TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/19 V52/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1987
beobachten
merken

Index

L3 Finanzrecht
L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
Bgld KanalanschlußgebührenG. LGBl 1/1957
Verordnung der Gemeinde Draßburg-Baumgarten vom 14.12.1981 betreffend Kanalanschlußgebühren

Leitsatz

Gem. §2 Abs3 Bgld. KanalisationsgebührenG können schon vor Errichtung bzw. Fertigstellung der Kanalisationsanlage vorläufige Anschlußgebühren von der Gemeinde vorgeschrieben werden - keine Gesetzwidrigkeit des §5 der V

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VwGH ist folgendes Beschwerdeverfahren anhängig:

Mit "vorläufigem" Bescheid vom 11. August 1982 schrieb der Bürgermeister der Gemeinde Draßburg-Baumgarten "gemäß §§1 und 2 des Gesetzes vom 27. 9. 1956, LGBl. Nr. 1/1957, über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlage, in der Fassung des Gesetzes vom 18. 10. 1966, LGBl. Nr. 9/1967 in Verbindung mit dem Gemeinderatsbeschluß vom 4. 12. 1981" den Bf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Kanalanschlußgebühr von S 95.086,70 vor.

Der von einem der beiden Bf. erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der Gemeinde Draßburg-Baumgarten mit Bescheid vom 7. November 1983 teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß unter Zugrundelegung der Berechnungsfläche von 1.068,51 m2 vervielfacht mit dem Einheitssatz von S 88,99 abzüglich einer geleisteten Teilzahlung von S 450,-- eine Kanalanschlußgebühr von S 94.636,70 zu entrichten sei.

Die von beiden Bf erhobene Vorstellung wies die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg mit Bescheid vom 22. Jänner 1985 als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid wendet sich die beim VwGH anhängige Beschwerde.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde beantragt der VwGH gemäß Art139 Abs1 B-VG in Verbindung mit Art89 Abs2 B-VG, §5 der V der Gemeinde Draßburg-Baumgarten vom 14. Dezember 1981, beschlossen am 4. Dezember 1981, über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalisationsanlagen als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu auszusprechen, daß diese Bestimmung gesetzwidrig war.

a) Die V, deren §5 bekämpft wird, hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund der Bestimmungen des §1, Abs1 und des §2, Abs3 des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Schluß (richtig: Anschluß) an die Gemeindekanalisationsanlagen (richtig: Gemeindekanalanlagen), LGBl. Nr. 1/1957, in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, wird verordnet:

§1

Von den Eigentümern jener Grundstücke, die nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr.8/1967, über die Verpflichtung zum Anschluß an öffentliche Kanalisationsanlagen und die Art ihrer Benützung zum Anschluß an die öffentliche Gemeindekanalisation verpflichtet werden oder denen auf Ansuchen der Anschluß bewilligt wurde, wird eine einmalige Anschluß- und Sondergebühr nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. Nr. 1/1957 in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1967, eingehoben.

§2

Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrundegelegten (vorläufigen) Baukosten der Gemeindekanalisationsanlagen (in den Ortschaften Draßburg und Baumgarten) betragen auf Grund der wasserrechtlich genehmigten Kanalprojekte für die Gemeinde Draßburg-Baumgarten (Ortschaften Draßburg und Baumgarten) 47.299.991,-- S.

§3

Die Gesamtlänge der wasserrechtlich genehmigten Kanalprojekte im Bereiche der Gemeinde Draßburg-Baumgarten (Ortschaften Draßburg und Baumgarten) beträgt 15.946 lfm.

§4

Der Hebesatz wird mit 3 v.H. festgesetzt.

§5

Der Einheitssatz beträgt demnach vorläufig 88,99 S. (Dieser ergibt sich aus dem Produkt des im §3 (richtig: §4) festgesetzten Hebesatzes mit den auf den Laufmeter ermittelten vorläufigen Baukosten).

Die Umsatzsteuer wird gesondert in Anrechnung gebracht werden.

§6

Diese V tritt mit Wirkung vom 1. Jänner 1982 in Kraft."

b) Die V wurde durch Anschlag an der Amtstafel vom 14. Dezember bis zum 30. Dezember 1981 kundgemacht.

3. Der VwGH begründet seine Bedenken wie folgt:

"Gemäß §2 Abs1 des mehrfach erwähnten Gesetzes vom 27. September 1956, LGBl. für das Burgenland Nr. 1/1957, ergibt sich die Höhe der Kanalanschlußgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs2) mit dem Einheitssatz (Abs3).

Gemäß Abs3 erster Satz dieser Gesetzesstelle in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1966, LGBl. Nr. 9/1966, ist der Einheitssatz durch Gemeinderatsbeschluß festzusetzen; er darf 3 v.H. jenes Betrages, der unter Zugrundelegung der vom Gemeinderat genehmigten Baukosten auf den laufenden Meter des Kanalnetzes durchschnittlich entfällt, nicht übersteigen. Nach dem vorletzten Satz dieses Absatzes haben die Gemeinden und die Städte mit eigenem Statut bei jeder wesentlichen Änderung der Gemeindekanalisationsanlage eine Neuberechnung der Anschlußgebühr nach den vorstehenden Bestimmungen durchzuführen.

Das Gesetz kennt also weder die Festsetzung eines vorläufigen Einheitssatzes noch die Genehmigung vorläufiger Baukosten durch den Gemeinderat. Vielmehr sieht das Gesetz lediglich die (endgültige) Genehmigung der Baukosten (ergänze: des konkreten Kanalisationsprojektes) durch den Gemeinderat und die darauf basierende Festsetzung des (endgültigen) Einheitssatzes durch Gemeinderatsbeschluß vor. Nur wenn die Gemeindekanalisationsanlage eine wesentliche Änderung erfährt, hat eine Neuberechnung der Anschlußgebühr nach dem vorletzten Satz des §2 Abs3 leg. cit. stattzufinden; aber auch diese Neuberechnung hat, bezogen auf die betreffende Änderung der Gemeindekanalisationsanlage, endgültig zu erfolgen. Auf der Basis einer voraussichtlich zu entrichtenden Anschlußgebühr könnten lediglich Vorauszahlungen nach §2 Abs3 dritter Satz leg. cit. vorgeschrieben werden.

Insoweit die V des Gemeinderates der Gemeinde Draßburg-Baumgarten laut Beschluß vom 4. Dezember 1981 sohin von 'vorläufigen' Baukosten der Gemeindekanalisationsanlagen ausgeht und auf dieser Grundlage einen 'vorläufigen' Einheitssatz festsetzt, widerspricht sie dem Gesetz in den oben zitierten Bestimmungen. Daß die V eine allfällige Änderung der Gemeindekanalisationsanlage im Sinne des vorletzten Satzes des §2 Abs3 leg. cit. im Auge gehabt hätte, wird dadurch widerlegt, daß im §3 der V die Gesamtlänge der wasserrechtlich genehmigten Kanalprojekte mit 15.946 lfm. festgestellt wird. Daraus geht eindeutig hervor, daß es sich um ein insoweit als Einheit anzusehendes Projekt handelt.

Da im vorliegenden Fall der Beschwerdepunkt auch die Verletzung der Bf. in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung einer Kanalanschlußgebühr wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich eines Gemeinderatsbeschlusses, der einen Einheitssatz nicht nur 'vorläufig' festsetzt, umfaßt, ist die Bestimmung des §5 der V vom 4. Dezember 1981 vom VwGH anzuwenden und demnach präjudiziell."

4. Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg und die Gemeinde Draßburg-Baumgarten haben in Äußerungen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Bestimmung verteidigt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Angesichts der vom VwGH zu beurteilenden Rechtsfragen ist es keineswegs von vornherein ausgeschlossen, daß er die von ihm bekämpfte Bestimmung anzuwenden hat. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. Die Bedenken des VwGH bestehen nicht zu Recht.

§1 Abs1 des Gesetzes vom 27. September 1956 über die Einhebung einer Gebühr für den Anschluß an die Gemeindekanalanlagen, LGBl. 1/1957 idF des Gesetzes LGBl. 9/1967 (im folgenden: KanalisationsgebührenG), ermächtigt die Gemeinden und Städte mit eigenem Statut im Burgenland, sofern das Recht zur Einhebung von Gebühren nicht bundesgesetzlich eingeräumt ist, aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates von den Eigentümern jener Grundstücke, die nach näher bezeichneten gesetzlichen Bestimmungen zum Anschluß an die öffentliche Gemeindekanalisation verpflichtet wären oder denen auf Ansuchen der Anschluß bewilligt wurde, eine einmalige Anschluß- und Sondergebühr einzuheben.

Nach §2 Abs1 KanalisationsgebührenG ergibt sich die Höhe der Kanalanschlußgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs2) mit dem Einheitssatz (Abs3). Abs3 des §2 KanalisationsgebührenG hat folgenden Wortlaut:

"Der Einheitssatz ist durch Gemeinderatsbeschluß festzusetzen; er darf 3 v.H. jenes Betrages, der unter Zugrundelegung der vom Gemeinderat genehmigten Baukosten auf den laufenden Meter des Kanalnetzes durchschnittlich entfällt, nicht übersteigen. Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrundegelegten Baukosten sowie die Länge des Kanalnetzes sind öffentlich kundzumachen. Der Gemeinderat kann die Entrichtung von Vorauszahlungen bis zur Höhe der voraussichtlich zu entrichtenden Anschlußgebühr vorschreiben, sofern der Bescheid über die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung oder Abänderung der Kanalisationsanlage in Rechtskraft erwachsen ist. Bei Durchführung des Anschlusses muß jedoch die gesamte Anschlußgebühr entrichtet sein, Ausnahmen hievon kann der Gemeinderat - in den Städten mit eigenem Statut der Stadtsenat gewähren, wenn die sofortige oder volle Entrichtung mit erheblichen Härten verbunden wäre. Bei jeder wesentlichen Änderung der Gemeindekanalisationsanlage haben die Gemeinden und die Städte mit eigenem Statut eine Neuberechnung der Anschlußgebühr nach den vorstehenden Bestimmungen durchzuführen. Bereits entrichtete Anschlußgebühren sind auf diese neuberechnete Anschlußgebühr anzurechnen."

2. Der VwGH meint, diese Bestimmung ermögliche lediglich die Vorschreibung von Vorauszahlungen bis zur Höhe der voraussichtlich zu entrichtenden (nach dem Verständnis des VwGH endgültigen) Anschlußgebühr, nicht aber die Festsetzung einer vorläufigen Anschlußgebühr, berechnet auf Grund der vorläufigen Baukosten.

Die isolierte Betrachtung des ersten Halbsatzes des dritten Satzes der zuvor wiedergegebenen Bestimmung läßt diese Deutung zu, doch enthält der zweite Halbsatz die Voraussetzung "sofern der Bescheid über die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung oder Abänderung der Kanalisationsanlage in Rechtskraft erwachsen ist". Wenn man dem Gesetz den vom VwGH angenommenen Inhalt beimißt, wäre die ausdrückliche Aufnahme dieser Voraussetzung in das Gesetz sinnlos und der zweite Halbsatz des dritten Satzes ohne Anwendungsbereich, weil spätestens ab dem Beginn der Errichtung der Anlage eine rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung vorhanden sein muß. Zu diesem Zeitpunkt besteht aber gar keine andere Möglichkeit, als der Berechnung des Einheitssatzes die voraussichtlich entstehenden - aber keineswegs "endgültigen" - Errichtungskosten zugrundezulegen.

Daraus ergibt sich, daß schon vor Errichtung bzw. Fertigstellung der Kanalisationsanlage Anschlußgebühren vorgeschrieben werden können, denen (lediglich) der Charakter des Vorläufigen zukommt. Mit anderen Worten: Das Gesetz ermächtigt die Gemeinden also auch, in diesem Sinne "vorläufige" Anschlußgebühren und damit einen "vorläufigen" Einheitssatz auszuschreiben; dies nicht nur im Falle der (erstmaligen) Errichtung, sondern nach dem Wortlaut des dritten Satzes in §2 Abs3 KanalisationsgebührenG - in seinem Zusammenhang gesehen auch im Falle der Abänderung der Kanalisationsanlage. Hiebei kann es zur Beurteilung der Bedenken des VwGH dahingestellt bleiben, was unter einer wesentlichen Änderung der Kanalisationsanlage im Sinne des §2 Abs3 letzter Satz zu verstehen ist und ob hier eine solche Änderung vorliegt.

3. Aus den dargelegten Gründen ist dem Antrag nicht Folge zu geben.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Kanalisation, Abgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V52.1986

Dokumentnummer

JFT_10129381_86V00052_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten