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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §370 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte
Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Puntigam,
über die Beschwerde des N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Juli 1989, Zl. 04-25 He 30-88/1, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 2. August 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Vorstandsdirektor der Y-AG dafür verantwortlich zu sein, daß die Sulfatzellstoffanlage Z in der Zeit vom 10. Oktober 1986 bis 14. Oktober 1986 ohne die erforderliche Genehmigung betrieben worden sei, obwohl es sich hiebei um eine nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) gehandelt habe, und hiedurch die Übertretung nach "§ 366 Abs. 1 Z. 3 Gewerbe-Ordnung 1973" begangen zu haben. Hiefür wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzarreststrafe vierzehn Tage) verhängt.
Einer seitens des Beschwerdeführers dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 11. Juli 1989 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 mit der Maßgabe, daß die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dem "§ 366 Abs. 1 Zif. 3 i.V.m.
§ 370 Abs. 2 der GewO 1973" unterstellt werde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung im wesentlichen ausgeführt, daß es sich zum fraglichen Zeitpunkt um einen Probebetrieb gehandelt habe, um die Ersterprobung der noch im Bau befindlichen Rindenvergasungsanlage zu gewährleisten. Da dieses Verfahren neuartig sei, hätte die Erprobung durchgeführt werden müssen. Eine solche Anlage könne man nicht abstellen und wieder anlaufen lassen, weil man nicht hunderte Familien der Arbeitslosigkeit aussetzen könne. Hiezu sei auszuführen, daß mit insgesamt vier Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft X die gewerbebehördliche Genehmigung für die Sulfatanlage der Y-AG sowie Teilbereiche erteilt worden sei. Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1985, Zlen. 84/04/0155, 0157 und 0161, seien die Bescheide des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie und die ergangenen Berufungsbescheide aufgehoben worden. Aus der Anzeige des Gewerbereferenten der Bezirkshauptmannschaft X vom 9. Oktober 1986 sei zu entnehmen, daß zum fraglichen Zeitpunkt die gewerbebehördliche Genehmigung dieser Anlage noch nicht erteilt und auch ein Probebetrieb der Anlage für diesen Zeitraum für nicht zulässig erklärt worden sei. Da jedoch gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet und betrieben werden dürften, eine solche Genehmigung für die im Spruch zur Last gelegte Tatzeit nicht vorhanden gewesen sei, sei daher der Berufung dem Grunde nach ein Erfolg zu versagen gewesen. Den Ausführungen in der Berufung, wonach ein Notstand nach § 6 VStG 1950 vorgelegen sei, müsse entgegengehalten werden, daß in der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht seien, eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne der angeführten Gesetzesstelle nicht erblickt werden könne. Des weiteren enthält der angefochtene Bescheid Darlegungen zur Bemessung der Strafhöhe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht wegen der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, der angefochtene Bescheid leide schon deshalb an einer Rechtswidrigkeit, weil er den "Mangel eines Probebetriebes" lediglich der Anzeige des Gewerbereferenten der Bezirkshauptmannschaft X vom 9. Oktober 1986 entnommen, und sich nicht an Hand der Verwaltungsakten überzeugt habe, daß die Anzeige der Aktenlage und der der Tatsachenlage gar nicht entspreche, denn ohne daß der Probebetrieb auch diese fünf Tage gelaufen wäre, hätte kein Amtssachverständiger ein Gutachten abgeben können, in dem Erfahrungen aus dem Lauf des Betriebes gezogen worden seien. Er bringe hiezu vor, daß in der Zeit zwischen dem 10. und dem 14. Oktober 1986 wohl ein Probebetrieb angeordnet gewesen sei, welcher sich auf den Kalkofen und die Laugenstraße erstreckt habe, daß man aber rein technisch nicht nur zwei Teile der Fabrik in Gang halten könne, sondern die ganze Fabrik, weil ja sonst die Sachverständigen den Vorgang gar nicht hätten beobachten können. Weiters habe die belangte Behörde auch rechtswidrig nicht die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Notstandes im Sinne des § 6 VStG 1950 angenommen.
Der Beschwerde kommt schon im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Im § 370 Abs. 2 GewO 1973 wird angeordnet, daß dann, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde (§ 39), Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen sind.
Gemäß § 44a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Zu den Elementen der entsprechenden Tatbezeichnung im Sinne dieser Gesetzesstelle gehört auch der Umstand, daß ein Beschuldigter nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft wird, worunter - in dem in Betracht kommenden Geltungsbereich des § 370 Abs. 2 GewO 1973 - auch die eindeutige Anführung der Art der Organfunktion verstanden werden muß.
Im vorliegenden Fall wurde laut Spruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses der Beschwerdeführer als "Vorstandsdirektor" der in Rede stehenden Aktiengesellschaft als strafrechtlich Verantwortlicher bezeichnet. Diese spruchgemäße Anführung des erstbehördlichen Straferkenntnisses wurde in diesem Umfang unverändert im angefochtenen Bescheid als Abspruch der belangten Behörde übernommen und eine Berichtigung des Spruches lediglich in der Richtung vorgenommen, daß die Verwaltungsübertretung dem § 366 Abs. 1 Z. 3 "i.V.m. § 370 Abs. 2" GewO 1973 unterstellt werde.
Beim Vorstand einer Aktiengesellschaft handelt es sich jedoch um ein zur Geschäftsführung und Vertretung der Aktiengesellschaft berufenes Organ.
Im Hinblick darauf liegt aber eine spruchgemäß eindeutige Anführung der Art der von der belangten Behörde ins Auge gefaßten Organfunktion des Beschwerdeführers für den in Rede stehenden Tatzeitraum im Sinne der vorstehenden Darlegungen nicht vor (vgl. zu diesen Ausführungen die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1983, Slg. N.F. Nr. 11.187/A).
Schon im Hinblick darauf belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führte, ohne daß es einer Erörterung des weiteren, hiemit nicht in Zusammenhang stehenden Beschwerdevorbringens bedurfte.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über den gesetzlich pauschalierten Aufwandersatzbetrag für den Beschwerdeschriftsatz hinausgehenden, für "20 Prozent USt" angesprochenen Betrag sowie nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989040133.X00Im RIS seit
06.02.1990