TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/13 89/07/0173

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Veröffentlicht am 13.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §77 Abs3 liti;
WRG 1959 §78;
WRG 1959 §85;

Betreff

KT gegen Landeshauptmann von Burgenland vom 20. September 1989, Zl. VI/1-6253/19-1988, betreffend Rückstandsausweis einer Wassergenossenschaft (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft W)

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Im Rahmen der am 22. Februar 1986 stattgefundenen Genossenschaftsversammlung der eine Wasserversorgungsanlage betreibenden mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 21. Jänner 1964 betreffend die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung dieser Anlage) wurde beschlossen, für den behördlich vorgeschriebenen (vgl. den Bescheid der vorgenannten Behörde vom 14. Mai 1985) Einbau einer Ultraviolett-Entkeimungsanlage pro Hausanschluß einen (einmaligen) Betrag von S 2.500,-- einzuheben.

1.2. Da die nunmehrige Beschwerdeführerin - sie ist Mitglied der mitbeteiligten Wassergenossenschaft - den auch von ihr verlangten Errichtungsbeitrag nicht bezahlte, sah sich die Mitbeteiligte (in der Folge: mP) nach mehreren erfolglos gebliebenen Mahnungen zur Ausstellung des mit 9. Juni 1986 datierten vollstreckbaren Rückstandsausweises veranlaßt, aufgrund dessen sie beim zuständigen Bezirksgericht die Einleitung des Exekutionsverfahrens beantragte.

1.3. Gegen diesen Rückstandsausweis erhob die Beschwerdeführerin bei der mP mit Schriftsatz vom 10. April 1987 "ein Rechtsmittel" (von der Wasserrechtsbehörde in ihren Entscheidungen mit "Einspruch" bezeichnet), mit dem sie die Aufhebung des Rückstandsausweises, die Beseitigung der Vollstreckbarkeit sowie die Einstellung des Exekutionsverfahrens begehrte.

2. Mit Bescheid vom 1. März 1988 wies die Bezirkshauptmannschaft Oberwart (BH) den "Einspruch" der Beschwerdeführerin gemäß § 3 VVG 1950 in Verbindung mit § 85 Abs. 1 WRG 1959 als unbegründet ab.

3. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung vom 18. März 1988 wies der Landeshauptmann von Burgenland (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 20. September 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach zusammengefaßter Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes sowie des Berufungsvorbringens u.a. - nur soweit ist die Begründung für die Erledigung der Beschwerde bedeutsam - folgendes aus: Zur Frage der - in der Berufung angezweifelten - Zuständigkeit der BH sei auf § 85 Abs. 1 WRG 1959 in Verbindung mit § 77 Abs. 3 lit. i leg. cit. verwiesen. Die mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1956 genehmigten Satzungen der mP sähen im § 18 ein Verfahren zur Regelung von Streitigkeiten zwischen der Genossenschaft und Genossenschaftsmitgliedern vor, doch sei im vorliegenden Fall von dieser Regelung nicht Gebrauch gemacht und kein Schiedsgericht gebildet worden. Da somit die gegenständliche Angelegenheit nicht im Sinne der in den genehmigten Satzungen vorgesehenen Regelung "beigelegt wurde", sei die Zuständigkeit der BH gegeben. Diese entscheide in einem solchen Fall nicht als Berufungsbehörde nach dem Schiedsgericht, sondern als erste Instanz. Die Zuständigkeit der BH ergebe sich zudem daraus, daß kein Verfahren und auch kein Bescheid über die Rechtmäßigkeit des mit dem Rückstandsausweis der mP festgesetzten Betrages "durchgeführt worden ist". Da die Beschwerdeführerin aber einen Rechtsanspruch auf Prüfung des Rückstandsausweises habe und sie auch einen "Einspruch" gegen diesen erhoben habe, sei die BH zuständig gewesen, über die Einwendungen der Beschwerdeführerin zu entscheiden.

4. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht "auf Erhalt eines Bescheides, der den in den §§ 58 f AVG normierten Erfordernissen, nämlich inhaltlich und formrichtig zu sein, entspricht, sowie in ihrem Recht "auf Nichterlassung eines Bescheides (da die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Oberwart nicht gegeben ist)" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg hält die Beschwerde den bekämpften Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil die BH im vorliegenden Fall unzuständigerweise eingeschritten sei. Wenn nämlich keine Entscheidung des nach § 18 der Satzungen der mP eingerichteten Schiedsgerichtes ergangen sei, so sei die BH zur Erlassung des Bescheides vom 1. März 1988 nicht zuständig gewesen, da die Aufsichtsbehörde ihre Entscheidung erst nach Vorliegen einer Entscheidung der satzungsgemäß vorgesehenen Schlichtungsstelle treffen könne. Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

2.1. Gemäß § 85 Abs. 1 WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitigkeiten zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i beigelegt werden. Nach der zuletzt genannten Norm haben die Satzungen einer Wassergenossenschaft Bestimmungen zu enthalten über die Schlichtung der zwischen den Mitgliedern oder zwischen ihnen und der Genossenschaft aus dem Genossenschaftsverhältnis entstandenen Streitigkeiten.

2.2. Die mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1956 genehmigten Satzungen der mitbeteiligten Wassergenossenschaft sehen hinsichtlich der Streitschlichtung in ihrem § 18 folgendes vor:

"Über Streitigkeiten, welche aus dem Genossenschaftsverhältnis zwischen den Genossenschaftsmitgliedern untereinander oder mit dem Ausschuß entstehen, entscheidet endgültig und mit Ausschluß der ordentlichen Gerichte ein Schiedsgericht in allen jenen Fällen, welche nach dem Wasserrechtsgesetz in die Kompetenz der politischen Behörden gehören.

In das Schiedsgericht wählen die Parteien je einen Vertrauensmann und letztere einen Dritten zum Obmann. Der Schiedsspruch erfolgt mit Stimmenmehrheit. Die Kosten des Schiedsgerichtes trägt der verlierende Teil."

    Ungeachtet dessen, daß demnach die Satzung der mP

Vorschriften über die Schlichtung von zwischen der

Genossenschaft und ihren Mitgliedern entstehenden

Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis - zu solchen

Streitigkeiten sind zweifelsohne Differenzen hinsichtlich der

Umlegung von Herstellungskosten (vgl. § 78 WRG 1959) zu zählen

- enthält, wurde von ihnen nach der insoweit mit der Aktenlage

in Einklang stehenden Begründung des angefochtenen Bescheides

"nicht Gebrauch gemacht". Wenn aber - aus welchen Gründen immer

- von einer solchen in der Satzung vorgesehenen

Streitschlichtungs-Regelung nicht Gebrauch gemacht wird, so

mangelt es der Wasserrechtsbehörde an einer Zuständigkeit im

Sinne des § 85 Abs. 1 WRG 1959. Denn diese Bestimmung kann nach

der in dieser Hinsicht übereinstimmenden Judikatur des

Verfassungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 5. Oktober 1978,

Slg. 8402) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die

Erkenntnisse vom 11. Novem-

ber 1965, Zl. 1215/65, und vom 23. März 1988, Zl. 87/07/0030)

allein dahin verstanden werden, daß die Zuständigkeit der

Wasserrechtsbehörde an die Voraussetzung des Mißlingens der

Beilegung eines Streitfalles im Wege einer Schlichtung geknüpft

ist (vgl. VfSlg 8402: "... daß die Zuständigkeit der

Wasserrechtsbehörde ... erst und nur dann gegeben ist, wenn

eine vergebliche Schlichtung stattgefunden hat", und hg.

Erkenntnis Zl. 1215/65: "... daß eine Zuständigkeit der

Wasserrechtsbehörde ... nur dann gegeben ist, wenn das in der

Satzung vorgesehene Schlichtungsverfahren nicht zur Beilegung des Streites geführt hat."). Davon, daß eine Streitbeilegung im Wege der Schlichtung nicht gelungen ist, kann indes nur dann gesprochen werden, wenn ein darauf abzielender Versuch unternommen worden ist, also von der in einer genehmigten Satzung verankerten Streitschlichtungs-Regelung Gebrauch gemacht worden ist. Da dies, wie im Beschwerdefall festgestellt wurde, nicht geschehen ist, somit das Tatbestandsmoment der mißlungenen (vergeblichen) Schlichtung gar nicht vorliegen kann, war die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung nach § 85 Abs. 1 WRG 1959 nicht gegeben.

3. Da die im Instanzenzug angerufene belangte Behörde die Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen BH nicht erkannt und anstatt deren Bescheid vom 1. März 1988 ersatzlos aufzuheben die dagegen erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen hat, leidet dieser an inhaltlicher Rechtswidrigkeit; er war deshalb im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070173.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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