen. Sie hätte feststellen müssen, ob tatsächlich ein Zustellmangel unterlaufen ist, wie es der Beschwerdeführer behauptet und durch Vorlage einer Ablichtung eines "Formulares 2 zu § 21 Abs. 2 des Zustellgesetzes" (Ankündigung eines zweiten Zustellversuches für den 28. Juli 1988), dem sich offenbar weder der Empfänger der Sendung noch deren Absender entnehmen läßt, untermauert. Das Unterlassen dieser Ermittlungen und Feststellungen zu diesem Gegenstand ist ein Verfahrensmangel, der auch wesentlich ist, weil die Ankündigung des zweiten Zustellversuches für den 28. Juli 1988 unwirksam wäre und keine Rechtsfolgen nach sich ziehen könnte, wenn sich daraus nicht ergäbe, welche Behörde welchem Empfänger ein behördliches Schriftstück zuzustellen beabsichtigt. Das hat nichts mit dem von der belangten Behörde angesprochenen Umstand zu tun, daß die Beschädigung oder Entfernung einer
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dem Gesetz entsprechenden - Hinterlegungsanzeige an der Rechtswirksamkeit der Hinterlegung nichts ändert. Im übrigen ist die Post von der Unwirksamkeit des zweiten Zustellversuches ausgegangen. Ob zu Recht oder nicht, hätte die belangte Behörde prüfen müssen. Hätte sich herausgestellt, daß der zweite Zustellversuch ins Leere gegangen ist, so hätte die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei vom 2. August 1988 an von seiner Abgabestelle abwesend gewesen, sehr wohl rechtliche Bedeutung. Die Prüfung dieser Frage hätte sich allerdings erübrigt, wenn
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wofür der Inhalt der Verwaltungsakten keinen Anhaltspunkt bietet - der Zustellversuch vom 3. August 1988 nicht dem § 21 Abs. 2 des Zustellgesetzes entsprechend angekündigt worden ist und die diesem Zustellversuch folgende Hinterlegung schon aus diesem Grunde nicht die Wirkung einer Zustellung hätte haben können.
Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht in der Lage, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu beurteilen. Der Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989 im Rahmen des gestellten Begehrens.
Schlagworte
Beweismittel UrkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989020140.X00Im RIS seit
19.03.2001