TE Vwgh Erkenntnis 1990/1/31 89/03/0254

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Veröffentlicht am 31.01.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
KFG 1967 §103 Abs1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Steiermark vom 29. Juni 1989, Zl. 11-75 Sche 6-89 betreffend Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem KFG

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Graz legte mit Strafverfügung vom 23. Jänner 1989 dem Beschwerdeführer eine am 8. November 1988 begangene Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 KDV zur Last und verhängte über ihn eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden). Die Strafverfügung, die die erforderliche Rechtsmittelbelehrung enthielt, wurde dem Beschwerdeführer am 1. Februar 1989 zu eigenen Handen zugestellt.

Am 17. Februar 1989 langte bei der Erstbehörde ein am 16. Februar 1989 zur Post gegebener Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Februar 1989 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ein. In diesem wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 7. Februar 1989 Mag. J als seinem bevollmächtigten Vertreter die Strafverfügung ausgehändigt. Dieser habe den 7. Februar 1989 als Übernahmezeitpunkt angesehen und im Fristenkalender den 21. Februar 1989 als Fristende vermerkt. Erst im Zuge einer am 15. Februar 1989 vorgenommenen Akteneinsicht habe Mag. J bemerkt, daß der Beschwerdeführer die Strafverfügung bereits am 1. Februar 1989 übernommen und damit die Einspruchsfrist versäumt habe. Gleichzeitig erhob der Beschwerdeführer Einspruch gegen die Strafverfügung.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 3. April 1989 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben und der Einspruch des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Erstbehörde begründete dies insbesondere nach Wiedergabe der maßgebenden Bestimmung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG und des Vorbringens des Beschwerdeführers damit, daß dieses die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht rechtfertige. Das Verschulden des Vertreters einer Partei sei dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Einerseits hätte der Beschwerdeführer selbst bei der Beauftragung des Vertreters mit dem Einbringen eines Einspruches auf den Beginn des Fristenlaufes (Zustellung der Strafverfügung) ausdrücklich hinweisen müssen, andererseits hätte auch der bevollmächtigte Vertreter den Zeitpunkt der Zustellung feststellen bzw. diesen Zeitpunkt vom Beschwerdeführer erfragen müssen. Somit sei die Einspruchsfrist keineswegs ohne Verschulden des Beschwerdeführers (eine Voraussetzung für die Bewilligung) versäumt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 1989 wurde die gegen die Nichtstattgebung der Wiedereinsetzung erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. In der Berufung heiße es, es liege ein Fehler eines nicht berufsmäßigen Parteienvertreters vor und zweifellos ein Verschulden minderen Grades. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten sei. Das Unterbleiben der fristgerechten Überreichung des Einspruches aus dem Versehen des Vertreters des Beschwerdeführers stelle für die vertretene Partei nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn es für den Parteienvertreter selbst unabwendbar, unvorhergesehen bzw. unverschuldet sei. Das Verschulden eines Parteienvertreters habe dieselben Rechtswirkungen wie jenes der Partei selbst. Dem Vorbringen, es habe sich nur um ein Verschulden minderen Grades gehandelt, sei entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst ein unabwendbares Ereignis nicht als Wiedereinsetzungsgrund anerkannt werde, wenn der Eintritt durch die Partei zumindest leicht fahrlässig verursacht sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde vertritt der Beschwerdeführer neuerlich die Ansicht, sein Vorbringen stelle einen Wiedereinsetzungsgrund dar. Es treffe ihn kein Verschulden. Er habe darauf vertrauen können, daß sein Vertreter Mag. J den Einspruch fristgerecht erheben werde. Daß Mag. J, der kein ausgebildeter Jurist sei, nicht nachgefragt habe, ob der Tag der Übergabe der Strafverfügung an ihn (zur Erhebung des Einspruches) auch der Tag der Zustellung gewesen sei, sei für den Beschwerdeführer unvorhersehbar und unabwendbar gewesen.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist auch, daß der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden bzw. ohne das Verschulden seines Vertreters, das ebenfalls dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist, gehindert war, die Frist einzuhalten (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/03/0091). Es ist dem Beschwerdeführer, wenn er auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend das Versehen eines Angestellten des Vertreters verweist, beizupflichten, daß nicht jede Fristversäumung ein Verschulden des Vertreters darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein einem Angestellten eines Vertreters unterlaufener Fehler im Zusammenhalt mit der Einhaltung einer Rechtsmittelfrist nur dann geeignet, ein Verschulden auszuschließen, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinem Angestellten nachgekommen ist, ihn selbst also an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in der Form der "culpa in custodiendo" trifft (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1989, Zl. 89/02/0132).

Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um ein Versehen eines Angestellten des Vertreters, ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer auch keinerlei Überwachungsmaßnahmen gesetzt hat, wenn er vermeint, sein Vertreter sei einem Angestellten eines Rechtsanwaltes gleichzuhalten.

Der Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung ist für die weiteren beabsichtigten Verfahrensschritte, wie sich dies auch aus der der Strafverfügung beigegebenen zutreffenden Rechtsmittelbelehrung ergibt, von so wesentlicher Bedeutung, daß schon der Beschwerdeführer bei Übergabe der Strafverfügung an seinen Vertreter verhalten gewesen wäre, diesem das genaue Zustelldatum bekanntzugeben, zumal er die Strafverfügung ja persönlich übernommen hatte. Vor allem aber wäre der Vertreter verpflichtet gewesen, sich auch selbst unverzüglich die erforderliche Information zu verschaffen, um die Einspruchsfrist wahren zu können (vgl. z. B. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1989 sowie die hg. Beschlüsse vom 20. Juli 1988, Zl. 88/01/0184, und vom 2. Dezember 1988, Zl. 88/17/0179). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, es liege kein den Beschwerdeführer treffendes Verschulden vor.

Da dem Beschwerdeführer bekannt war, daß sein Vertreter kein ausgebildeter Jurist ist, kommt allein schon deshalb seinem Einwand, er habe darauf vertrauen können, daß sein Vertreter fristgerecht den Einspruch erheben werde, keine Berechtigung zu. Im übrigen hätte der Vertreter des Beschwerdeführers, wenn in dem mit 15. Februar 1989 datierten Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht wird, er hätte bei der heutigen Akteneinsicht das Zustelldatum 1. Februar 1989 wahrgenommen, noch am selben Tag rechtzeitig Einspruch erheben können. Die Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, der Vertreter hätte bei dieser Akteneinsicht bemerkt, daß die Einspruchsfrist schon einen Tag versäumt sei, ist daher unverständlich.

Der belangten Behörde unterlief daher keine Rechtswidrigkeit, wenn sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnte, weil es an der Voraussetzung fehlt, der Beschwerdeführer sei ohne sein Verschulden bzw. das seines Vertreters, das ebenfalls ihm zuzurechnen ist, gehindert gewesen, die Einspruchsfrist einzuhalten.

Da somit die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030254.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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