TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/30 86/05/0166

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §129 Abs4;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

1) EN und 2) Verlassenschaft nach MN gegen Bauoberbehörde für Wien vom 17. Oktober 1986, Zl. MDR-B XI- 17/86, betreffend einen Abtragungsauftrag

Spruch

I) Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird

zurückgewiesen.

II) Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien anteilig Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus einem Aktenvermerk der Baubehörde des Magistrates der Stadt Wien vom 14. April 1986 geht hervor, daß an dem auf der Liegenschaft Wien XY, bestehenden Gebäude Baugebrechen bestünden, die eine Gefahr für die körperliche Sicherheit bildeten. So fehle die Dacheindeckung größtenteils (ca. 60 %), die Dachkonstruktion sei durch die ständige Witterungseinwirkung nicht mehr standsicher und drohe abzustürzen. Die Decke über dem Erdgeschoß sei an manchen Stellen bereits eingestürzt und es bestehe die Gefahr, daß noch weitere Teile einstürzen. Laut Augenschein sei anzunehmen, daß sich in dieser Ruine "Sandler" einquartiert hätten und sich diese durch den bestehenden Zustand in Lebensgefahr befänden. Zirka ein Drittel des Hauses sei durch einen Brand zerstört; es lägen abgebrannte Holzlatten mit herausragenden Nägeln usw. herum. So bestehe Verletzungsgefahr für Menschen und insbesondere für Kinder, die die Ruine als Spielplatz benützten. Die Liegenschaft sei frei zugänglich und nicht ordnungsgemäß abgefriedet. Die gesamte Liegenschaft werde zur Ablagerung von Abfällen und Müll benützt, Glassplitter von Flaschen sowie tote Vögel lägen herum. Die beiden Tore der Liegenschaft sowie die Grundstücksmauer zur Nachbarliegenschaft seien beschädigt, verfallen bzw. nicht vorhanden, sodaß ein freier Zugang jederzeit möglich sei. Zur Hintanhaltung von Gefährdungen der körperlichen Sicherheit und Lebensgefahr sei bis zu den notwendigen behördlichen Verfügungen das Betreten der gesamten Liegenschaft durch Abplankung bzw. Absperrung wirksam zu verhindern.

Mit Schreiben vom 15. April 1986 teilte die Erstbeschwerdeführerin als Miteigentümerin der Liegenschaft mit, daß der andere Miteigentümer (dessen Verlassenschaft die Zweitbeschwerdeführerin ist) am 12. November 1985 verstorben sei und die Grundeigentümer derzeit bezüglich des Grundstückes mit dem Wiener Stadterneuerungsfonds in Verkaufsverhandlungen stünden, sodaß eine Behebung des Baugebrechens oder sonstige Maßnahmen nicht die bisherigen Eigentümer treffen werde.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. April 1986, bei der die Beschwerdeführer aber nicht erschienen, erteilte der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 30. Mai 1986 gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien dem Eigentümer des Hauses und der Liegenschaft Wien XY, den Auftrag, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides "das baubehördlich bewilligte erbaute, ebenerdige, nicht unterkellerte Gebäude" auf der Liegenschaft abzutragen. Dies gelte nicht, wenn innerhalb derselben Frist das Bauwerk in konsensgemäßem Zustand wiederhergestellt werde. Aus der Begründung geht hervor, daß das Gebäude auf der Liegenschaft als ebenerdiges, nicht unterkellertes und mit einem Satteldach versehenes, ca. 11,7 m x 8,2 m großes Wohngebäude mit zwei Zubauten, einer Veranda ca. 6 m x 2,5 m und mit einem Windfang ca. 1,5 m x 1,9 m, vor dem Jahre 1930 baubehördlich bewilligt und errichtet wurde. Zirka ein Drittel des Gebäudes sei durch einen Brand zerstört worden, es lägen noch abgebrannte Holzlatten mit herausragenden Nägeln udgl. herum. Im restlichen Teil der Baulichkeit sei die Decke über dem Erdgeschoß an einigen Stellen bereits eingestürzt und es bestehe die Gefahr, daß weitere Teile einstürzten. Es fehlten ca. 60 % der Dacheindeckung. Durch ständige Witterungseinwirkungen (Regen udgl.) scheine die Dachkonstruktion nicht mehr standsicher und drohe abzustürzen. Die Baulichkeit sei im derzeitigen Zustand als widmungsgemäß nicht benützbar anzusehen und als Bauruine zu bewerten. Da die Baufälligkeit des Gebäudes mehr als 50 % der Substanz betrage, sei eine Instandsetzung in dem derzeitigen Zustand dem Hauseigentümer aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar. Die angeführten Schäden stellten eine Verschlechterung des ursprünglichen, konsens- und bauordnungsmäßigen Zustandes des Hauses dar und seien ihrer Natur nach geeignet, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, sodaß sie als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien angesehen werden müßten. Der Hauseigentümer sei daher gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien zur Durchführung der vorgeschriebenen Maßnahmen verpflichtet. Die gestellte Frist sei nach der Art der angeordneten Maßnahmen angemessen.

Dieser Bescheid erging lediglich an die Erstbeschwerdeführerin als "Haus- und Liegenschaftseigentümer" (richtig Miteigentümerin).

Die Erstbeschwerdeführerin erhob mit Schreiben vom 24. Juni 1986 gegen diesen Bescheid Berufung, in der sie vorbrachte, daß das Grundstück an die Gemeinde Wien verkauft worden sei; die Übereignung sei vor Einlangen des Bescheides erfolgt und auch vom Gemeinderat bestätigt worden. In diesem Sinne werde die Behörde ersucht, sich wegen der Abtragungsmaßnahmen mit der Gemeinde Wien, Mag. Abt. 69, ins Einvernehmen zu setzen und dieser Dienststelle einen allfälligen Auftrag zu erteilen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Oktober 1986 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Eine Erhebung des Grundbuchsstandes habe ergeben, daß die Beschwerdeführerin und ihr (verstorbener) Ehegatte jeweils zur Hälfte bücherliche Eigentümer der Liegenschaft gewesen seien. Gemäß § 431 ABGB müsse zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Solange der Kaufvertrag nicht in das Grundbuch eingetragen sei, gewähre der auf den Erwerb des dinglichen Rechtes gerichtete Vertrag bloß einen Titel. Wegen der dinglichen Wirkung eines Auftrages gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien würden die neuen Eigentümer mit der Eintragung im Grundbuch in die Rechtsstellung der bisherigen Eigentümer eintreten. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz sei die Berufungswerberin noch bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft gewesen, weshalb der angefochtene Bescheid zu Recht an sie ergangen und die Berufung somit als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Dieser Bescheid wurde sowohl an die Erstbeschwerdeführerin als auch an die Zweitbeschwerdeführerin zu Handen der Erstbeschwerdeführerin zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.

Die Zweitbeschwerdeführerin stützt sich darauf, daß sie erst im Berufungsverfahren als Partei beigezogen wurde und ihr dadurch die Möglichkeit genommen worden sei, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen; dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Auch sei ihr gegenüber die Bauoberbehörde für Wien als Behörde erster Instanz eingeschritten, weshalb Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werde. Schließlich sei die Erstbeschwerdeführerin nur Hälfteeigentümerin der Liegenschaft, weshalb der Auftrag des Bescheides erster Instanz, der an den Eigentümer des Grundstückes gerichtet war, auch inhaltlich rechtswidrig gewesen sei.

Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, daß der Bescheid der Behörde erster Instanz lediglich an die Erstbeschwerdeführerin als (Hälfte)Eigentümerin der Liegenschaft zugestellt wurde und auch nur sie (wenn auch in der Mehrzahl formuliert) Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben hat. Der angefochtene Bescheid spricht nur über diese Berufung der Erstbeschwerdeführerin ab; es wird auch (nur) die Erstbeschwerdeführerin als Berufungswerberin bezeichnet. Erstmals in der Zustellverfügung scheint auch die Zweitbeschwerdeführerin auf. Dies ändert aber nichts daran, daß im angefochtenen Bescheid eindeutig nur über die Berufung der Erstbeschwerdeführerin und nicht auch über Verpflichtungen der Zweitbeschwerdeführerin abgesprochen wurde. Durch die bloße Zustellung eines Bescheides in einem Verfahren, in dem über das Rechtsmittel einer anderen Partei abgesprochen wurde, kann aber eine Parteistellung nicht begründet werden (vgl. u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1987, Zl. 86/05/0173, BauSlg. Nr. 905). Da der angefochtene Bescheid nicht gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin als Partei erlassen wurde, war ihre gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

II.

Entgegen den Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin konnte diese nicht dadurch in ihren Rechten verletzt werden, daß sie als bloße Miteigentümerin der Liegenschaft im Bescheid erster Instanz als Eigentümerin bezeichnet wurde. Abgesehen davon, daß nur die Rechtswidrigkeit des angefochtenen (letztinstanzlichen) Bescheides zu prüfen ist, richtet sich doch ein Auftrag gegen "den Eigentümer" einer Liegenschaft unzweifelhaft auch gegen jemanden, der (nur) Miteigentümer ist, zumal, wie die Erstbeschwerdeführerin selbst erkennt, mehrere Miteigentümer hinsichtlich ihrer baurechtlichen Pflichten solidarisch haften. Daß die Erstbeschwerdeführerin sowohl zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides als auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Liegenschaftsmiteigentümerin war, wird in der Beschwerde ebensowenig bestritten wie der Umstand, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines Abtragungsauftrages vorlagen. Die belangte Behörde erkannte zu Recht, daß der Abtragungsauftrag gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien an den jeweiligen EIGENTÜMER (Miteigentümer) der Liegenschaft zu richten war. Die bloß wirtschaftliche Überlegung, daß die Verfügungsgewalt auf den Erwerber der Liegenschaft, der mangels Einverleibung im Grundbuch noch nicht Eigentümer geworden ist, übergegangen sei, betrifft nur das (zivilrechtliche) Innenverhältnis zu diesem. Die belangte Behörde hat daher mit Recht die nur auf die angeblich fehlende Passivlegitimation gestützte Berufung gegen den Bescheid erster Instanz wegen des (noch) bestehenden Eigentums der Zweitbeschwerdeführerin abgewiesen. Daher war auch ihre dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Verfahrensrecht AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1986050166.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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