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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §7;Beachte
Besprechung in: AnwBl 1990/9, 518; ÖStZ 1991, 284; JBl 1991/2, 129;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 5. Dezember 1988, Zl. Jv 1532 - 33/88, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinne der Begründung des im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides) das vom Beschwerdeführer mit seiner am 21. Juli 1988 gemäß § 111 Abs. 1 KO beim Handelsgericht Wien unter Bewertung des Streitgegenstandes mit S 6.000,-- angebrachten Klage nach § 110 Abs. 1 KO auf Feststellung einer (aus dem Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers als Arbeitnehmer und einer Gemeinschuldnerin als Arbeitgeberin für Urlaubs- und Kündigungsentschädigung resultierenden) Konkursforderung in Höhe von S 7.627,-- eingeleitete gerichtliche Verfahren der Pauschalgebühr nach TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs (in der Folge: TP 1) unterliegt oder (im Sinne des Beschwerdeführers) auf
Grund des § 16 Z. 1 lit. a GGG und der Anmerkung 8. zur TP 1
nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Z. 1 lit. a GJGebGes 1962 betrug die Bemessungsgrundlage u.a. bei Streitigkeiten, die vor das Arbeitsgericht gehörten, soweit in diesen Fällen nicht ein Geldbetrag verlangt wurde, S ...
Nach Anmerkung 4. lit. d) zur TP 1 des gemäß § 1 GJGebGes 1962 einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs waren Eingaben (Rechtsmittel) im Verfahren vor einem Arbeitsgericht bei einem Wert des Streitgegenstandes ... gebührenfrei.
Auf Grund des § 16 Z. 1 lit. a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage u.a. bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, soweit in diesen Fällen nicht ein Geldbetrag verlangt wird, S 6.000,--.
TP 1 bstimmt die Höhe der Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes über S 5.000,-- bis S 10.000,-- mit S 450,--.
Laut Anmerkung 1. zur TP 1 unterliegen der Pauschalgebühr nach TP 1 u.a. alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen.
Gemäß Anmerkung 8. zur TP 1 sind Verfahren (einschließlich Mahnklagen und gerichtliche Aufkündigungen) vor einem Arbeitsgericht bei einem Wert des Streitgegenstandes bis S 6.000,-- gebührenfrei.
Gemäß Anmerkung 5. zur TP 2 sind arbeitsgerichtliche Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz (und nach Anmerkung 5. zur TP 3 dritter Instanz) bei einem Wert des Streitgegenstandes bis S 6.000,-- gebührenfrei.
Nachdem das GGG (vom 27. November 1984, BGBl. Nr. 501) entsprechend seinem Art. VI Z. 1 mit dem 1. Jänner 1985 in Kraft getreten war, trat das ASGG (vom 7. März 1985, BGBl. Nr. 104) nach seinem § 98 mit dem 1. Jänner 1987 in Kraft.
§ 99 ASGG (Aufhebung von Rechtsvorschriften) hob Bestimmungen des GGG nicht auf. Soweit in anderen Rechtsvorschriften auf die Arbeitsgerichte, die Schiedsgerichte der Sozialversicherung, auf Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes oder auf die das Leistungsstreitverfahren erster und zweiter Instanz betreffenden Bestimmungen der Sozialversicherungsgesetze (besonders der §§ 96 Z. 8, 99 Z. 3 bis 6) verwiesen wird, erhalten die Verweisungen gemäß § 100 ASGG (Verweisungen) ihren Inhalt aus den entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.
Auf Grund des § 2 Abs. 1 ASGG sind zur Entscheidung über Arbeits- und Sozialrechtssachen die ordentlichen Gerichte berufen; soweit nichts anderes angeordnet ist, sind die für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen geltenden Vorschriften anzuwenden.
Gemäß § 2 Abs. 2 ASGG wird in Wien ein Gerichtshof erster Instanz errichtet, der die Bezeichnung "Arbeits- und Sozialgericht Wien" führt.
Nach § 3 ASGG sind in erster Instanz die Landes- und Kreisgerichte, für den Sprengel des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Entscheidung in Arbeits- und Sozialrechtssachen zuständig.
Auf Grund des § 10 Abs. 1 ASGG wird die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes angeordnet ist, in Senaten ausgeübt.
Gemäß § 10 Abs. 2 ASGG sind die Senate aus Richtern und fachkundigen Laienrichtern zusammenzusetzen; ...
Nach § 11 Abs. 1 ASGG haben sich die Senate der Landes(Kreis)gerichte aus einem Richter und zwei fachkundigen Laienrichtern, die Senate der Oberlandesgerichte und die einfachen Senate des Obersten Gerichtshofes (§ 6 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof, BGBl. Nr. 328/1968) aus drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammenzusetzen.
In Ausübung der Gerichtsbarkeit in Arbeits- und Sozialrechtssachen haben die Landes- und Kreisgerichte laut § 36 ASGG ihrer Bezeichnung den Zusatz "als Arbeits- und Sozialgericht", die Oberlandesgerichte und der Oberste Gerichtshof den Zusatz "in Arbeits- und Sozialrechtssachen" beizufügen. Dies gilt nicht für das Arbeits- und Sozialgericht Wien.
Auf Grund des § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG sind Arbeitsrechtssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung.
Gemäß § 52 Z. 2 ASGG gilt der § 50 auch für Fälle, in denen die Rechtsstreitigkeiten geführt werden durch eine Person, die kraft Gesetzes an Stelle der ursprünglichen Partei hiezu befugt ist.
Nach § 80 ASGG sind Schriften, Amtshandlungen und Vollmachten von den Gerichts-, Justizverwaltungs- und Stempelgebühren befreit. Wird außerhalb des Verfahrens über Sozialrechtssachen von den Schriften oder Vollmachten Gebrauch gemacht, so sind die Stempelgebühren zu entrichten.
Gläubiger, deren Forderungen in Ansehung der Richtigkeit oder Rangordnung streitig geblieben sind, können nach § 110 KO deren Feststellung, sofern der Rechtsweg zulässig ist, mittels Klage geltend machen, die gegen alle Bestreitenden zu richten ist (§ 14 ZPO). Das Klagebegehren kann nur auf den Grund, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, gestützt und nicht auf einen höheren als den dort angegebenen Betrag gerichtet werden.
Auf Grund des § 111 Abs. 1 KO ist zur Verhandlung und Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die Richtigkeit und die Rangordnung von Konkursforderungen ausschließlich das Konkursgericht zuständig.
Der Beschwerdeführer übersieht hinsichtlich der soeben dargestellten Rechtslage folgendes:
Klagen nach §§ 110 f KO sind als Feststellungsklagen - ungeachtet des Umstandes, daß Gegenstand des Feststellungsbegehrens eine Geldforderung ist, - jedenfalls zu bewerten (siehe z.B. die in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten, auch im Geltungsbereich des GGG bedeutsam gebliebenen Erkenntnisse vom 9. April 1964, Zl. 2033/63, ÖStZB 18/1964, S. 161, und vom 12. Dezember 1980, Zl. 844/79, Slg. Nr. 5537/F).
Ganz abgesehen davon, daß die von § 15 Z. 1 lit. a GJGebGes 1962 (Streitigkeiten, die vor das Arbeitsgericht gehören) abweichende Formulierung des § 16 Z. 1 lit. a GGG (arbeitsrechtliche Streitigkeiten) schon rein zeitlich nicht auf das ASGG zurückgehen kann, stellt die Anmerkung 8. zur TP 1 (und in systematischer Interpretation auch die Anmerkung 5. zur TP 2 und die Anmerkung 5. zur TP 3) - wie bereits die vorher geltende Anmerkung 4. lit. d zur TP 1 des gemäß § 1 GJGebGes 1962 ... - auf Verfahren VOR DEM ARBEITSGERICHT ab.
An dieser Stelle ist festzuhalten, daß die Anmerkungen zu den einzelnen TP des GGG im Gesetzesrang stehen (siehe z.B. das Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zlen. 86/16/0153, 0170 bis 0172, mit unrichtigem Datum 17. veröffentlicht in der ÖStZB 3/1988, S. 83).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe z.B. das Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zl. 87/16/0044, ÖStZB 20/1988, S. 457, mit weiterem Hinweis) knüpft nun die Gerichtsgebührenpflicht bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.
Da für die hier in Rede stehende Klage gemäß § 111 Abs. 1 KO ausschließlich das Konkursgericht zuständig ist und eine derartige Klage nicht von einem Arbeits- und Sozialgericht entschieden werden kann, steht die oben erwähnte S 6.000,-- - Grenze nicht zur Debatte und Gerichtsgebührenpflicht ist - ausgehend von der vom Beschwerdeführer als Kläger vorgenommenen Bewertung - jedenfalls gegeben.
Diese Auffassung wurde schon von Arnold in seiner im Anw 5/1987, S. 248f, insbesondere S. 249 links Abs. 2 (seine dort zitierte weitere Arbeit wurde bisher nicht veröffentlicht), abgedruckten Besprechung von Wresounig, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Graz 1986, begründet vertreten. Die gegenteilige Meinung von Wresounig, a.a.O., S. 136, FN 92a, der sich Fink, Arbeits- und sozialgerichtliche Miszellen, ÖJZ 4/1988, S. 97ff, insbesondere S. 103 H. (später ohne Bedachtnahme auf das GGG "Das Verfahren in Arbeitsrechtssachen vor dem Konkurs- und Ausgleichsgericht", DRdA 3/1988, S. 205ff), unter Ablehnung von Arnold, a.a.O., anschließt, scheint nicht nur die oben dargelegten Besonderheiten der Gerichtsgebührenpflicht und die zeitliche Reihenfolge GGG und ASGG zu übersehen, sondern auch den Wortlaut der oben zitierten Bestimmungen, insbesondere des § 100 des ASGG.
Dazu kommt aber noch, daß der Oberste Gerichtshof - in Übereinstimmung mit der dargelegten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes und Arnolds - über an ihn gerichtete Rechtsmittel in Rechtssachen, die Feststellungsbegehren nach §§ 110f KO hinsichtlich Forderungen aus Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis betreffen, nicht in einem aus drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern (§ 10 Abs. 2 ASGG) zusammengesetzten Senat mit dem Zusatz "in Arbeits- und Sozialrechtssachen" (§ 36 ASGG), sondern in einem aus fünf Richtern zusammengesetzten Senat entscheidet - siehe z.B. sein Urteil vom 27. April 1988, AZ. 9 Ob (NICHT 9 Ob A) 901/88, und seinen Beschluß vom 16. November 1988, AZ. 9 Ob 902/88.
Eine dem Gleichheitssatz widersprechende Regelung für Arbeitsrechtssachen im Sinne des § 50 Abs. 1 Z. 1 ASGG einerseits und Feststellungsklagen gemäß §§ 110f KO andererseits vermag der Gerichtshof in der Anmerkung 8. zur TP 1 nicht zu erblicken.
Die - eine betragsmäßige (absolute) Höchstgrenze für den im Falle der Nichtentrichtung oder der nicht rechtzeitigen Entrichtung zu entrichtenden Mehrbetrag (50 Prozent) vorsehende - Regelung in dem § 31 GGG in der Fassung des Bundesgesetzes vom 5. Juni 1987, BGBl. Nr. 292, hat der Gesetzgeber im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1987, G 257-260/86, u.a., Slg. Nr. 11295, zur Vermeidung einer überschießenden Reaktion auf die Unterlassung des Abgabepflichtigen getroffen (siehe z. B. das Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 88/16/0043, ÖStZB 23/1988, S. 531).
Die somit unbegründete Beschwerde ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160022.X00Im RIS seit
01.03.2002Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008