TE Vfgh Beschluss 1987/6/15 V53/86

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Veröffentlicht am 15.06.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs4
Verordnung des BMfHGI vom 30.07.1985, betreffend Preisbestimmung für Milch §1, §2

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung der §§1 und 2 der MilchpreisV des BMHGI vom 30.7.1985; nicht unbeträchtlicher Zeitraum zwischen dem Außerkrafttreten von Teilen der in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen und der Einbringung des Antrages beim VfGH; nunmehr kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers; Mangel der Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller, in dessen landwirtschaftlichem Betrieb Milch erzeugt wird, beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung der §§1 und 2 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30. Juli 1985, betreffend Preisbestimmung für Milch, Z36.560/9-III/7/85, wegen Gesetzwidrigkeit. In eventu wird beantragt, die genannte V zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

In dem beim VfGH am 16. Juli 1986 eingelangten Antrag wird - was die Prozeßvoraussetzungen anlangt - behauptet, die bekämpfte V greife unmittelbar in die Rechtsstellung des Antragstellers ein und werde für ihn ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam.

2. Die angefochtene V vom 30. Juli 1985, Z36.560/9-III/7/85, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 1. August 1985, ist nach ihrem §12 mit 1. August 1985 in Kraft getreten. Sie enthält in ihren §§1 und 2 Bestimmungen über die Erzeugerpreise für Milch und die Abrechnung von Milch und Milchrahm. Im §3 werden die Preise für Lieferungen von Milch und Milchrahm von einem Bearbeitungs- oder Verarbeitungsbetrieb an einen anderen geregelt. §4 bezieht sich auf die Umsatzsteuer. §5 betrifft die Nettoeinstandspreise für Einzelhandelsbetriebe und Großverbraucher sowie die Verbraucherpreise, ebenso §6. §7 enthält Vorschriften über die Kennzeichnung und §8 solche über Preise und Lieferbedingungen (mit Ausnahme des Auszahlungspreises an die Erzeuger). In §9 ist der Geltungsbereich der V und im §10 sind die Zahlungsbedingungen geregelt. §11 schließlich enthält eine Strafbestimmung.

Diese V wurde insgesamt dreimal novelliert:

a) Mit V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 9. Oktober 1985, Z36.560/10-III-7/85, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 11. Oktober 1985, wurde - mit Wirksamkeit vom 11. Oktober 1985 - eine Bestimmung in §5 Abs1 geändert.

b) Mit V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 19. Dezember 1985, Z36.560/11-III-7/85, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 21. Dezember 1985, wurden - mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1986 - die Abs1 bis 3, 7 und 9 bis 11 des §1 sowie der Abs3 des §3 geändert.

c) Mit V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 25. Feber 1986, Z36.560/1-III-7/86, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 28. Feber 1986, erfolgte schließlich - mit Wirksamkeit vom 1. März 1986 - eine Änderung des §5 Abs1 der V.

3. Zunächst ist festzuhalten, daß sich der VfGH in den Erkenntnissen VfSlg. 10313/1984 und vom 11. März 1986, V32/85 sowie in dem Beschluß vom 11. März 1986, V28/85, sämtliche betreffend Individualanträge des auch hier auftretenden Antragstellers auf Aufhebung von Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, bereits eingehend mit den Prozeßvoraussetzungen auseinandergesetzt hat. Der VfGH ist in diesen Entscheidungen - sie betrafen Verordnungen, die in ihrem Aufbau und ihrer Systematik der hier bekämpften im wesentlichen gleichen - davon ausgegangen, daß die die Erzeugerpreise regelnden §§1 und 2 die Rechtsstellung des Antragstellers hinsichtlich jener vertraglichen Vereinbarungen unmittelbar berühren, die der Antragsteller während des Zeitraumes der Geltung dieser Bestimmungen abschließt. Der VfGH ist weiters davon ausgegangen, daß die §§1 und 2 mit ihren Festsetzungen einer größeren Anzahl von Grundpreisen, Zuschlägen, Abschlägen, Fetteinheitenpreisen und Umrechnungsfaktoren, welche miteinander zusammenhängen, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

4. Daraus ergeben sich für den vorliegenden Antrag folgende Schlußfolgerungen:

Der Antragsteller hat ausdrücklich die V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30. Juli 1985, Z36.560/9-III-7/85 (also die V in der Stammfassung) angefochten. Die §§1 und 2 der bekämpften V greifen an sich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar ein (s. hiezu vor allem das Erkenntnis VfSlg. 10313/1984). Ein - im übrigen nicht unbeträchtlicher - Teil dieser - ihrem Inhalt nach in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden - Bestimmungen (die Abs1, 2, 3, 7, 9, 10 und 11 des §1) ist mit Ablauf des 31. Dezember 1985 außer Kraft getreten (aufgrund der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 19. Dezember 1985, Z36.560/11-III-7/85).

In dem bereits angeführten Beschluß vom 11. März 1986, V28/85, hat der VfGH ausgeführt, daß auch nach dem Außerkrafttreten einer V betreffend Preisbestimmung für Milch eine unmittelbare Betroffenheit nach wie vor hinsichtlich jener vertraglichen Vereinbarungen gegeben sein kann, welche der Antragsteller während des Zeitraumes der Geltung der V abgeschlossen hat. Andererseits bringe aber die dem VfGH in Art139 Abs4 B-VG eingeräumte Befugnis zu einem Ausspruch, daß eine außer Kraft getretene V gesetzwidrig war, keineswegs mit sich, daß eine an sich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreifende V nach ihrem Außerkrafttreten gleichsam auf unbestimmte Zeit auch weiterhin die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar berührt. Der VfGH gelangte aufgrund dieser Erwägungen in dem angeführten Beschluß zur Zurückweisung des Antrages.

Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall: Auch hier lag zwischen dem Außerkrafttreten von Teilen der in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen und der Einbringung des Antrages beim VfGH ein nicht unbeträchtlicher Zeitraum von über einem halben Jahr (während die zu den angeführten Erkenntnissen des VfGH VfSlg. 10313/1984 und VfGH 11. 3. 1986 V32/85 führenden Individualanträge noch während des Geltungszeitraumes der dort bekämpften Verordnungen eingebracht worden waren). Der vorliegende Antrag enthält auch nicht den geringsten Hinweis auf eine nach wie vor gegebene unmittelbare Betroffenheit hinsichtlich vertraglicher Vereinbarungen, die der Antragsteller während der Geltungsdauer der bekämpften V abgeschlossen hat.

Damit fehlt es aber an einer der in der Rechtsprechung des VfGH für die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980) geforderten Voraussetzungen.

5. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 mangels Legitimation des Antragstellers in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Feststellung, Preisrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V53.1986

Dokumentnummer

JFT_10129385_86V00053_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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