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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
N gegen Bundesminister für Inneres vom 16. Mai 1989, Zl. 243.507/3-II/9/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. November 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.
In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde im wesentlichen fest, der Beschwerdeführer, ein ghanesischer Staatsangehöriger, sei am 3. August 1988 legal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 5. August 1988 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Der Beschwerdeführer habe am 17. August 1988 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich im wesentlichen angegeben, er sei im Jahre 1984 im Zuge von Ghanas "Farmer-Organisation" an Demonstrationen gegen die Regierung beteiligt gewesen. Es sei darum gegangen, daß die Regierung versprochene Futterimporte nicht getätigt habe und daher viele Haustiere verendet seien. Alle Demonstranten seien verhaftet und verwarnt worden. Sie hätten eine Erklärung unterschreiben müssen, nie wieder zu demonstrieren. Der "Hauptfluchtgrund" des Beschwerdeführers sei seine Zugehörigkeit zur "ODO-KVO-Gruppe" gewesen, einer Gruppierung der "Old Tafos", die für eine Zivilregierung kämpfe. Bei der Regierung handle es sich um eine Militärmacht, die eine sozialistisch-kommunistische Linie vertrete. Im selben Jahr sei der Beschwerdeführer erneut an Kampagnen der genannten Gruppe beteiligt gewesen. Die Regierung habe mit einer Verhaftungswelle reagiert und die Universitäten geschlossen. Die Familie des Beschwerdeführers habe ihm mitgeteilt, daß er von der Polizei gesucht werde. Auch auf der Zweitfarm des Beschwerdeführers sei er von der Polizei gesucht worden. Daraufhin sei er von Ghana ausgereist. Bei einer allfällige Rückkehr wäre der Beschwerdeführer wegen der Teilnahme an diesen Kampagnen der Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt.
Die Behörde erster Instanz sei zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zu gewärtigen hätte, weshalb er nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Begründungsmängel geltend gemacht. Weiters habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er habe erfahren, daß sein Haus von Angehörigen der politischen Partei "CCP" aufs schwerste beschädigt worden sei. Die Polizei sei nicht eingeschritten. Auch bei persönlichen Übergriffen politischer Gegner würde der Beschwerdeführer im Heimatstaat keinen Schutz genießen.
Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, angesichts der gegenwärtig in Ghana herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse könne der angeblichen Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung aus Konventionsgründen kein Glaube geschenkt werden. Die angebliche Verhaftung im Zuge einer Demonstration wegen Nichteinhaltung versprochener Futtermittel im Orte stelle keine Maßnahme dar, die aus einem Konventionsgrund erfolgt sei. Nach der Enthaftung des Beschwerdeführers sei kein Grund mehr zu sehen, ihn weiter zu verfolgen. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, er befürchte Verhaftung wegen der Teilnahme an weiteren Demonstrationen der bei seiner Vernehmung genannten Gruppe, führte die belangte Behörde aus, diese Angaben seien unglaubwürdig, weil es "amtsbekannt und evident" sei, daß es ihn Ghana keine "ODO-KVO-Gruppe" bzw. keine Gruppe "Old Tafos", die für eine Zivilregierung kämpfe, gebe. Die oppositionelle Gruppe des "Ghana Democratic Movement" sei nur in London etabliert. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers über die Beschädigung seines Hauses durch die politische Partei "CCP" sei unglaubwürdig, weil in Ghana die einzig zugelassene Partei PNDC (Provisional National Defence Council) sei. Ausgehend von diesen offenkundigen und amtsbekannten Fakten habe der Beschwerdeführer keine Konventionsgründe glaubhaft machen können. Das vom Beschwerdeführer angekündigte Schreiben sei nicht vorgelegt worden; es sei überdies zur Wahrheitsfindung entbehrlich. Im Reisepaß des Beschwerdeführers befinde sich ein Ausreisestempel seines Heimatlandes, woraus geschlossen werden könne, daß er in seiner Heimat nicht gesucht worden sei. Eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers wäre entbehrlich, weil er am 17. August 1988 bereits ausführlich befragt worden sei und auch in der Berufung Gelegenheit gehabt hätte, eventuelle Unklarheiten aufzuklären.
Da die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen unglaubwürdig seien, gehe die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung sein Heimatland verlassen habe. Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung zugestimmt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Punkt 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dies Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig abgetan, wobei sie von Tatsachen als amtsbekannt, evident oder offenkundig ausgegangen ist, die dem Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben worden waren. Die belangte Behörde hat damit den Grundsatz des Verwaltungsverfahrens, wonach der Partei zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens das rechtliche Gehör zu erteilen ist (§ 37 AVG 1950), verletzt, weil sie Ergebnisse ihrer Anfrage an das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten betreffend die Angaben des Beschwerdeführers diesem nicht zur Kenntnis gebracht hat. Die im angefochtenen Bescheid festgestellten Tatsachen können aber auch nicht als amtsbekannt oder offenkundig im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG 1950 angesehen werden. Dies deshalb, weil Tatsachen, die im Wege einer Anfrage an das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten erkundet werden, welches seinerseits erst Erkundigungen bei einem Vertrauensanwalt anstellen muß, nicht als offenkundig im Sinne des Gesetzes anzusehen sind.
Da dem angefochtenen Bescheid somit ein wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet und in Anbetracht des Beschwerdevorbringens nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, da die Umsatzsteuer durch den Pauchalbetrag abgegolten wird.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010361.X00Im RIS seit
20.02.1990