TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/20 G21/87

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Veröffentlicht am 20.06.1987
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GehG 1956 §26 Abs3 Z2

Leitsatz

Verstoß der Z2 im §26 Abs3 idF BGBl. 656/1983 GehaltsG 1956 gegen den Gleichheitssatz aus den in VfSlg. 11155/1986 (betreffend dieselbe, als landesgesetzliche Vorschrift in OÖ in Geltung gestandene Regelung) dargelegten Gründen

Spruch

Die Z2 im §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung der Nov. BGBl. Nr. 656/1983, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1988 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Absätze 1 und 2 des §26 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, haben folgenden Wortlaut (Stammfassung):

"(1) Dem Beamten, der ohne Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuß aus dem Dienststand ausscheidet, gebührt eine Abfertigung.

(2) Eine Abfertigung gebührt nicht,

a) wenn das Dienstverhältnis des Beamten während der Probezeit gelöst wird;

b) wenn der Beamte freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt, sofern nicht die Bestimmungen des Abs3 anzuwenden sind;

c) wenn der Beamte durch ein Disziplinarerkenntnis entlassen wird;

d) wenn der Beamte kraft Gesetzes oder durch Tod aus dem Dienstverhältnis ausscheidet."

Absatz 3 dieses Paragraphen erhielt zufolge der 41. Gehaltsgesetz-Nov., BGBl. 656/1983, folgende Fassung:

"(3) Eine Abfertigung gebührt außerdem

1. einer verheirateten Beamtin, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Eheschließung,

2. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von 18. Jahren nach der Geburt eines eigenen Kindes, das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt,

3. einer Beamtin, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach der Annahme eines Kindes, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat und das im Zeitpunkt des Ausscheidens noch lebt, an Kindes Statt (§15 Abs5 Z1 des Mutterschutzgesetzes 1979) oder innerhalb von sechs Monaten nach der Übernahme eines solchen Kindes in unentgeltliche Pflege (§15 Abs5 Z2 des Mutterschutzgesetzes 1979),

freiwillig aus dem Dienstverhältnis austritt."

2. Beim VfGH ist zu B192/86 die Beschwerde eines Volksschullehrers anhängig, der mit Schreiben vom 3. Juli 1985 den Bezirksschulrat für den Bezirk Schärding um einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses ersuchte. Am 11. Oktober 1985 stellte er den Antrag auf Bewilligung der ihm zustehenden Abfertigung. Er begründete diesen Antrag damit, daß seine Tochter im Jahre 1973 geboren sei und somit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Auf Grund des in der Bundesverfassung verankerten Gleichheitssatzes gebühre auch männlichen Beamten eine Abfertigung nach dem Gehaltsgesetz.

Mit Bescheid vom 4. November 1985 teilte der Landesschulrat für Oberösterreich dem Bf. mit, daß seinem Ansuchen auf Abfertigung mangels der gesetzlichen Voraussetzungen nicht näher getreten werden könne.

Der dagegen vom Bf. erhobenen Berufung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 14. Jänner 1986 nicht Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, daß es den Verwaltungsbehörden nicht obliege, die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Verfassungswidrigkeit des §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956 idgF zu prüfen.

Dieser Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung ist Gegenstand der oben genannten Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Gleichheitswidrigkeit des §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956 idgF behauptet wird.

3. Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, G178/86, die Z2 im §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, soweit diese Bestimmung zufolge ArtII Z4 der 23. Ergänzung zum Landesbeamtengesetz und zur Landesbeamtengesetznovelle 1985, LGBl. für Oberösterreich Nr. 41, in Oberösterreich als landesgesetzliche Vorschrift in Geltung stand, wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.

Die in Prüfung gezogene bundesgesetzliche Vorschrift ist mit der landesgesetzlichen Vorschrift, die mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1986 aufgehoben wurde, völlig gleichlautend.

Auf Grund der Erwägungen, die den Gerichtshof zu diesem Erkenntnis bewogen haben, hat der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Z2 im §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung des ArtI Z8 der Nov. BGBl. Nr. 656/1983, auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Im Erkenntnis G178/86 vom 3. Dezember 1986 führte der VfGH u.a. folgendes aus:

"Es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, auf die sich der Gerichtshof stützen kann, daß der zeitliche Aufwand für die Pflege und Erziehung eines Kindes - durchschnittlich gesehen mit dessen steigendem Lebensalter wesentlich abnimmt. Dies wird besonders deutlich, wenn man - innerhalb des hier zu betrachtenden Zeitraumes von 18 Jahren - etwa den Zeitaufwand für ein einjähriges Kind mit dem für einen 17-jährigen Jugendlichen vergleicht. Diese Durchschnittsbetrachtung zeigt, daß der Grund für einen späteren Dienstaustritt im Regelfall wohl nicht in der Übernahme der Obsorge für das wesentlich früher geborene Kind, sondern in anderen Beweggründen zu finden ist. Der Gerichtshof bleibt daher bei den sein primäres Bedenken tragenden Annahmen des Prüfungsbeschlusses; es handelt sich um eine Regelung, die wesentlich nicht dem im Gesetzeswortlaut angedeuteten Zweck dient, sondern allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen. So gewertet ist aber in der Tat nicht einzusehen, weshalb die Vorschrift auf weibliche Beamte beschränkt ist; sie verstößt sohin gegen das auch den Gesetzgeber bindende, diesem sachlich nicht begründbare Differenzierungen verwehrende Gleichheitsgebot (s. zB VfGH 15.10.1985 G122/85)."

4. Die Bundesregierung hat im Hinblick auf das genannte Erkenntnis des VfGH vom 3. Dezember 1986 von einer Äußerung abgesehen und den Antrag gestellt, der VfGH möge gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um die allenfalls erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle erweckt hätte.

III. 1. Die Bedenken sind begründet. Auch die Z2 im §26 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung des ArtI Z8 der Nov. BGBl. Nr. 656/1983, verstößt gegen den Gleichheitssatz.

Das Verfahren hat nichts ergeben, was die im Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, G178/86, für zutreffend erkannten Bedenken im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren zerstreuen könnte.

Die im Spruch genannte Bestimmung des Gehaltsgesetzes war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die anderen Aussprüche des VfGH stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. §19 Abs4 Z2 VfGG 1953 abgesehen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Abfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G21.1987

Dokumentnummer

JFT_10129380_87G00021_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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