TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/7 89/01/0413

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Veröffentlicht am 07.02.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §46;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 14. September 1989, Zl. 273.401/2-III/13/89 betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität, reiste am 5. Februar 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 8. Februar 1989 begründete er seinen Antrag im wesentlichen damit, er hätte als Mitglied der albanischen Organisation "LIRIA" bereits im Jahre 1981 an "Albanerdemonstrationen" teilgenommen. Als Folge davon sei er von der Mittelschule ausgeschlossen worden und hätte auch jedes Recht auf weitere Schulbildung und Anstellung in Jugoslawien verloren. Der Abschluß der Mittelschule sei ihm nur privat möglich gewesen. In den Folgejahren hätte er regelmäßig Parolen, wie z.B. "Wir fordern unsere Rechte", "Kosovo-Republik" geschrieben und sei deshalb auch verhört worden, ohne jedoch jemals geständig gewesen zu sein. Vom 18. bis 20. Dezember 1988 hätte er an einer albanischen Massenveranstaltung teilgenommen. Seitdem werde er von der Miliz gesucht. Er sehe "keine Zukunftschancen" in Jugoslawien und möchte in Österreich "ein neues Leben" beginnen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. April 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ausführte, Benachteiligungen aus "nationalen politischen Gründen" hätten ihn gezwungen, sein Heimatland zu verlassen. Er habe Angst, in sein Heimatland zurückkehren zu müssen, weil er dort ins Gefängnis käme.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Behörde könne eine Tatsache nur dann als erwiesen annehmen, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hinreichende und sichere Anhaltspunkte für "derartige Schlußfolgerungen" lieferten. "Eine" Beweiswürdigung in diesem Sinne ergebe im Beschwerdefall, daß mit hinreichender Sicherheit nicht habe festgestellt werden können, der Beschwerdeführer sei tatsächlich Mitglied der albanischen Organisation "LIRIA" gewesen und sei als solches wegen Teilnahme an Demonstrationen im Jahre 1981 von der Mittelschule ausgeschlossen worden. Auch könne nicht darauf geschlossen werden, daß der Beschwerdeführer tatsächlich vom

18. bis 20. November 1988 an einer Demonstration teilgenommen habe, seit dieser Zeit von der Miliz in Jugoslawien gesucht werde und bei seiner eventuellen Rückkehr nach Jugoslawien deswegen mit seiner Inhaftierung rechnen müsse. Die bloße Behauptung derartiger Umstände könne dann nicht genügen, "einen hinreichenden sicheren Beweis zu indizieren, um diese dem festzustellenden Sachverhalt zu Grunde legen zu können, wenn die angeführten Tatsachen, insbesondere ein angeblich aus politischen Gründen erfolgter Schulausschluß und eine drohende Verhaftung mit anschließender Inhaftierung ohne weiteres und ohne nachteilige Folgen für den Beschwerdeführer und seine Verwandten - etwa durch die Vorlage von Dokumenten - beweisbar wäre". Mit hinreichender Sicherheit habe auch nicht festgestellt werden können, ob der Beschwerdeführer tatsächlich in Jugoslawien in seinem Recht auf Bildung verkürzt worden oder ob der Verlust dieses Rechtes auch tatsächlich mit seiner politischen Tätigkeit begründbar oder auf gesetzliche Voraussetzungen zurückzuführen sei, die in der Staatengemeinschaft allgemein üblich seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde die von ihm nicht unterschriebene Berufung ohne Verbesserung erledigt habe; der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil "im Auftrag" des Bundesministers für Inneres kein Bescheid rechtsgültig erlassen werden könne und auch aus dem Bescheid nicht hervorgehe, daß der im Auftrag des Bundesministers Unterzeichnende in Vertretung des Bundesministers zur Bescheiderlassung befugt sei.

In der Erledigung der vom Beschwerdeführer PERSÖNLICH abgegebenen Berufung liegt kein wesentlicher Verfahrensmangel, weil die Berufung einerseits die Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 AVG 1950 erfüllt, andererseits klar ist, von wem sie erhoben worden ist und gegen welchen Bescheid sie sich richtet. Es bedarf keiner Untersuchung darüber, wer in Vertretung des Bundesministers für Inneres oder im Auftrag zu unterscheiben ermächtigt ist, weil unbestritten ist, daß der angefochtene Bescheid dem Bundesminister für Inneres zuzurechnen ist.

Der weitere Vorwurf mangelnder Rechtsbelehrung des Beschwerdeführers durch die Behörden des Verwaltungsverfahrens und die Rüge unterlassener amtswegiger Ermittlungen über die allgemeine Lage der Albaner in Jugoslawien müssen versagen, weil es einerseits nicht Aufgabe der Behörde ist, den Asylwerber dahingehend anzuleiten, daß sein Vorbringen allenfalls zum Erfolg führen muß (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 87/01/0224), und weil andererseits nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vorbringen des Beschwerdeführers das maßgebende Entscheidungskriterium im Asylverfahren ist und die Behörden des Verwaltungsverfahrens aus einsichtigen Gründen nicht verhalten sind, an die Behörden des Heimatstaates des Beschwerdeführers Anfragen zu richten, dessen Schutz der Asylwerber gerade ablehnt. Auch die Unterlassung der Ermittlung der allgemeinen Lage der Albaner in Jugoslawien vermag nichts über die allein relevante individuelle Situation des Beschwerdeführers auszusagen.

Der Beschwerdeführer rügt schließlich die Beweiswürdigung durch die belangte Behörde. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Denn im Asylverfahren ist zur Bestätigung des Vorbringens des Asylwerbers kein Beweis durch Urkunden notwendig; Tatsachenvorbringen des Asylwerbers muß nicht - wie die belangte Behörde meint - durch Dokumente untermauert werden; es genügt vielmehr die Glaubhaftmachung. Warum das Vorbringen des Beschwerdeführers keinen "Beweis zu indizieren" vermag, hat die belangte Behörde ebensowenig dargelegt, wie ihre Überlegungen, warum das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft oder als unwahrscheinlich anzusehen sei.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010413.X00

Im RIS seit

27.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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