TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/20 89/11/0149

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 litf;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte

Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1989, Zl. MA 70-8/154/89, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1989 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 vorübergehend für die Dauer von drei Monaten (vom 25. November 1988 bis 25. Februar 1989) entzogen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im erstinstanzlichen Vorstellungsbescheid vom 27. Dezember 1988 wurde die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers damit begründet, er habe am 26. Oktober 1988 um 9.40 Uhr in Wien 19, Knoten Nord, "zwischen Heiligenstädterstraße und Höhe Nußdorfer Lände Richtung stadteinwärts" einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h gelenkt, somit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 80 km/h überschritten. Dies sei durch Nachfahren und Ablesen des geeichten Tachometers festgestellt worden. Wegen dieser Tat sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 13. Dezember 1988 gemäß § 99 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 52 Z. 10a StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden.

In seiner dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer das Ausmaß der ihm vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung und beantragte die Vernehmung des Meldungslegers, sowie die Anfertigung und Erläuterung einer Skizze durch diesen. Ferner behauptete er, daß er auf "dieser Stadtautobahn" völlig allein gefahren und kein Pkw in Sichtweite gewesen sei, sodaß weder von besonders gefährlichen Verhältnissen noch von einer besonders rücksichtslosen Verhaltensweise ausgegangen werden könne. Er sei seit 10 Jahren Kraftfahrer und "bisher noch kaum mit der Verwaltungsbehörde hinsichtlich Schnellfahrens konfrontiert" worden.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und verwies den Beschwerdeführer mit seinem Berufungsvorbringen auf die Strafverfügung vom 13. Dezember 1988, die in Rechtskraft erwachsen sei. Im Hinblick auf die Bindungswirkung dieser Strafverfügung habe die belangte Behörde davon ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer die dieser Bestrafung zugrunde liegende Tathandlung auch in dem im Spruch der Strafverfügung angeführten Ausmaß begangen habe. Deshalb seien auch die in der Berufung gestellten Beweisanträge abzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der Bindung an die Strafverfügung vom 13. Dezember 1988 ausgegangen sei. Diese Strafverfügung sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Das in dieser Verwaltungsstrafsache erlassene Straferkenntnis vom 10. Mai 1989 sei vielmehr vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochten worden.

Die belangte Behörde tritt der Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Strafverfügung vom 13. Dezember 1988 nicht in Rechtskraft erwachsen sei, nicht entgegen und geht daher auch nicht mehr von der Bindung an diese Strafverfügung aus. Sie meint aber, sie habe ihre Erwägungen, die zur Annahme von besonders gefährlichen Tatumständen geführt hätten, nachvollziehbar dargelegt und somit einer Überprüfung zugänglich gemacht.

Diese Auffassung der belangten Behörde kann nicht geteilt werden. Zum Unterschied von jenem Beschwerdefall, der mit dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 89/11/0061, entschieden wurde, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründete Feststellungen über das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht getroffen, sondern ist auf das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung unter ausdrücklichem Hinweis auf die von ihr angenommene Bindung an die Strafverfügung vom 13. Dezember 1988 nicht eingegangen.

Im Hinblick auf das Fehlen einer bindenden Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde über das Vorliegen einer Übertretung im Sinne des § 52 Z. 10a in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 und damit einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 hat die Kraftfahrbehörde selbständig zu prüfen, ob eine bestimmte Tatsache im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle vorliegt. Dazu bedarf es aber konkreter und begründeter Feststellungen über das Ausmaß der vom Beschwerdeführer begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung sowie die Straßen-, Sicht- und Verkehrsverhältnisse zur Tatzeit. Erst nach Durchführung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens kann die belangte Behörde beurteilen, ob eine bestimmte Tatsache vorliegt und auf Grund ihrer Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 - dabei wird auch zu beachten sein, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage unbescholten ist - auf eine Sinnesart des Beschwerdeführers im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 geschlossen werden durfte.

Im Gegensatz zu der von der belangten Behörde in ihrem Schriftsatz vom 3. Oktober 1989 geäußerten Auffassung war der Beschwerdeführer durch das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot nicht gehindert, das Fehlen einer bindenden Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde in der Beschwerde geltend zu machen, weil es sich bei der Frage, ob Bindung anzunehmen ist, um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt. Da die belangte Behörde diese Frage unrichtig gelöst und ausgehend von ihrer unrichtigen Beurteilung kein Ermittlungsverfahren betreffend die für die Entscheidung wesentlichen Umstände durchgeführt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens erfolgte, weil Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur für die Beschwerde gebührt und auch dies nur in Höhe des Pauschalbetrages von S 10.110,--, in dem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Schlagworte

Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110149.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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