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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1 idF 1974/796;Betreff
1. A, 2. B und 3. C gegen Bundesminister für Inneres 1. vom 29. Juli 1988, Zl. 230.869/2-II/6/88, 2. vom 28. Juli 1988, Zl. 230.868/2-II/ 6/88 und 3. vom 28. Juli 1988, Zl. 230.868/2-II/6/88, je wegen Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen von je S 230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. 17. November 1987, 2. 24. November 1987 und 3. 17. November 1987 ab und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950. Mit diesen war festgestellt worden, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention sind.
Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Alle drei Beschwerdeführer hätten angegeben, daß der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin (letztere sei Lehrerin) von den Schulbehörden und dem bulgarischen Sicherheitsdienst wegen ihrer religiösen Einstellung staatsgefährdender Umtriebe beschuldigt worden seien. Der Drittbeschwerdeführerin sei vom Schuldirektor ein Umhängekreuz vom Hals gerissen worden. Anlässlich eines Familienbesuches im berühmten Rilakloster seien die Beschwerdeführer von der dort anwesenden Geheimpolizei eingehend befragt worden. Am 20. April 1987 sei in der Wohnung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin (der Eltern des Erstbeschwerdeführers) eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden, bei der Bibeln und Andachtsbilder festgestellt worden seien.
Bei der Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde im Ergebnis die Auffassung, die Behauptungen einer Hausdurchsuchung seien nicht glaubwürdig, weil die Beschwerdeführer bei ihrer Einvernahme keine "Aussagen getätigt" hätten, die auf Verletzungen des Art 8 MRK hindeuten würden. Rechtlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß das Abreißen eines Umhängekreuzes und eine Befragung durch den Geheimdienst ohne nachteilige Folgen nicht genügten, eine Verfolgung zu indizieren. Sie verwies ausdrücklich darauf, daß alle drei Beschwerdeführer bei ihrer Befragung angegeben hätten, in ihrem Heimatland keine "religiösen Schwierigkeiten" gehabt bzw. keine Verfolgungen erlitten zu haben. Die Voraussetzung einer Anerkennung der drei Beschwerdeführer als Flüchtlinge im Sinne der Konvention seien daher nicht erfüllt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Alle drei Beschwerdeführer erachten sich jeweils in ihrem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 1 Asylgesetz ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt.
Daß in bezug auf die Person der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A C 1 Konvention erfüllt seien, haben weder die Beschwerdeführer behauptet, noch sind im Zuge des Verfahrens Tatsachen hervorgekommen, die in eine solche Richtung wiesen. Da die belangte Behörde auch nicht Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Flüchtlingskonvention festgestellt hat, hatte der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer aus Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmungen angesehen werden kann, ist u.a. Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Hauptziel der Argumentation aller drei Beschwerdeführer ist die Bekämpfung der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde sowie die Geltendmachung von Verfahrensfehlern. Damit ist für den angestrebten Beschwerdeerfolg, jedoch nichts zu gewinnen, weil sich im Ergebnis zeigt, daß die belangte Behörde auch bei Vermeidung der ihr von den Beschwerdeführern angelasteten Verfahrensfehler zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.
Auszugehen ist nämlich davon, daß die belangte Behörde in sämtlichen angefochtenen Bescheiden ausdrücklich auf die Aussagen der Beschwerdeführer bei ihrer Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich Bezug genommen hat. Betrachtet man aber die niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer vom 2. September 1987, so ergibt sich folgendes Bild:
Der Zweitbeschwerdeführer gab im wesentlichen an, in Bulgarien weder beruflich noch religiöse Schwierigkeiten gehabt zu haben. Als Grund für seine Ausreise gab er insbesondere seinen Wunsch an, einerseits in einem demokratischen Land ein "neues Leben" anfangen zu wollen und andererseits ein besseres Einkommen zu erzielen. Die Ausreise der drei Beschwerdeführer schilderte er wie folgt: Per Pkw seien sie nach Jugoslawien und nach einer Übernachtung von dort nach Ungarn gereist; von dort sei die Reise nach Österreich gegangen. Nach zwei Tagen Aufenthalt in Österreich (7. bis 9. August 1987) sei die Familie in die CSSR gereist, habe dort eine Nacht verbracht und sei am 11. August 1987 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gereist. Dort hätten sie das Visum verlängert und eine Woche verbracht. Anschließend hätte sich die Familie eine Woche lang in Belgien aufgehalten. Am 20. August 1987 seien die drei Beschwerdeführer wieder in die Bundesrepublik Deutschland und nach einem Tag Aufenthalt von dort in die DDR gereist. Von dort seien sie am 25. August 1987 über die CSSR am 26. August 1987 wieder nach Österreich eingereist und hätten am 31. August 1987 Asylantrag gestellt.
Die Drittbeschwerdeführerin gab an, sie habe im großen und ganzen in Bulgarien keine "beruflichen, finanziellen und religiösen Schwierigkeiten" gehabt. Es habe sie aber "gestört", als "Mensch zweiter Kategorie" eingestuft worden zu sein. Die Familie habe für ihre Verhältnisse einen hohen Standard mit einem geregelten Einkommen gehabt, ein Haus und einen Pkw besessen. Die Beschwerdeführer hätten sich aber in ihrer Freiheit eingeschränkt gefühlt und den Wunsch gehabt, sich so "frei zu bewegen" wie Österreicher und gerne den Standard des Westens annehmen wollen. In Lokalen und Kinos in Bulgarien sowie bei Veranstaltungen seien nur russische Musik und russische Filme gespielt worden. Den von ihrem Gatten, dem Zweitbeschwerdeführer, angegebenen Fluchtweg bestätigte die Drittbeschwerdeführerin ausdrücklich.
Der Erstbeschwerdeführer schließlich hat angegeben, in erster Linie mit seinen Eltern mit nach Östereich gekommen zu sein. Er möchte nicht nach Bulgarien zurückkehren, weil er sich "im Westen viel freier" fühle und möchte, daß es ihm hier besser gehen solle. In Bulgarien seien seine Eltern nicht in der Lage gewesen, ihm immer Taschengeld zu geben und er habe sich daher immer "eingeengt" gefühlt. Verfolgungen habe er auf Grund seiner Jugend keine erlitten.
Wenn die belangte Behörde diesen Darstellungen gegenüber den Behauptungen der Beschwerdeführer in ihren, von demselben Rechtsanwalt verfaßten, textlich gleichlautenden Berufungen im Ergebnis den Vorzug gegeben hat, so kann darin, wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Dezember 1988, Zl. 88/01/0276, 0284 und andere) keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelegen sein.
Ausgehend davon und unter Vernachlässigung der übrigen, die angefochtenen Bescheide gar nicht tragenden Begründungselemente, ergibt sich auch in rechtlicher Hinsicht, daß die belangte Behörde letzten Endes frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit die Flüchtlingseigenschaft der drei Beschwerdeführer verneint hat.
Auf die übrigen gegen das Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG verstoßenden Behauptungen in den drei Beschwerden, die eine weitere Steigerung des Berufungsvorbringens darstellen, war daher nicht mehr einzugehen.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010008.X00Im RIS seit
07.02.1990Zuletzt aktualisiert am
25.03.2009