TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/7 88/01/0237

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Veröffentlicht am 07.02.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §64 Abs2;
AVG §73 Abs1;
FrPolG 1954 §14 Abs1;
FrPolG 1954 §2 Abs2;
FrPolG 1954 §5 Abs1 idF 1986/555;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §5 idF 1986/555;
FrPolG 1954 §8;
PaßG 1969 §27 Abs1;
VwRallg;

Betreff

N gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. September 1987, Zl. FrB-4250/87 betreffend Verhängung der Schubhaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, wurde mit dem in Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (im folgenden: BH) vom 16. Februar 1987 ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. März 1987 ein bis 16. Februar 1995 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (vgl. dazu das die Beschwerde gegen den letztgenannten Bescheid abweisende hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1987, Zl. 87/01/0124).

Mit Bescheid der BH vom 14. August 1987 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Vollstreckungsaufschubes wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (vgl. dazu das die Beschwerde gegen diesen Bescheid abweisende hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1988, Zl. 88/01/0056).

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 27. November 1987, B 866/87-8, einen weiteren Bescheid der BH vom 14. August 1987, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden war, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes auf.

Mit Bescheid vom 17. August 1987 ordnete die BH gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75, in der damals gültigen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 555/1986 (FrPolG), zur Sicherung der Abschiebung gegen den Beschwerdeführer die vorläufige Verwahrung an und schloß gleichzeitig gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer Berufung aus. Zur Begründung führte die Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei offenbar trotz des gegen ihn rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes nicht gewillt, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, und verstoße durch seinen Aufenthalt gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften. Deswegen und wegen der dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Verwaltungsübertretungen und gerichtlichen Verurteilungen sei die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet, sodaß die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer gegeben seien. Im Interesse des öffentlichen Wohles sei die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten, weshalb einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die dem gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Delikte rechtfertigten weder die Verhängung der Schubhaft noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung. Angesichts eines vom Beschwerdeführer gemäß § 6 FrPolG erhobenen Antrages auf Verlängerung der Frist zum Verlassen des Bundesgebietes wäre die Behörde zur Gewährung einer mindestens einwöchigen Ausreisefrist verpflichtet gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. September 1987 gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Der Beschwerdeführer habe trotz Eintritt der Rechtskraft des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet nicht verlassen und durch seinen weiteren Aufenthalt ein strafbares Verhalten gesetzt bzw. in diesem strafbaren Verhalten verharrt. Dem Beschwerdeführer sei Monate hindurch die freiwillige Ausreise ermöglicht und die Schubhaft erst als letzte Maßnahme zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes verhängt worden. Hinsichtlich der bekämpften Ausschließung der aufschiebenden Wirkung der Berufung sei festzuhalten, daß der Beschwerdeführer bei einer Hausdurchsuchung im gesetzlich nicht gedeckten Besitz einer Faustfeuerwaffe und im Besitz einer verbotenen Waffe angetroffen worden sei. Da nicht ausgeschlossen habe werden können, daß der Beschwerdeführer auch künftig durch den Besitz solcher Waffen eine Gefährdung dritter Personen herbeiführen könne, sei wegen Gefahr im Verzug einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser mit Beschluß vom 25. Februar 1988, ablehnte und die er mit Beschluß vom 8. September 1988 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten, ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Schubhaft genommen zu werden, sowie auf unverzügliche Entscheidung über den von ihm in der Berufung bekämpften Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung verletzt. Darüber hinaus vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof sei nach Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof berufen, die in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu prüfen. Die belangte behörde habe selbst festgestellt, daß der Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides aus der Schubhaft entlassen worden sei, weshalb es ihre Aufgabe gewesen wäre, den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben. Im angefochtenen Bescheid sei in aktenwidriger Weise festgestellt worden, der Beschwerdeführer sei seinem eigenen Vorbringen zufolge insgesamt achtmal gerichtlich bestraft worden. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer lediglich von acht geringfügigen Verwaltungsübertretungen gesprochen. Die belangte Behörde habe die Rechtslage insoweit verkannt, als sie übersehen habe, daß die Verhängung der Schubhaft nicht bereits dann gerechtfertigt sei, wenn sich ein Fremder unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, sondern daß der Behörde diese Möglichkeit nur bei Hinzutreten eines darüber hinausgehenden, das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdenden Verhaltens offenstehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 FrPolG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grund notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

Unbestritten ist im Beschwerdefall, daß der Beschwerdeführer vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides aus der Schubhaft entlassen worden ist. Der vom Beschwerdeführer daraus gezogenen Schlußfolgerung, die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, kann nicht gefolgt werden. Denn einerseits rechtfertigt die Herbeiführung eines in einem Bescheid geforderten Zustandes nicht die Aufhebung dieses Bescheides durch die Berufungsbehörde (vgl. hg. Erkenntnisse vom 26. September 1985, Zl. 83/06/0262, und vom 15. Oktober 1985, Zl. 85/05/0099). Anderseits kann die Entlassung aus der Schubhaft ebensowenig wie etwa deren Beendigung durch Außerlandesschaffung eines Fremden die Frage der Rechtmäßigkeit des zu Grunde liegenden Schubhaftbescheides berühren. Wohl hat die Berufungsbehörde Änderungen des maßgebenden Sachverhaltes zu berücksichtigen (vgl. die oben angeführten hg. Erkenntnisse), doch kann die faktische Beendigung der Schubhaft, noch bevor das damit angestrebte Ziel (im Beschwerdefall die Abschiebung des Beschwerdeführers) erreicht wurde, die Entscheidung der Berufungsbehörde über eine gegen den erstinstanzlichen Schubhaftbescheid erhobene Berufung in keiner Richtung präjudizieren.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es pflichtwidrig unterlassen, sofort über die von ihm beantragte Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Berufung zu entscheiden, steht dem § 73 AVG 1950 entgegen, der in Behandlung der Entscheidungspflicht von Verwaltungsbehörden hinsichtlich derartiger Anträge keine Ausnahmeregelungen vorsieht und auch eine Gesetzeslücke nicht erkennen läßt (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. September 1987, Zl. 85/01/0212).

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, nicht beachtet zu haben, daß der letzte Teilsatz des § 5 Abs. 1 FrPolG auf ein zu befürchtendes strafbares Verhalten eines Fremden abstelle, das über den bloß unerlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet hinausgehe. Dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu, weil die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen ist, daß ein in Widerspruch zu einem rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbot stehender Aufenthalt eines Fremden durchaus ein die Verhängung der Schubhaft rechtfertigendes Verhalten darstellt (vgl. hg. Erkenntnisse vom 11. September 1985, Zl. 85/01/0053, vom 15. Jänner 1986, Zl. 85/01/0217, vom 21. Jänner 1987, Zl. 86/01/0055, und vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/01/0238). Hiezu kommt, daß gemäß § 27 Abs. 2 Paßgesetz 1969 der einem Fremden erteilte Sichtvermerk mit der Rechtskraft eines Aufenthaltsverbotes ungültig wird, sodaß der Aufenthalt des Beschwerdeführers auch aus dieser Sicht eine Übertretung der fremdenpolizeilichen Bestimmungen (§ 2 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 FrPolG) darstellt.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Entscheidung über einen von ihm gemäß § 8 FrPolG gestellten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abzuwarten, ist festzuhalten, daß auch eine derartige Antragstellung den im Einzelfall gebotenen Vollzug eines Aufenthaltsverbotes durch Verhängung der Schubhaft nicht zu hindern vermag, weil sonst jegliche Zwangsmaßnahme gemäß § 5 FrPolG durch eine Antragstellung gemäß § 8 leg. cit. von vornherein unterlaufen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/01/0238).

Der Beschwerdeführer ist mit der Behauptung der der belangten Behörde unterlaufenen Aktenwidrigkeit betreffend die im angefochtenen Bescheid angeführte achtmalige gerichtliche Bestrafung im Recht, weil es sich bei den zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes führenden Rechtsverletzungen in Wahrheit um acht Verwaltungsübertretungen gehandelt hat. Dieses vermag allerdings der Beschwerde dennoch nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil wegen der Rechtskraft des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes die belangte Behörde auch bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdeergänzung auch die vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken zum Gegenstand seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gemacht. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Z. 1 B-VG zur Prüfung dieser Fragen nicht zuständig ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 88/01/0238), und der Verfassungsgerichtshof in der Begründung seines in der Angelegenheit ergangenen Ablehnungsbeschlusses auf seine die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des § 5 FrPolG bestätigende Vorjudikatur hingewiesen hat, deren Richtigkeit zu bezweifeln der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß sieht, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die diesbezügliche Argumentation des Beschwerdeführer.

Die sich sohin als unbegründend erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988010237.X00

Im RIS seit

06.08.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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