TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/30 89/05/0154

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
BauO NÖ 1976 §61;
BauO NÖ 1976 §89 Abs3;

Betreff

1) EN und 2) mj MN gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 9. Juni 1989, Zl. R/1-V-8868, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde M)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter gleichzeitiger Zurückziehung eines früheren Ansuchens stellte der Erstbeschwerdeführer am 10. Juni 1985 bei der Stadtgemeinde M den Antrag auf Genehmigung des Umbaues bzw. der Neuerrichtung einer Gartenmauer auf der Liegenschaft R. Dieses auch im Namen der Zweitbeschwerdeführerin eingebrachte Ansuchen war mit einem entsprechenden Bauplan und einer Baubeschreibung belegt. In der Baubeschreibung wird ausgeführt, die derzeitige Gartenmauer zur P-Straße befinde sich in einem derart desolaten Zustand, daß ihre Erneuerung unumgänglich sei. Es sei beabsichtigt, die Mauer völlig neu zu gestalten, wobei die Fundamente bis auf Frosttiefe hinabgeführt werden. Da das Gartenniveau in allen Bereichen höher liege und an Stelle der vorhandenen, schwer zu pflegenden Böschung einigermaßen nivelliert werden soll, sei auch beabsichtigt, die neue Gartenmauer höher auszuführen. Zwecks architektonisch ansprechender Gestaltung und zur Verbesserung der Optik sollen in Abständen von etwa 3,5 bis 4,0 m Lisenen ausgebildet werden, die eine harmonische Gliederung der Gartenmauer ergeben. Als Abschluß derselben soll das vorhandene Gartengitter wieder verwendet werden. Dem beigeschlossenen Bauplan sind die bestehende und die neue Stützmauer zu entnehmen, wobei diese Stützmauer, die gleichzeitig eine Einfriedungsfunktion ausübt, im Bereich der Garage bis zu einer Höhe von 2,8 m vorgesehen ist. Die Felder der anschließenden Gitterfelder erreichen regelmäßig eine Höhe von 1,45 m.

In einer gutächtlichen Stellungnahme vom 23. Jänner 1986 vertrat ein bautechnischer Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung die Auffassung, daß durch die Errichtung der Stützmauer keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes gegeben wäre, wenn die Mauer ca. 50 cm vom Gehsteig auf das Grundstück zurückversetzt und dadurch ein Pflanzenstreifen geschaffen werde, der dann mit Efeu, Wildem Wein oder anderen Kletterpflanzen und eventuell auch mit blühenden Sträuchern bepflanzt werden müßte. Bei Genehmigung der Stützmauer würde die Gesamthöhe mit dem Gitterzaun an der Grenze zur Garage 4,3 m erreichen und bei mehreren Ansuchen dieser Art die Parkstraße nur mehr aus Mauern bestehend zur Schlucht werden. Als maximale Höhe der Stützmauer inklusive gleichbleibender Gitterzaunhöhe wäre bei Situierung an der Grundgrenze die Oberkante des Garagenpfeilers des Nachbargrundstückes anzusehen. Bei der Gestaltung des Gartenzaunes zum Nachbarn wäre das Einvernehmen mit diesem herzustellen. Bei der Verhandlung am 25. April 1986 wurde dieses Gutachten verlesen und auf Grund des durchgeführten Lokalaugenscheines einvernehmlich festgelegt, daß die Mauer entsprechend dem Gutachten hergestellt werden soll, wobei sie so ausgeführt werde, daß eine Begrünung mit Kletterpflanzen möglich sei. Auf Grund dieser Verhandlung würden vom Bauwerber geänderte Pläne vorgelegt und es werde die Verhandlung nach Vorlage der Pläne als Büroverhandlung fortgesetzt werden. Nach mehreren Schriftsätzen erklärte der Erstbeschwerdeführer schließlich in seiner Eingabe vom 21. Oktober 1986, daß der Vergleich vom 25. April 1986 gegenstandslos sei und er um die Fortsetzung der Verhandlung auf Grund der eingereichten Pläne ersuche.

Am 8. Jänner 1987 wurde sodann eine neuerliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Zunächst erstattete ein bautechnischer Amtssachverständiger ein Gutachten zur Frage, ob die beabsichtigte Erhöhung der Einfriedung als Stützmauer laut Plan und Beschreibung eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes erwarten lasse. Unter Zugrundelegung von Bestandfotos, Plankopien aus dem gültigen Bebauungsplan sowie eines "Luftbildplanes" beschrieb der Sachverständige zunächst das Projekt und das hier gegebene Ortsbild, wobei er auch im einzelnen zu vier bestehenden Mauern Stellung nahm. Der Amtssachverständige verwies auf § 89 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976 (BO), wonach Vorgärten weder gegen die Verkehrsfläche noch an den Nachbargrundstücksgrenzen durch Mauern oder undurchsichtige Zäune eingefriedet werden dürfen. Der massive Sockel einer Einfriedung dürfe eine Höhe von 60 cm über dem Gehsteig nicht überschreiten. Hievon könnten Ausnahmen gewährt werden, wenn dadurch das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werde. Zusammenfassend erachtete der Amtssachverständige die beabsichtigte weitere Mauer als eine erhebliche Störung des Ortsbildes an einem sensiblen Punkt. Dies begründete er insbesondere mit der Maximalhöhe der Stützmauer von 2,8 m, der Höhe von 1,45 m des aufgesetzten Gitters, der unbefriedigenden Ecklösung zur Nachbargarage, der Oberfläche aus schalreinem Sichtbeton naturfern und den senkrechten Lisenen, die keine ausreichende Begrünung erwarten ließen. Die bestehende Einfriedung mit einer Sockelhöhe von 0,7 bis 0,9 m und mit den 1,45 m hohen Gitterfeldern könne im Hinblick auf den Bestand hingenommen werden, da sie durch die etwas höher liegende, immergrüne Thujenbepflanzung gut unterstützt werde und durch den Ersatz für die unmittelbar anliegende, aber bereits entfernte Fliederhecke weiter gewinnen würde. Gegen eine Reparatur bzw. Erneuerung in gleicher Form bestehe kein Einwand. Der Erstbeschwerdeführer legte bei dieser Verhandlung eine Ausführungsvariante vor, wonach Pilaster als Ziegelpfeiler (Sichtziegel naturfarben) verwendet werden sollen, Blumenfenster laut Plan mit Sicherstellung ausreichender Versorgung vorgesehen sind, eine systematische Begrünung mit Efeu vorgesehen ist und die Höhe des durchsichtigen Gitters oberhalb der Stützmauer auf 1,0 m reduziert werden soll. Nachbarn sprachen sich bei dieser Verhandlung gegen das Projekt der Beschwerdeführer aus.

Bei einer weiteren Verhandlung am 8. April 1987 nahm der Amtssachverständige zu dem vorgelegten Auswechselplan Stellung und bejahte auch diesbezüglich eine Beeinträchtigung des Ortsbildes. Insbesondere bleibe das äußere Erscheinungsbild auch nach den vorgeschlagenen Maßnahmen das einer Stützmauer mit einer maximalen Höhe von 2,8 m. Auch die Nachbarn sprachen sich gegen das Projekt aus. Der Vertreter der Beschwerdeführer erklärte, man habe dem Wunsch der Gemeinde nach Gliederung und Begrünung durch den nunmehr vorgelegten Auswechslungsplan entsprochen. Die befürchtete erhebliche Störung des Ortsbildes sei nun nicht mehr gegeben.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1987 versagte der Bürgermeister die angestrebte baubehördliche Bewilligung. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach dem rechtsgültigen Bebauungsplan für das hier maßgebliche Grundstück eine unverbaute und gärtnerisch zu gestaltende Vorgartenfläche in einer Tiefe von 6 m einzuhalten sei. Nach § 89 Abs. 3 BO dürften Vorgärten weder gegen die Verkehrsfläche noch an den Nachbargrundstücksgrenzen durch Mauern oder undurchsichtige Zäune eingefriedet werden. Der massive Sockel einer Einfriedung dürfe eine Höhe von 60 cm über dem Gehsteig nicht überschreiten. Hievon könnten Ausnahmen gemacht werden, wenn dadurch das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werde. In dem eingeholten Gutachten sei ausführlich dargelegt worden, daß durch das Vorhaben auch in seiner abgeänderten Variante (Begrünung) eine erhebliche Störung des Ortsbildes zu erwarten sei. Die Bewilligung hätte daher nicht erteilt werden können.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer insbesondere aus, daß sich die Bestimmung des § 89 BO nur auf Einfriedungen beziehe, im Beschwerdefall es sich aber um eine Stützmauer handle. Aber selbst wenn diese Argumentation nicht zutreffen sollte, sei keine erhebliche Störung des Ortsbildes zu erwarten. Die Beschwerdeführer sprachen sich auch gegen die Beiziehung des Amtssachverständigen aus und verwiesen darauf, daß früher ein anderer Amtssachverständiger grundsätzlich ein positives Gutachten erstellt habe. Ausdrücklich beantragten sie die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, da nur dadurch politische Einflußnahmen ausgeschlossen werden könnten. Generell sei von der Hanglage der P-Straße auszugehen, sodaß unzweifelhaft bereits jetzt zahlreiche Stützmauern bestünden und zum Ortsbild gehörten. Bei der Beurteilung einer Störung komme es auf den vorhandenen Baubestand an. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, daß die Stadtgemeinde M selbst im Bereich des Vorplatzes Z eine Mauer von zumindest 2 m Höhe im Jahre 1982 errichtet habe. Nach weiteren Ausführungen erachteten die Beschwerdeführer das Gutachten als keine taugliche Entscheidungsgrundlage. In einem weiteren Schriftsatz vom 19. August 1987 legte der Erstbeschwerdeführer eine Liste von Mauern in M vor und verwies darauf, daß sich aus Wien leicht hunderte Beispiele höherer Stützmauern angeben ließen. Die Mauern würden als zu den geographischen Gegebenheiten passend hingenommen und überhaupt nicht als störend empfunden. Ihre Funktion sei evident und das sei schon immer so gewesen und überall, wo das Gelände Höhenunterschiede aufweise.

Im Akt erliegt eine Bilddokumentation hinsichtlich der vom Beschwerdeführer genannten Mauern, wozu offensichtlich ein Beamter des Bauamtes Bemerkungen anbrachte.

Mit Bescheid vom 8. März 1988 wies der Gemeinderat die Berufung als unbegründet ab. Nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die Berufungsbehörde fest, daß die beabsichtigte Stützmauer zweifellos eine Mauer sei und sohin als bewilligungspflichtiges Bauwerk schon nach § 61 BO das Orts- und Landschaftsbild nicht erheblich stören dürfe. Wenn auch nach § 89 Abs. 3 BO für Mauern über 60 cm Höhe an der Straßenfluchtlinie gegen öffentliche Verkehrsflächen eine Ausnahme denkbar sei, so doch nur unter der Voraussetzung, daß das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt werde. Die vom Amtssachverständigen erstatteten Gutachten hätten ergeben, daß auch bei Berücksichtigung der "begrünten Planvariante" eine erhebliche Störung des Ortsbildes festzustellen sei. Das Gutachten des Ortsbildsachverständigen folge in seinem nachvollziehbaren Aufbau den Regeln, die an ein solches Gutachten gestellt würden. Die Schlußfolgerung, daß auch die zuletzt vorgelegte Planvariante mit der Oberflächengestaltung durch Efeubegrünung den erheblich störenden Eindruck einer Stützmauer belasse, habe Gewicht, zumal die Beschwerdeführer kein einziges derartiges Beispiel hätten namhaft machen können. Auch die vorgelegte Liste der 21 bestehenden Stützmauern in M enthalte keine einzige mit Efeu bewachsene Mauer an der Straßenfluchtlinie.

Auf Grund der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung holte die NÖ Landesregierung ein weiteres Gutachten eines Amtssachverständigen ein. In seinem Gutachten vom 14. Oktober 1988 beschrieb der Sachverständige zunächst in einem Befund kurz die gegebene Situation und das Bauvorhaben. Nach weiteren Ausführungen vertrat er die Auffassung, daß die Anschüttung des Vorgartens und die vorgesehene Stützmauer mit aufgesetzter 1 m hoher Einfriedung gegen den Sinn des § 89 Abs. 3 BO verstoße, die Durchsicht auf den Vorgarten und die optische Erweiterung des öffentlichen Straßenraumes zu ermöglichen. Die Reduzierung des in der P-Straße begleitenden Grünraumes unmittelbar vor dem durch eine platzartige Gestaltung betonten Zugang zum Naturpark entspreche nicht dem bestehenden allmählichen und harmonischen Übergang zum Grünland. Die Aufschüttung des Vorgartens sei durch Bebauungsbestimmungen nicht gedeckt, verhindere in weiten Teilen die Einsicht und verletze Sinn und Zweck der festgelegten gärtnerischen Gestaltung. Ein Vergleich der bestehenden Böschungs- bzw. Stützmauern mit der beabsichtigten zeige auch, daß mittlere Höhe, Fläche und bauliche Ausführung des Bauvorhabens den vorgegebenen Merkmalen des Baubestandes nicht entspreche. Der Amtssachverständige kam zu der Schlußfolgerung, daß das Bauvorhaben dem § 89 Abs. 3 BO und den Bebauungsbestimmungen der Stadtgemeinde M widerspreche. Mit der Überschreitung der vorgegebenen Dimensionen, der von der Bautradition des Umlandes abweichenden Bauausführung und dem zu erwartenden Erscheinungsbild bewirke das Vorhaben eine erhebliche Störung des vorhandenen Baubestandes und einen erheblich störenden Gegensatz zu dem sich öffnenden Landschaftsbild. Eine Begrünung der Stützmauer könne die traditionswidrige Bauausführung zwar mildern, habe aber keinen Einfluß auf die das Orts- und Landschaftsbild eingrenzenden Umrisse (Konturen) der Baulichkeit.

Zu diesem Gutachten nahmen die Beschwerdeführer detailliert Stellung, wobei sie im einzelnen unter Anführung einer Reihe von Gründen darzutun versuchten, weshalb dieses Gutachten keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellen könne. Der Amtssachverständige nahm daraufhin eingehend zu den Ausführungen der Beschwerdeführer in einem ergänzenden Gutachten vom 8. Februar 1989 Stellung und verteidigte das von ihm erstattete Gutachten. In einer weiteren Äußerung wendeten sich die Beschwerdeführer neuerlich gegen die Ausführungen des Amtssachverständigen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 9. Juni 1989 wies die NÖ Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Darstellung der hier maßgebenden Rechtsvorschriften hielt die Gemeindeaufsichtsbehörde den Beschwerdeführern entgegen, daß es um die Frage gehe, ob die von ihnen geplante Stützmauer samt Einfriedung eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes darstelle oder nicht. Wolle man den Begriff des Ortsbildschutzes analysieren, so müsse man zunächst den des Ortsbildes näher erläutern. Unter Ortsbild verstehe man in erster Linie die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles innerhalb einer Gemeinde, gleichgültig, ob die Betrachtung von innen oder von einem Standpunkt außerhalb des Ortes erfolge. Geprägt werde dieses Ortsbild daher grundsätzlich von den baulichen Anlagen eines Ortes selbst. Daraus ergebe sich zwangsläufig, daß der Schutz des Ortsbildes primär auf die baulichen Anlagen eines Ortes bezogen sei. Wohl könnten in den Schutz des Ortsbildes und damit auch in Schutzbestimmungen Gesichtspunkte einbezogen werden, die über den Schutz der Ansicht der bestehenden baulichen Anlagen hinausgehen und die bildhafte Wirkung von Grünanlagen, Parklandschaften, Vorgartenbereichen und dgl. miteinbeziehen, die neben den baulichen Anlagen dem Ortsbild das Gepräge geben. Ob ein Bauwerk geeignet sei, das Ortsbild zu stören oder zu verunstalten, sei im Zuge des baubehördlichen Verfahrens festzustellen. Diese Feststellung sei Gegenstand des Beweises durch Sachverständige, wobei es dem Sachverständigen obliege, auf Grund seines Sachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Auf Grund des Gutachtens habe sodann die Behörde als erwiesen anzunehmen, ob ein Bauwerk eine diesbezügliche Wirkung entfalte oder ob dies nicht der Fall sei. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten könne in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden. Man könne ihm aber nicht allein mit laienhaften Äußerungen wirksam entgegentreten. Im vorliegenden Fall seien die Beschwerdeführer sowohl auf Gemeindeebene als auch im Vorstellungsverfahren den erstatteten Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die in ihren Stellungnahmen angeführten Punkte seien nicht geeignet, die Richtigkeit des Gutachtens vom 14. Oktober 1988 zu widerlegen. Danach sei aber klargestellt, daß die Errichtung der geplanten Stützmauer samt Einfriedung eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes zur Folge haben würde, sodaß durch die Versagung der Baubewilligung Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt worden seien.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 89 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-1 sind Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel so auszuführen, daß das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Vorgärten dürfen weder gegen die Verkehrsfläche noch an den Nachbargrundstücksgrenzen durch Mauern oder undurchsichtige Zäune eingefriedet werden. Der massive Sockel einer Einfriedung darf eine Höhe von 60 cm über dem Gehsteig nicht überschreiten. Von den Bestimmungen des 2. und 3. Satzes können Ausnahmen gemacht werden, wenn dadurch das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird.

Nach § 61 Abs. 1 BO dürfen Vorhaben, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, das Orts- und Landschaftsbild nicht stören. Die Bautradition des Umlandes ist, soweit dieses eine kulturelle Einheit bildet, zu berücksichtigen. Unter Ortsbild ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle die bestehende Eigenart bzw. die im Bebauungsplan vorgesehene Gestaltung der baulichen Anlage eines Ortes, Ortsteiles oder anderen bebauten Gebietes unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von nicht bebauten Gebieten ausgeht, zu verstehen. Bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben das Ortsbild stört, sind nach § 61 Abs. 3 BO die charakteristischen Merkmale des vorhandenen Baubestandes, und zwar der unmittelbaren Umgebung, der angrenzenden Straße (Straßenbild), des umliegenden Ortsteiles und des gesamten Ortes oder bebauten Gebietes zu berücksichtigen. Dabei ist zu prüfen, ob das Bauvorhaben auf Grund seiner Lage, Größe, Proportionen und Bauform, der verwendeten Baustoffe, Bauteile und bauchemischen Mittel bzw. des zu erwartenden Erscheinungsbildes als erhebliche Störung oder Verunstaltung des vorhandenen Baubestandes wirkt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund des vorliegenden Projektes davon aus, daß die von den Beschwerdeführern beabsichtigten Baumaßnahmen zweifelsfrei eine Einfriedung im Sinne des § 89 Abs. 3 BO darstellen, mag auch die beabsichtigte Mauer gleichzeitig die Funktion einer Stützmauer besitzen. Da der Bebauungsplan der Stadtgemeinde in dem hier maßgebenden Bereich einen Vorgarten vorsieht, wäre die Errichtung einer Mauer schon nach § 89 Abs. 3 Satz 2 BO unzulässig. Im Hinblick auf eine mögliche Ausnahme von diesem Verbot nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle haben aber die Verwaltungsbehörden zu Recht die Frage geprüft, ob durch das Bauvorhaben der Beschwerdeführer das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Schon dem Bescheid der Baubehörde erster Instanz war das Gutachten eines Amtssachverständigen zugrundegelegt worden, welches entsprechend den Vorschriften des § 61 BO die hier maßgebenden Fragen eindeutig beantwortet hat. Unter ausreichender Beschreibung der gegebenen Verhältnisse und des Bauvorhabens kam der Amtssachverständige zu dem Schluß, daß durch das Vorhaben das Ortsbild gestört werde. Gerade die umfangreiche Bilddokumentation dieses Amtssachverständigen und die einer nachprüfenden Kontrolle durchaus zugängliche Begründung lassen die Zweifel der Beschwerdeführer, daß dieses Gutachten unschlüssig sei, nicht berechtigt erscheinen. Insbesondere hat dieser Amtssachverständige ja auch dargetan, daß die im hier maßgeblichen Ortsbild bestehenden Mauern keinesfalls so dominierend sind, daß nicht die Mauer der Beschwerdeführer zu einer zusätzlichen Störung des Ortsbildes führen würde. Der Umstand, daß in anderen Bereichen der Stadtgemeinde Mauern errichtet sind, kann nicht dazu führen, hier eine nicht erforderliche Erhöhung einer Mauer im Interesse einer sich am Gesetz orientierenden Ortsbildpflege nicht verhindern zu können. Auch das von der belangten Behörde ergänzend eingeholte Gutachten hat zu dem Ergebnis geführt, daß die Erhöhung der Mauer das Ortsbild stört. Zu Recht hat die belangte Behörde den Ausführungen der Beschwerdeführer entgegengehalten, daß ein schlüssiges Gutachten grundsätzlich nur durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen widerlegt werden kann. An der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der erstatteten Gutachten ist aber, wie insbesondere die im Akt erliegende Bilddokumentation nachdrücklich unterstreicht, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu zweifeln. Nicht entscheidend kann in diesem Zusammenhang sein, ob die hier maßgebliche Straße als Zufahrt zu einem Naturpark dient und inwieweit eine winterfeste Begrünung eine geringere Störung des Ortsbildes mit sich bringt. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes konnten die Beschwerdeführer keine wesentlichen Fehler der erstatteten Gutachten aufzeigen. Wenn die Verwaltungsbehörden daher diese Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde legten, kann darin keine Rechtswidrigkeit gelegen sein, mag auch die Baubehörde erster Instanz ihre Entscheidung nicht ausreichend begründet haben.

Wenn die Beschwerdeführer das durchgeführte Ermittlungsverfahren deshalb als mangelhaft rügen, weil die Behörden keinen unabhängigen gerichtlich beeideten Sachverständigen bestellt haben, so übersehen sie, daß die Verwaltungsbehörden nach § 52 Abs. 1 AVG 1950 verpflichtet sind, die ihnen beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Da den Verwaltungsbehörden taugliche Amtssachverständige zur Verfügung standen, bestand keine Notwendigkeit, dem Antrag der Beschwerdeführer auf Beiziehung gerichtlich beeideter Sachverständiger zu entsprechen, zumal eine derartige Beiziehung im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG 1950, liegt doch kein besonderer Fall vor, nicht geboten schien. Auch die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gartenbaufach war nicht erforderlich, weil die Frage einer ständigen Begrünung der Mauer entgegen der Meinung der Beschwerdeführer, wie dargetan, für die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht wesentlich ist.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich somit die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietGutachten Beweiswürdigung der BehördeBeweismittel Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989050154.X00

Im RIS seit

30.01.1990

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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