TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/7 89/13/0085

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Veröffentlicht am 07.02.1990
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Index

23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §4;
EStG 1972 §106a;
KO §156 Abs4;
KO §156 Abs5;
KO §156;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde der X gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. März 1988, Zl. GA 5-1535/87, betreffend Rückforderung von Mietzinsbeihilfe gemäß § 106a EStG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde über Antrag (1982) ein Abgeltungsbetrag gemäß § 106a EStG 1972 (Mietzinsbeihilfe) im Ausmaß von monatlich S 343,--, beginnend ab 1. Juli 1982 gewährt. Im Antragsformular war die vorgedruckte Frage nach allfälliger Gewährung einer Wohnbeihilfe in der Weise beantwortet worden, daß in den für die Anführung des betreffenden Betrages vorgesehenen Raum eine Null eingetragen worden war.

Anläßlich einer späteren Antragstellung (1985) auf Weitergewährung der Mietzinsbeihilfe wurde von der Beschwerdeführerin bekanntgegeben, daß sie von der Gemeinde Wien eine Wohnbeihilfe von monatlich S 258,-- beziehe.

Das Finanzamt gewährte ab 1.Juli 1985 nur mehr eine um die erklärte Wohnbeihilfe gekürzte Mietzinsbeihilfe im Ausmaß von monatlich S 171,--. Gleichzeitig forderte das Finanzamt mit gesondertem Bescheid jenen Betrag an Mietzinsbeihilfe zurück, den die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zu Unrecht bezogen hatte, weil die Kürzung der Mietzinsbeihilfe um eine Wohnbeihilfe unterblieben war (insgesamt S 8.987,--).

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie habe ihren Antrag seinerzeit beim Finanzamt zu Protokoll gegeben und sei nicht darauf hingewiesen worden, daß die Mietzinsbeihilfe um eine allfällige Wohnbeihilfe zu kürzen sei. Sie habe die Mietzinsbeihilfe daher gutgläubig bezogen und verbraucht. Weiters sei zu berücksichtigen, daß über ihr Vermögen ein gerichtlicher Zwangsausgleich abgeschlossen worden sei, der sich auch auf die Rückforderung von Mietzinsbeihilfen erstrecke. Sollte die Rückforderung überhaupt zu Recht bestehen, so wäre der rückzufordernde Betrag zumindest auf die Ausgleichsquote von 20 % zu reduzieren.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Bei Gewährung einer Mietzinsbeihilfe nach § 106a EStG 1972 sei der erhöhte Hauptmietzins um eine allfällige Wohnbeihilfe zu kürzen, was zu einer entsprechenden Kürzung der Mietzinsbeihilfe führe. Eine derartige Kürzung sei unterblieben, weil das Finanzamt erst anläßlich einer späteren Antragstellung auf Verlängerung der Mietzinsbeihilfengewährung in Erfahrung gebracht habe, daß der Beschwerdeführerin bereits in der Vergangenheit eine Wohnbeihilfe gewährt worden sei. Gemäß § 106a Abs. 8 EStG 1972 seien zu Unrecht abgegoltene Beträge (Mietzinsbeihilfen) mit Bescheid zurückzufordern.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 28. Februar 1989, B 1239/88, abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird "inhaltiche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften" geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführerin von der Gemeinde Wien eine Wohnbeihilfe gewährt worden war, und daß die Mietzinsbeihilfe um die Wohnbeihilfe zu kürzen gewesen wäre. Weiters ist die rechnerische Ermittlung des Rückforderungsbetrages unbestritten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird als Rechtswidrigkeit lediglich geltend gemacht, daß sich die belangte Behörde zu Unrecht nicht mit dem Argument der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat, daß über ihr Vermögen ein Zwangsausgleich abgeschlossen worden sei, und daß dieser auch den Rückforderungsanspruch betreffend den zu Unrecht gewährten Teil der Mietzinsbeihilfe betroffen habe.

Nun trifft es zwar zu, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht eingegangen ist. Damit wurden jedoch keine Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können. Der Argumentation der Beschwerdeführerin ist nämlich entgegenzuhalten, daß das Recht bzw. die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche - um einen solchen handelt es sich auch bei der Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Abgeltungbeträgen (Mietzinsbeihilfen) im Sinne des § 106a EStG - im Abgabenfestsetzungsverfahren bescheidmäßig geltend zu machen, durch einen Zwangsausgleich nicht berührt wird. Erst im Abgabeneinhebungsverfahren ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Gemeinschuldner gemäß § 156 Abs. 1 KO durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit wird, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen, gleichviel ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.

Es ist nämlich zu beachten, daß ungeachtet des Umstandes, daß der Abgabenanspruch gemäß § 4 BAO regelmäßig entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, eine Verpflichtung zur Bezahlung von Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, grundsätzlich erst mit Erlassung des betreffenden Abgabenbescheides eintritt. Diese Zahlungsverpflichtung (= Leistungsgebot) betrifft stets den materiell-rechtlichen Abgabenanspruch. Dieser ist Gegenstand der Abgabenfestsetzung. Die Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt der Abgabenfestsetzung noch aushaftet bzw. inwieweit er bereits durch Zahlungen befriedigt wurde (z.B. durch Vorauszahlungen oder durch Verrechnung mit Abgabengutschriften) erfolgt hingegen nicht im Abgabenfestsetzungsverfahren, in dem die Abgabenverrechnung unberücksichtigt bleiben muß, sondern erst im Abgabeneinhebungsverfahren. Da nur aushaftende Verbindlichkeiten von einem Zwangsausgleich betroffen sein können, entfaltet letzterer seine Rechtswirkungen gemäß § 156 KO auch nur im Abgabeneinhebungsverfahren.

Für diese Rechtsauffassung sprechen auch die Bestimmungen des § 156 Abs. 4 und Abs. 5 KO, wonach "der Nachlaß und die sonstigen Begünstigungen, die der Ausgleich gewährt", hinfällig werden, soweit der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleiches in Verzug gerät. Absatz 5 der zitierten Bestimmung spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von der "Wirkung des Wiederauflebens". Wieder aufleben kann aber ein Leistungsgebot begrifflich nur dann, wenn es zu einem früheren Zeitpunkt bereits bestanden hat. Da das Leistungsgebot bei Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, - wie bereits oben gesagt - grundsätzlich erst mit der Erlassung eines Abgabenbescheides entsteht, setzt das "Wiederaufleben" des Leistungsgebotes voraus, daß dieses bereits in der Vergangenheit durch Erlassung eines Abgabenbescheides entstanden war.

Auch daraus folgt, daß ein rechtskräftig bestätigter Zwangsausgleich der bescheidmäßigen Festsetzung des ungekürzten Abgaben-Leistungsgebotes nicht entgegensteht.

Da somit die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989130085.X00

Im RIS seit

07.02.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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