TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/30 89/05/0148

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §35;
BauplanV NÖ 1978 §4;
BauRallg;

Betreff

N gegen Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Juni 1989, Zl. R/1-V-8921, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) F, 2) Marktgemeinde

S)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. Juni 1988 ersuchte der Erstmitbeteiligte bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Zu- und Umbau seines Wohnhauses in S. Dem diesem Antrag beigeschlossenen Bauplan ist zu entnehmen, daß zwei Räume unmittelbar anschließend an den Hof der beschwerdeführenden Nachbarin durch die Abtragung einer Mauer und die Aufstellung von Mauern geändert werden sollen. Der eine Raum wird in dem Plan als Lagerraum bezeichnet, der andere als Heizraum. Hinsichtlich des Heizraumes ist zum Hof der Beschwerdeführerin hin ein Fenster eingezeichnet, hinsichtlich des Lagerraumes dagegen nicht. Gesehen vom Hof der Beschwerdeführerin aus, ist anschließend an den Heizraum ein Bad vorgesehen, in welches man durch einen neu zu schaffenden Vorraum gelangt, welcher durch Mauerdurchbrüche von zwei an der Straße gelegenen Zimmern aus begangen werden kann. Weiters sieht der Plan bezüglich des Abstellraumes neben der Liegenschaftseinfahrt die Abtragung einer Zwischenmauer sowie die Schließung einer Türöffnung (zum Eßraum) vor. Entsprechend der Bauplanverordnung, LGBl. 8200/2-0, sind die abzutragenden Bauteile gelb, die neu zu errichtenden rot gekennzeichnet. Widmungsänderungen von Räumen sind entgegen § 4 Abs. 4 der Verordnung nicht gekennzeichnet.

Zu der für 10. Juni 1988 anberaumten mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen der Präklusion gemäß § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen. Bei dieser Verhandlung wurde das Bauvorhaben zunächst dahingehend beschrieben, daß der mitbeteiligte Bauwerber beabsichtige, den derzeit bestehenden Heizraum zu verkleinern und in dem dadurch gewonnenen Raum ein Bad einzubauen. Weiters werde zwischen der bestehenden Veranda und dem Bad ein Aufschließungsflur errichtet. Der im derzeitigen Heizraum seit 1975 aufgestellte Wärmeerzeuger bleibe bestehen, ebenso der vorhandene Rauchfang. Der Heizraum weise an der Grundgrenze eine Fensteröffnung auf. Der unmittelbar neben dem Heizraum befindliche Lagerraum weise ebenfalls ein Fenster mit gleicher Abmessung in der Außenmauer im Bereich der Grundgrenze auf (der Umstand, daß dieses Fenster im Bauplan nicht eingezeichnet ist, wurde nicht erwähnt). In der Verhandlungsschrift wird ferner noch darauf hingewiesen, daß die Außenmauer, in welcher die vorgenannten Fensteröffnungen bestehen, ein Baualter von ca. 100 Jahren aufweise und dies auch für die genannten Fenster gelte. Eine Erklärung der Beschwerdeführerin wurde als Wunsch protokolliert, die Fenster an der gemeinsamen Grundgrenze zu vermauern. Gutachtlich stellte der technische Amtssachverständige fest, daß die beiden Fenster mit den Abmessungen 40 x 25 cm nach übereinstimmender Aussage des Erstmitbeteiligten und der Beschwerdeführerin seit

ca. 100 Jahren bestünden. Es sei somit anzunehmen, daß diese Fenster rechtens bestehen. Da sich jenseits der Fenster der Hof der Beschwerdeführerin befinde, bestünden in feuerpolizeilicher Hinsicht gegen die Fenster keine Bedenken. Hinsichtlich des Fensters des Heizraumes sah der Sachverständige die Auflage vor, dieses raumseitig mit einem unbrennbaren Rahmen und einem engmaschigen Gitter (Maschenweite 3 bis 5 mm) gegen Durchbrand zu sichern. Die vorgesehene brandhemmende Tür vom Lagerraum zum Aufstellungsraum des Wärmeerzeugers sei mit einem Selbstschließmechanismus auszustatten. Insgesamt erachtete der Bausachverständige das Bauvorhaben als bewilligungsfähig.

Mit Bescheid vom 13. Juni 1988 erteilte der Bürgermeister die angestrebte Baubewilligung. Das Protokoll über die Bauverhandlung wurde laut Vordruck zu einem wesentlichen Bestandteil des Bescheides erklärt. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde weder im Spruch des Bescheides noch in der Begründung, die sich mit einer Wiedergabe des Vordruckes begnügt, gesondert Stellung genommen.

Diesen Baubewilligungsbescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin mit ihrer Berufung insoweit, als dem Erstmitbeteiligten nicht die Auflage erteilt worden sei, die beiden Fenster in der Außenmauer zu ihrem Hof luft- und brandbeständig abzuschließen und zu vermauern. Insbesondere verwies die Beschwerdeführerin darauf, daß durch die Abteilung des früheren Stallgebäudes nach dem Plan ein Heizraum, ein Bad sowie ein Lagerraum entstehen sollen. Im Lagerraum sei jedoch das bestehende Fenster nicht eingezeichnet, obwohl nach den Intentionen des Bauwerbers dieses Fenster nicht abgemauert werden soll. Der Erstmitbeteiligte beabsichtige nunmehr, den ehemals als Stall dienenden Raum in einen Heizraum, einen Lagerraum für Brennmaterialien sowie in ein Bad umzubauen, wobei vorgesehen sei, die Maueröffnungen in ihren Hof bestehen zu lassen. Dies widerspreche der NÖ Bauordnung. Letzteres wurde im einzelnen näher begründet.

Auf Grund dieser Berufung erstattete ein technischer Amtssachverständiger des NÖ Gebietsbauamtes IV am 20. Juli 1988 ein umfangreiches Gutachten. Er ging hiebei davon aus, daß die beiden in der Außenmauer an der Grundgrenze bestehenden Fenster als Bestand anzusehen seien. Der Sachverständige verwies darauf, daß mit einem Bescheid vom 2. Juni 1981 eine Baubewilligung erteilt worden sei, die den Heizraum betroffen habe. Damals hätte die Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben. Gutächtlich vertrat der Sachverständige die Auffassung, daß die Raumwidmungen des Bescheides vom 2. Juni 1981 aufrecht blieben und in die bestehenden Verhältnisse der äußeren Brandwand gegenüber dem früheren Zustand nicht eingegriffen werde. Damit könne in technischer Hinsicht auf eine neuerliche Untersuchung der gegebenen Verhältnisse verzichtet werden. In technischer Hinsicht seien daher keine Gründe gegeben, die einen behördlichen Auftrag zum Vermauern der beiden bestehenden alten Öffnungen rechtfertigen würden. Um den Befürchtungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich Brandgefahr Rechnung zu tragen, empfahl der Sachverständige jedoch ergänzende Vorschreibungen.

Nach Gewährung des Parteiengehörs gab der Gemeinderat mit Bescheid vom 25. August 1988 der Berufung keine Folge. Begründend vertrat die Berufungsbehörde die Ansicht, daß die Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben hätte und in der Berufung diese Einwendungen nicht mehr rechtswirksam nachgeholt werden könnten. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen. Die Berufungsbehörde wies noch darauf hin, daß die beiden fraglichen Fenster einen Altbestand darstellten und daher als rechtmäßiger Bestand anzusehen seien.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung wies die NÖ Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 29. Juni 1989 als unbegründet ab. Nach Auffassung der Gemeindeaufsichtsbehörde seien nach der Auflage Punkt 7 des Bescheides vom 2. Juni 1981 die strittigen Fensteröffnungen zu verschließen. Die bei der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung der Beschwerdeführerin, auf der Vermauerung der Fenster an ihrer Grundstücksgrenze zu bestehen, betreffe nicht den Gegenstand des Verfahrens. Dadurch, daß der Gemeinderat die Einwendung der Beschwerdeführerin als präkludiert abgewiesen habe anstatt darüber inhaltlich abzusprechen, sei wohl ein Verfahrensrecht, aber kein materielles Recht der Beschwerdeführerin verletzt worden. Die Vermeidung des Verfahrensfehlers hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt. Im übrigen verwies die Gemeindeaufsichtsbehörde noch darauf, daß der Bürgermeister für die Einhaltung der noch unerfüllten Auflage der Baubewilligung vom 2. Juni 1981 Sorge tragen müsse.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 Satz 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO), LGBl. 8200-0, genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden gemäß § 118 Abs. 9 BO durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

§ 35 Abs. 1 Satz 1 BO bestimmt, daß Außenwände an einer Grundstücksgrenze, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, als äußere Brandwände ausgestaltet sein müssen. Wenn keine feuerpolizeilichen Bedenken bestehen, können ausnahmsweise nach § 35 Abs. 5 Z. 2 BO Nebenfenster und Lüftungsöffnungen in äußeren Brandwänden mit Zustimmung der Anrainer bewilligt werden.

Im Beschwerdefall verlangte die Beschwerdeführerin bei der Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz, daß das an ihrer Grundstücksgrenze befindliche Fenster in der Brandmauer des Erstmitbeteiligten zu vermauern sei. Ausdrücklich rügte sie in diesem Zusammenhang, daß das Fenster des Lagerraumes im Bauplan nicht dargestellt sei. Letzteres wurde weder von der Berufungsbehörde noch von der belangten Behörde geprüft, obwohl nach der Plandarstellung mehrere Änderungen dieses Lagerraumes Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens waren. Diesem Umstand kommt aber entgegen der Meinung der belangten Behörde Bedeutung zu, weil jedenfalls schon durch die Vergrößerung des Lagerraumes, insbesondere aber auch durch die Herstellung einer Türöffnung zum Heizraum, Interessen des Brandschutzes berührt werden, auf deren Wahrnehmung dem Anrainer zufolge § 118 Abs. 9 Z. 1 BO ein subjektiv-öffentliches Recht zusteht. Zutreffend bekämpft daher die Beschwerdeführerin die Auffassung der belangten Behörde, daß ihr Vorbringen betreffend die Vermauerung der Fenster an ihrer Grundstücksgrenze gar nicht Gegenstand des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens gewesen sei.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch zu Unrecht davon aus, daß die Fenster des Heizraumes und des Lagerraumes in den Hof der Beschwerdeführerin schon auf Grund einer Auflage des Baubewilligungsbescheides vom 2. Juni 1981 vermauert werden müßten. Es trifft zwar zu, daß der Amtssachverständige damals eine Auflage (Punkt 7) verlangt hatte, wonach die an der Grundstücksgrenze zur Beschwerdeführerin gelegene Wand als äußere Brandwand auszugestalten sei, allein im Zusammenhang mit dem damals maßgeblichen Einreichplan kann darunter nur die Mauer des damals neu errichteten Gebäudes verstanden werden, nicht aber die Vermauerung der nunmehr strittigen Fenster. Der der seinerzeitigen Baubewilligung zugrundeliegende Bauplan sieht übrigens für den Heizraum an der Grundgrenze überhaupt kein Fenster vor, wohl aber für den Lagerraum, wogegen der nunmehr dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegende Bauplan im Heizraum ein Fenster darstellt, nicht aber hinsichtlich des Lagerraumes. Im Ergebnis kann auf Grund der Baubewilligung vom 2. Juni 1981 nicht von der Annahme ausgegangen werden, ein Heizraum mit Fenster an der Grundgrenze der Beschwerdeführerin sei bereits baubehördlich bewilligt. Den seinerzeitigen Einreichplan kennzeichnet im übrigen der gleiche Mangel, der dem nunmehrigen Plan anhaftet, daß nämlich entgegen der Vorschrift des § 4 Abs. 4 der Bauplanverordnung, LGBl. 8200/2-0, die Widmungsänderungen nicht gekennzeichnet sind.

Auf Grund des nunmehr vorliegenden Bauplanes, welcher mit dem der Baubewilligung vom 2. Juni 1981 zugrundeliegenden Bauplan in der Darstellung der hier strittigen Fenster nicht übereinstimmt, wäre die Baubehörde erster Instanz zunächst verpflichtet gewesen, klarzustellen, ob die Plandarstellung mit dem baubehördlich bewilligten Bestand bzw. mit dem gegebenen Bestand übereinstimmt, wenn für diesen die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes Platz greifen kann (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1964, Slg. N.F. Nr. 6509/A). Mit dieser Frage haben sich die Verwaltungsbehörden in ihren bisherigen Bescheiden nicht auseinandergesetzt, obwohl dann, wenn die Fensteröffnungen als nicht bewilligt zu beurteilen sind, die Beschwerdeführerin auch im Rahmen des nunmehr durchgeführten Baubewilligungsverfahrens deren Vermauerung zu Recht fordern durfte.

Da die belangte Behörde im aufgezeigten Umfang die Rechtslage verkannte, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Planung Widmung BauRallg3Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baubewilligung BauRallg6Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050148.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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