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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1990, 388;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte
Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny
und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat II, vom 24. November 1988, Zl. 31.390-3/88, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist praktische Ärztin. Sie beschäftigte eine Arbeitnehmerin, die für Reinigungsarbeiten und Hilfsdienste (Telefondienst, Koordination der Patiententermine, Karteiarbeiten, kleine Handreichungen) in der Ordination sowie im Haushalt für sämtliche dort anfallenden Arbeiten (kochen, waschen, bügeln, aufräumen) Verwendung fand. Nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin war diese Arbeitnehmerin in den Streitjahren überwiegend - zu 60 % - für die Ordination und nur zu 40 % für den Haushalt tätig, während in den Jahren davor und danach die Arbeitsleistung im Haushalt überwog.
Im Zusammenhang mit Vortragsreisen in das Ausland machte die Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 5 EStG 1972 die pauschalen Nächtigungsgelder (§ 26 Z. 7 lit. c leg. cit.) geltend.
Dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid zufolge erblickte die belangte Behörde im Hinblick auf den überwiegenden betrieblichen Einsatz der genannten Arbeitnehmerin in deren privater Verwendung einen Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b UStG 1972. Auf Grund des überwiegenden betrieblichen Einsatzes der Arbeitnehmerin sei schon der Grundtatbestand dieser Gesetzesstelle erfüllt und es komme darauf, ob die Arbeitnehmerin Dienstnehmer des Unternehmens im Sinne der beispielhaften Aufzählung des dritten Satzes der Gesetzesstelle wäre, nicht mehr an, womit es auch ohne Belang sei, daß die Arbeitnehmerin von der Beschwerdeführerin als Privatperson angestellt worden wäre.
Die pauschalen Nächtigungsgelder stünden der Beschwerdeführerin für die in Streit stehenden Auslandsreisen deshalb nicht zu, weil sie zugegebenermaßen bei Bekannten kostenlos habe nächtigen können, pauschal abzugeltende Nächtigungskosten also gar nicht angefallen wären.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die Beschwerdeführerin trägt im wesentlichen vor, daß für die Lösung des Beschwerdefalles die Berücksichtigung des dritten Satzes des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b UStG 1972 unerläßlich sei. Die in Rede stehende Arbeitnehmerin sei aber nicht im Sinne dieser Gesetzesstelle Dienstnehmer des Unternehmens gewesen, sondern private Hausangestellte. Sie sei als Hausangestellte verpflichtet worden, ihr Dienstverhältnis sei in jeder Hinsicht nach dem Kollektivvertrag für Hausangestellte "gehandhabt" worden. Das habe für den gesamten sozialrechtlichen Bereich gegolten. Daß die Arbeitnehmerin überwiegend in und für die Ordination tätig gewesen sei, habe nur für die Jahre 1983 bis 1985 zugetroffen. Vorher und nachher sei sie überwiegend im Haushalt beschäftigt gewesen. In Zukunft werde das in verstärktem Maße der Fall sein, da die Beschwerdeführerin selbst immer weniger in ihrer Praxis tätig sein werde. Bei der steuerrechtlich gebotenen Gesamtschau des Anstellungsverhältnisses könne die Dienstnehmerin nicht als eine solche des Unternehmens angesehen werden.
Hinsichtlich der pauschalen Nächtigungsgelder vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß diese lediglich eine (Auslands-)Reise und keine tatsächlichen Aufwendungen hiefür (Nächtigungsaufwand) voraussetzten. Abgesehen davon hätte sich die Beschwerdeführerin bei ihren Gastgebern durch Aufmerksamkeiten erkenntlich zeigen müssen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. UMSATZSTEUER - PRIVATER EINSATZ DER ARBEITNEHMERIN
Der Umsatzsteuer unterliegt auch der Eigenverbrauch (§ 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1972). Von den beiden im Gesetz geregelten Eigenverbrauchstatbeständen kommt für die Lösung des Beschwerdefalles unstreitig nur jener des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b leg. cit. in Betracht. Danach liegt auf Grund der für die Streitjahre geltenden Fassung Eigenverbrauch unter anderem vor, soweit ein Unternehmer im Inland Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die mit seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen und nach § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 4 EStG 1972 nicht abzugsfähig sind. Ausgaben (Aufwendungen) stehen nach dem zweiten Satz der Gesetzesstelle dann mit der Unternehmertätigkeit in Zusammenhang, wenn sie Leistungen betreffen, die überwiegend Zwecken des Unternehmens dienen. In beispielhafter Erläuterung des Grundtatbestandes des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b UStG 1972 sieht der dritte Satz der Gesetzesstelle neben anderem vor, daß zum Eigenverbrauch insbesondere der nicht abzugsfähige Teil der Ausgaben (Aufwendungen) gehört, der auf die gelegentliche oder dauernde Verwendung von Dienstnehmern des Unternehmens für Zwecke außerhalb des Unternehmens entfällt.
Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, daß das Gesetz von einer Verwendung von "Dienstnehmern DES UNTERNEHMENS" für Zwecke außerhalb des Unternehmens spricht. Der Beschwerdeführerin ist auch noch insoweit zu folgen, als sich im allgemeinen aus dem Dienstvertrag, also aus der (schriftlichen oder mündlichen) Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer, ergeben wird, ob ein Dienstnehmer als "Dienstnehmer des Unternehmens" anzusehen ist (siehe auch Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 1 Anm. 237). Die formale Anstellung in dem einen (unternehmerischen) oder anderen (privaten) Bereich kann aber in dem von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beherrschten Umsatzsteuerrecht (hg. Erkenntnis vom 26. April 1977, Zl. 2175/76) nicht allein darüber entscheiden, ob jemand im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b dritter Satz UStG 1972 "Dienstnehmer des Unternehmens" ist. Die vertragliche Abmachung, der Dienstnehmer werde vom Steuerpflichtigen nicht für das Unternehmen, sondern z.B. für den Haushalt engagiert, mag zwar im Sinne eines Indizes darauf hindeuten, daß der Betreffende nicht "Dienstnehmer des Unternehmens" ist. Dieses Indiz schlägt aber nicht mehr durch, wenn die tatsächliche mit der formalen (vertraglichen) Gestaltung nicht mehr übereinstimmt. Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Betrachtung von Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer-Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, I § 1 Seite 16/13, für die es auf den (tatsächlichen) Einsatz der Arbeitskräfte ankommt, und die den hier in Rede stehenden Entnahmetatbestand "bei Verwendung von überwiegend im Unternehmen eingesetzten Arbeitskräfte eines Unternehmers für Zwecke außerhalb des Unternehmens" erfüllt sehen. Dieses Abstellen auf den ÜBERWIEGENDEN Einsatz der Dienstnehmer steht im Einklang mit der Regelung des zweiten Satzes des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. b UStG 1972, derzufolge (wie schon dargetan) Ausgaben dann mit der Unternehmertätigkeit im Zusammenhang stehen, wenn sie Leistungen betreffen, die ÜBERWIEGEND Zwecken des Unternehmens dienen. Im übrigen geht aus der schon zitierten Kommentarstelle bei Kranich-Siegl-Waba hervor, daß auch diese Autoren die vertragliche Gestaltung nicht allein für maßgebend halten. Führen sie doch zur Frage, wer als Dienstnehmer des Unternehmens anzusehen ist, aus, entscheidend werde ferner sein, "ob die Dienstnehmer ÜBERWIEGEND im Unternehmen beschäftigt sind oder überwiegend für andere Zwecke, etwa die Besorgung des Privathaushaltes des Unternehmers, Verwendung finden".
Käme es, wie es dem Standpunkt der Beschwerdeführerin entspricht, auf die (formale) Anstellung eines Dienstnehmers (im privaten statt im unternehmerischen Bereich) an, so hätte dies die sachlich nicht vertretbare Folge, daß der Besteuerung des Eigenverbrauches nicht der tatsächliche wirtschaftliche Sachverhalt, sondern eine ihm nicht entsprechende formale Gestaltung zu Grunde gelegt würde.
Freilich kann im einzelnen Fall auch die Frage, ob ein Dienstnehmer überwiegend im Unternehmen oder für andere Zwecke beschäftigt ist, zweifelhaft sein. Dies sei anhand des bei Kranich-Siegl-Waba, aaO, § 1 Anm. 242 a Seite 73 Abs. 1, erwähnten ersten Beispieles aufgezeigt. Nach diesem Beispiel läßt ein Bauunternehmer durch Arbeiter seines Unternehmens ein privates Bauwerk für seine Tochter errichten, wobei die Baustoffe nicht vom Unternehmen beigestellt werden (Einkauf durch die Tochter selbst). Die Bauarbeiten können sich nun auch über ein Jahr hinaus erstrecken. Bezogen auf einen Besteuerungsabschnitt (Veranlagungszeitraum) wären die Arbeitskräfte unter Umständen überwiegend für andere Zwecke als solche des Unternehmens beschäftigt. Eine solche auf den Besteuerungsabschnitt bezogene Betrachtung kann sich in Fällen wie dem eben beispielhaft erwähnten als problematisch erweisen. Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall ist jedoch in Rechnung zu stellen, daß die Arbeitnehmerin fortlaufend sowohl zu Arbeiten im unternehmerischen als auch zu Arbeiten im privaten Bereich herangezogen wurde. Bei einem solchen Sachverhalt erscheint die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Bedachtnahme auf die im jeweiligen Veranlagungszeitraum bestehenden Verhältnisse durchaus sinnvoll, besonders dann, wenn diese Verhältnisse wie im Beschwerdefall über drei Jahre hin bestanden. Im Beschwerdefall aber war die Arbeitnehmerin durch alle drei Streitjahre unbestrittenermaßen zu 60 %, also überwiegend, im Unternehmen der Beschwerdeführerin beschäftigt, sodaß mit der (untergeordneten) nicht unternehmerischen Verwendung der strittige Eigenverbrauchstatbestand verwirklicht wurde.
Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1978, G 82/78, Slg. Nr. 8457, das beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für ihren Standpunkt ins Treffen führen, spricht für die Auffassung der belangten Behörde. Nach diesem Erkenntnis ist der Fall, daß ein Rechtsanwalt seine Privatwohnung von seiner Kanzleibedienerin aufräumen läßt, mit jenem Fall gleichzustellen, in dem er seine Privatwohnung durch ein Reinigungsunternehmen aufräumen läßt. Mit der Besteuerung des Eigenverbrauches wird laut Verfassungsgerichtshof der Unternehmer, der fiktiv eine Leistung an sich selbst erbringt, umsatzsteuerlich gleich belastet wie ein (sonstiger) Verbraucher, der eine Leistung von einem Unternehmer bezieht. Unter einer "Kanzleibedienerin" muß nach dem Gesagten eine überwiegend für die Kanzlei tätige Bedienerin verstanden werden.
2. EINKOMMENSTEUER - PAUSCHALE NÄCHTIGUNGSGELDER § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 läßt eine pauschale
Berücksichtigung von Reisekosten als Werbungskosten zu. Zu dieser Pauschalierungsregelung traf der Gerichtshof wiederholt die Aussage, daß sie nur dann Platz greift, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen der abzugeltenden Art (z.B. Nächtigungskosten) überhaupt (dem Grunde nach) zu tragen hatte. Verwiesen sei gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Erkenntnisse vom 15. März 1978, Zl. 2797/77, vom 17. Mai 1989, Zl. 88/13/0066, vom 17. Mai 1989, Zl. 88/13/0091, und vom 27. Juni 1989, Zl. 88/14/0197.
Die Reisekostenpauschalierung gemäß § 4 Abs. 5 beruht auf den gleichen Überlegungen wie jene gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 15. März 1978, Zl. 2797/77). Im Sinne seiner Rechtsprechung zur letztgenannten Bestimmung vertritt der Gerichtshof auch zu § 4 Abs. 5 EStG 1972 die Auffassung, daß diese die Höhe des Aufwandes pauschalierende Regelung nur zum Zuge kommen soll, wenn Aufwendungen überhaupt - dem Grunde nach - anfielen. Daß der Beschwerdeführerin für die strittigen Nächtigungen keinerlei Aufwendungen erwuchsen, gab sie im Verwaltungsverfahren selbst zu. Das Vorbringen in der Beschwerde, die Beschwerdeführerin habe entsprechend allgemeiner gesellschaftlicher Gepflogenheit zum Ausgleich für die gewährte Gastfreundschaft stets eine Gegenleistung erbracht, und zwar in Form von Blumen, Gastgeschenken, Einladung zu einem Essen und ähnlichen Aufmerksamkeiten, stellt eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die von der Beschwerdeführerin geschilderten "Aufmerksamkeiten" überhaupt zu (pauschal abzugeltenden) Betriebsausgaben führen konnten (siehe § 20 Abs. 1 Z. 2 bis 4 EStG 1972).
Die vom Bundesminister für Finanzen erlaßmäßig geäußerte Rechtsansicht betreffend Nächtigungsgelder für Lkw-Fernfahrer bildet keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle. Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Gleichheitsgrundsatz vermittelt keinen Anspruch auf eine allenfalls anderen Steuerpflichtigen gewährte gesetzwidrige Begünstigung.
3. Der angefochtene Bescheid läßt somit keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989140031.X00Im RIS seit
06.02.1990Zuletzt aktualisiert am
28.08.2009