Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §212;Beachte
Besprechung in: ÖStZ 1990, 397;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des N gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland je vom 15. Juni 1989, 1. Zl. GA 13-7/P-354/1/88, betreffend Vorschreibung von Eingangsabgaben, sowie 2. Zl. GA 13-7/P-354/1/1/88, betreffend Nichtaussetzung der Einhebung dieser Eingangsabgaben und
3. Zl. GA 13-7/P-354/1/2/88, betreffend Nichtgewährung einer
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die gegen die beiden übrigen Bescheide gerichtete Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat zu 1. dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat zu 2. und 3. dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
ZU 1. Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens waren auf Antrag der Firma X & Y GmbH die gegenüber der Zollbehörde als Anmelder (Verfügungsberechtigte) iSd § 51 ZollG aufgetreten war, beim Zollamt Arnoldstein für den Beschwerdeführer als Empfänger insgesamt 81 Spielautomaten (Telespiele) aus Italien zum freien Verkehr durch Verzollung abgefertigt worden. Auf Grund der Angaben in der schriftlichen Anmeldung, es handle sich um Ursprungserzeugnisse im Sinne des Freihandelsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BGBl. Nr. 466/1972, und der vorgelegten, vom Zollamt Tarvis im vorgesehenen Feld 11 mit Sichtvermerk versehenen Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1, N. G 0256631, waren die in die Zolltarifnummer 97.04 eingereihten Geräte zollfrei belassen worden.
Auf Grund von Informationen, denen zufolge die gelieferten Geräte nicht Ursprungserzeugnisse im Sinne des EG-Abkommens seien, hatte das Bundesministerium für Finanzen das Ministero delle Finanze in Rom ersucht, die materielle Richtigkeit der dieser Verzollung zugrundegelegten Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 zu prüfen. Mit Schreiben vom 29. Mai 1984 hatte das Ministero delle Finanze, Direzione Generale delle Dogane e imposte indirette, mitgeteilt, daß es sich bei den streitverfangenen Spielautomaten um Drittlandswaren handle und die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1, N. G 0256631 (Präferenznachweis) zu Unrecht ausgestellt worden sei.
In der Folge forderte das Hauptzollamt Wien vom Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20. Juli 1987 im Grunde des § 12 Abs. 1 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, iVm § 174 Abs. 3 lit. c und Abs. 4 ZollG die nach dem Ergebnis der Ermittlungen unerhoben gebliebenen Eingangsabgaben in Höhe von 446.831 S (Zoll: 378.670 S; Einfuhrumsatzsteuer: 68.161 S) zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 8.937 S ein.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Abgabenbehörde zweiter Instanz gab mit dem unter
1. näher bezeichneten Bescheid vom 15. Juni 1989 der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers, in der er die Vorschreibung des obgenannten Abgabenbetrages als rechtswidrig bezeichnete, weil - abgesehen von dem Schreiben des Ministero delle Finanze vom 29. Mai 1984 - keine Unterlagen oder Beweismittel vorlägen, daß die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 unrichtig ausgestellt oder vom ausstellenden Zollamt zurückgenommen worden sei, keine Folge.
Zu 2. und 3.
Mit den beiden oben unter 2. und 3. angeführten Berufungsentscheidungen hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Hauptzollamtes Wien vom 2. März 1988 und vom 10. September 1987. mit denen Ansuchen des Beschwerdeführers um Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) sowie um Stundung der in Streit gezogenen Abgaben abgewiesen worden sind, keine Folge gegeben.
Gegen diese drei Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte aller Staatsbürger vor dem Gesetz und ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluß vom 26. September 1989, B 948-950/89, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt, weil die gerügten Rechtsverletzungen nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften, insbesondere Verfahrensbestimmungen, wären. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht erforderlich.
Gegen diese drei Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und deren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch die drei angefochtenen Bescheide in dem Recht verletzt, die ihm für die streitverfangenen Spielautomaten vorgeschriebenen Eingangsabgaben nicht entrichten zu müssen.
Der Beschwerde kommt hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides im Ergebnis aus folgenden, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Gründen, Berechtigung zu:
Gemäß § 69 BAO ist für die Erhebung von Zöllen und sonstigen Eingangsabgaben das Zollamt örtlich zuständig, das auf Antrag mit der Sache befaßt wird oder von Amts wegen als erstes einschreitet.
Damit ist der Grundsatz zum Ausdruck gebracht, daß die örtliche Zuständigkeit der Zollbehörde erster Rechtsstufe zur Befassung mit einer bestimmten Rechtssache entweder durch den Antrag des Anmelders (zur Durchführung eines bestimmten Zollverfahrens) oder aber im Falle amtswegigen Einschreitens der Behörde nach Maßgabe deren Priorität begründet wird. Nach dem das Zollrecht beherrschenden Antragsprinzip (§ 52 Abs. 2 lit. a ZollG) kann eine zollhängige Ware bei der Abfertigung zum freien Verkehr nur mit Mitwirkung des Zollamtes, nämlich mit ihrer die Zollabfertigung abschließenden Ausfolgung aus der Zollhängigkeit treten (vgl. § 46 Abs. 4 lit. a ZollG).
Wenn durch die Vorlage eines sachlich unrichtigen Ursprungsnachweises in einem Zollverfahren bewirkt wurde, daß ein Vorzugszollsatz zu Unrecht angewendet wurde, entstand gemäß § 12 Abs. 3 EG-Abkommen-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 468/1972, mit der Ausfolgung der Waren die Abgabenschuld kraft Gesetzes hinsichtlich des unerhoben gebliebenen Abgabenbetrages. Auf eine solcherart entstandene Abgabenschuld waren nach der Anordnung des Abs. 4 der zuletzt zitierten Gesetzesstelle die für eine Zollschuld nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden.
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens war das Zollamt Arnoldstein jenes Zollamt, welches auf Antrag der Firma X & Y GmbH, die streitverfangenen Spielautomaten für den Beschwerdeführer als Empfänger zum freien Verkehr durch Verzollung abgefertigt hatte. In Ansehung dieser vom Zollamt Arnoldstein durchgeführten Eingangsabfertigung war daher das Hauptzollamt Wien zur Vorschreibung und Einhebung von nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG geschuldeten Eingangsabgabenbeträgen örtlich unzuständig.
Auf einen Delegierungsbescheid (§ 71 Abs. 2 BAO), mit dem für die Erhebung der Eingangsabgaben anstatt des örtlich zuständigen Zollamtes Arnoldstein das Hauptzollamt Wien bestimmt worden wäre, vermag sich die belangte Behörde nicht zu berufen und es ergeben sich aus der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte dafür. Das gleiche gilt für die Prüfung der Frage, ob sich die Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien zur Vorschreibung und Einhebung der in Streit gezogenen Eingangsabgabenbeträge auf die generelle Bestimmung des § 4 Abs. 2 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1979, BGBl. Nr. 509/1979, in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung des BGBl. Nr. 418/1981, gründen könnte. Diese Frage vermag der Verwaltungsgerichtshof mangels jeglicher Feststellungen betreffend die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen den Beschwerdeführer oder gegen eine dritte Person (§ 82 Abs. 3 oder § 83 Abs. 3 FinStrG) abschließend nicht zu beurteilen. Diesbezügliche Hinweise auf die EINLEITUNG eines Finanzstrafverfahrens ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage oder aus der Gegenschrift.
In jedem Stadium des Verfahrens ist sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Abgabenbehörden von Amts wegen wahrzunehmen. Greift die im Berufungswege angerufene Abgabenbehörde zweiter Rechtsstufe (§ 74 BAO) die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, begründet dies eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, auch wenn dieser Umstand wie im Beschwerdefalle in der Berufung nicht geltend gemacht wurde. Da die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Behörde erster Rechtsstufe bei der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht wahrnahm, belastete sie ihren (in Beschwerde gezogenen) Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1984, Zl. 84/16/0023, Slg. Nr. 5893/F, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Somit war der erstangefochtene Bescheid schon aus dem dargestellten Grunde wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.
In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, die Gründe anzuführen (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG), auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, ergänzten Beschwerde führte der Beschwerdeführer lediglich aus, daß "die beiden anderen angefochtenen Bescheide ebenfalls rechtswidrig seien, weil sie vom erstgenannten Bescheid abhängen".
Eine Beschwerde kann nur auf Rechtsfehler und Verfahrensmängel gestützt werden, d.h. darauf, daß der angefochtene Bescheid ursächlich auf der Verletzung (Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung) von materiellem oder formellem Recht beruhe. Der in § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG normierte Begründungszwang ist ersichtlich darauf gerichtet, den Verwaltungsgerichtshof, der gemäß Art. 129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen ist, zu entlasten.
Die allein behauptete Abhängigkeit der beiden Bescheide vom erstgenannten Bescheid reicht für deren Aufhebung nicht aus, weil der das Leistungsgebot aussprechende Bescheid des Hauptzollamtes Wien nach wie vor dem Rechtsbestand angehört.
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung oder ein Ansuchen auf Zahlungserleichterung knüpft an einen richtigen oder unrichtigen, aber jedenfalls dem Rechtsbestand angehörigen Abgabenbescheid an. So gesehen hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, die bei ihr angefochtenen Bescheide des Hauptzollamtes Wien, mit denen der Aussetzungsantrag und das Ansuchen um Zahlungserleichterung abgewiesen worden waren, wegen Unzuständigkeit des genannten Hauptzollamtes aufzuheben.
Aus diesen Erwägungen erweist sich die gegen den zweit- und drittangefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.
Die Entscheidungen über den Anspruch auf Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil für die drei Ausfertigungen der Beschwerde und die Kopien der drei angefochtenen Bescheide nur insgesamt S 570,-- an Stempelgebühren zu entrichten waren.
Schlagworte
VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989160187.X00Im RIS seit
08.02.1990