TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/29 87/15/0082

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Veröffentlicht am 29.01.1990
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
32/06 Verkehrsteuern;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
53 Wirtschaftsförderung;

Norm

GebG 1957 §15 Abs3;
GebG 1957 §33 TP16 Abs1 Z1 litc;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z2;
KVG 1934 §2 Abs1;
KVG 1934 §2 Z3 lita;
StruktVG 1969 §2;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1991, 123;

Betreff

S-AG gegen Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 16. Juni 1987, Zl. 362-GA5-DR/86, betreffend Rechtsgebühr.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die S-AG (nunmehr: X-GmbH), im folgenden kurz S-AG (alt), hat mit der X-AG (nunmehr: S-AG), im folgenden kurz S-AG (neu) oder Beschwerdeführerin, am 4. September 1985 einen Sacheinlagevertrag in Form eines Notariatsaktes geschlossen. Gegenstand dieses Vertrages war, "in Erfüllung der bei der S-AG (neu) noch zu fassenden Hauptversammlungsbeschlüsse", die Einbringung eines Großteiles der Betriebe S-AG (alt) gegen die Gewährung von neuen Aktien der S-AG (neu). Gemäß den Punkten 1., 2. und 6. des Sacheinlagevertrages trat die S-AG (alt) ihre Geschäftsanteile an neun im einzelnen genannte Gesellschaften mbH gemäß § 1 Abs. 2 StruktVG an die "S-AG neu" ab.

In der Hauptversammlung vom gleichen Tag wurde unter anderem die Erhöhung des Grundkapitals von S 1,000.000,-- auf S 380,000.000,-- durch Ausgabe von neuen Namensaktien an die S-AG (alt) gegen Einbringung der im Sacheinlagevertrag benannten Anteile an neun Gesellschaften mbH beschlossen.

Für den Sacheinlagevertrag vom 4. September 1985 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg Rechtsgeschäftsgebühr im Betrage von S 75.340,-- gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG fest, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 3,767.000,--.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe als alleinige Aktionärin der "S-AG (neu)" in der Hauptversammlung vom 4. September 1985 die Erhöhung des Grundkapitals der S-AG (neu) um S 379,000.000,-- und in Ausübung ihres Bezugsrechtes die Leistung der gesamten Kapitalerhöhung durch Sacheinlage beschlossen, wobei auch Gegenstand der Sacheinlage unter anderem die gesamten angeführten Anteile der S-AG (alt) im Sinne des § 1 Abs. 2 StruktVG und § 10 GrEStG festgesetzt worden seien. Sodann führte die Beschwerdeführerin aus, der Erwerb der neuen Aktien auf Grund des Hauptversammlungsbeschlusses und des Sacheinlagevertrages unterliege gemäß § 2 KVG der Gesellschaftsteuer, weshalb die in Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung erfolgte Abtretung der Beteiligungen gemäß § 15 Abs. 3 und § 19 Abs. 2 GebG von der Gebührenpflicht für Rechtsgeschäfte ausgenommen sei. Abgesehen davon sei die Festsetzung einer Rechtsgeschäftsgebühr schon deshalb nicht zulässig, weil es sich um einen Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 StruktVG handle, für welchen gemäß § 1 Abs. 5 StruktVG abgabenrechtliche Gesamtrechtsnachfolge und gemäß § 13 Abs. 5 StruktVG Befreiung von den Stempel- und Rechtsgebühren angeordnet sei.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und setzte, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 39,243.720,--, die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG mit S 784.874,-- fest.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und setzte die Rechtsgebühr mit S 784.874,-- fest. Begründend führte sie aus, § 15 Abs. 3 GebG stehe der Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr für die Abtretung der Geschäftsanteile an die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Diese Gesetzesbestimmung, durch die eine Doppelbesteuerung vermieden werden solle, setze die Identität des Rechtsvorganges, der besteuert werde, voraus. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. November 1971, Zl. 1209/70, dargelegt habe, seien der Beschluß auf Erhöhung des Stammkapitales, der gemäß § 2 Z. 1 KVG die Pflicht zur Entrichtung der Gesellschaftsteuer nach sich ziehe, und die Verwirklichung dieses Beschlusses nicht ein und derselbe Rechtsvorgang. Im gegenständlichen Fall sei die Erhöhung des Grundkapitals der Beschwerdeführerin durch Sacheinlage, und zwar durch die Einbringung des Betriebes der "S alt" und der im Sacheinlagevertrag angeführten Beteiligungen, erfolgt. Der Beschluß auf Erhöhung des Grundkapitals der Beschwerdeführerin sei gleichsam das Hauptgeschäft, die Abtretung der Beteiligungen an den im Sacheinlagevertrag angeführten Gesellschaften mbH von der "S alt" an die Berufungswerberin das Erfüllungsgeschäft. Die Verschiedenheit dieser beiden Rechtsvorgänge werde schon dadurch deutlich, daß durch die Abtretung der Geschäftsanteile an die Beschwerdeführerin ein Gesellschafterwechsel bei den Gesellschaften mbH eingetreten sei, der allein Anlaß für die Anforderung der Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG geboten habe. Aber auch die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 19 Abs. 2 GebG sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Der Sacheinlagevertrag sei zwischen der "S alt" und der Beschwerdeführerin, jeweils vertreten durch ihre zeichnungsberechtigten Vorstandsmitglieder, abgeschlossen worden. Gegenstand dieses Sacheinlagevertrages sei die Einbringung der dort angeführten Vermögensteile und nicht die Erhöhung des Grundkapitals bei der Beschwerdeführerin als aufnehmende Gesellschaft. Der Beschluß über die Kapitalerhöhung sei erst nach Abschluß des Sacheinlagevertrages erfolgt und gesondert protokolliert worden. Es sei daher eine der wesentlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 GebG nicht erfüllt, nämlich die gemeinsame Beurkundung des Haupt- und des Erfüllungsgeschäftes in derselben Urkunde. Soweit das Gebührenrecht an zivilrechtliche Vorgänge, wie in diesem Fall an die Abtretung von Geschäftsanteilen an Gesellschaften mbH, anknüpfe, könne einer im § 1 Abs. 5 StruktVG angeordneten abgabenrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge im Gebührenrecht keine Bedeutung zukommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Befreiung von der gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG vorgeschriebenen Rechtsgebühr gemäß § 15 Abs. 3 GebG, § 19 Abs. 2 GebG, je in Verbindung mit § 2 StruktVG, § 1 Abs. 5 StruktVG und § 13 Abs. 5 StruktVG" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer), Versicherungssteuergesetz oder Beförderungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen.

Die Anwendung dieser Gesetzesvorschrift auf den gegenständlichen Fall wurde von der belangten Behörde, im wesentlichen gestützt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1971, Zl. 1209/70, deshalb abgelehnt, weil der Beschluß auf Erhöhung des Grundkapitals durch Sacheinlage, der gemäß § 2 Z. 1 KVG die Pflicht zur Entrichtung der Gesellschaftsteuer nach sich ziehe, und die Verwirklichung dieses Beschlusses durch die Abtretung der Gesellschaftsanteile nicht idente Rechtsvorgänge seien.

Nun ist der belangten Behörde zwar darin beizupflichten, daß eine - durch § 15 Abs. 3 GebG zu vermeidende - Doppelbesteuerung grundsätzlich die Identität des Rechtsvorganges voraussetzt (siehe das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe die Parteien gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden). Der Verwaltungsgerichtshof kann aber der belangten Behörde nicht folgen, wenn sie im gegenständlichen Fall die Identität des Rechtsvorganges verneint.

Der Beschwerdefall weist im Vergleich mit dem genannten entschiedenen Rechtsstreit im Sachverhalt insofern einen Unterschied auf, als in jenem der Kommanditanteil an einer Kommanditgesellschaft, hier aber Anteile an Gesellschaften mbH übertragen worden sind. Dieser Unterschied führt zu einem anderen rechtlichen Ergebnis bei Beurteilung der Frage des Vorliegens der Identität der Rechtsvorgänge. Bei gesonderter Betrachtung des Tatbestandes der Übertragung eines Geschäftsanteiles an einer Personengesellschaft gilt der in dem Erkenntnis vom 18. November 1971 vom Verwaltungsgerichtshof eingenommene Standpunkt, daß nach Abtretung des Anteiles an der Kommanditgesellschaft ein Gesellschafterwechsel bei der Kommanditgesellschaft eingetreten ist, der allein Anlaß für die Anforderung der Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG geboten hat. Dieses Rechtsgeschäft, für sich allein betrachtet, erfüllt zwar den Gebührentatbestand des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG, fällt aber nicht unter das Kapitalverkehrsteuergesetz. Diese Folge tritt bei dem gegebenen Sachverhalt jedoch schon deshalb nicht ein, weil bei Abtretungen von Anteilen an einer Gesellschaft mbH nicht der dadurch eintretende Gesellschafterwechsel, sondern die Abtretung von Rechten an sich Gegenstand der Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG ist. Die gesellschaftsrechtliche Komponente des Abtretungsvertrages wird dagegen ausschließlich durch das Kapitalverkehrsteuergesetz erfaßt. Der Sacheinlagevertrag vom 4. September 1985 unterliegt daher grundsätzlich sowohl der Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 GebG als auch der Gesellschaftsteuer gemäß § 2 Z. 3 lit. a KVG, weshalb die Befreiungsvorschrift des § 15 Abs. 3 GebG im gegenständlichen Fall anzuwenden war.

Der Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG steht aber nicht entgegen, daß das gegenständliche Rechtsgeschäft gemäß § 2 StruktVG von den Kapitalverkehrsteuern befreit ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nämlich die in dieser Frage von der Rechtslehre überwiegend vertretene Ansicht, daß es für die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 15 Abs. 3 GebG genügt, daß das Rechtsgeschäft grundsätzlich den genannten Verkehrsteuergesetzen unterliegt. Das bedeutet, daß auch solche Rechtsgeschäfte gebührenfrei sind, die nach den genannten Abgabengesetzen zwar steuerbar, im Einzelfall jedoch steuerbefreit sind (siehe Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, §§ 15 bis 18 B VI 2c, und die dort angeführte Literatur).

Da sohin von der belangten Behörde im vorliegenden Fall die Rechtslage hinsichtlich der Anwendung des § 15 Abs. 3 GebG verkannt worden ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte. Bei diesem Ergebnis kann eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987150082.X00

Im RIS seit

26.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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