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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1986 §20 Abs1;Betreff
A gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 26. September 1989, Zl. Wa 91/1-1989, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 9. August 1989 wurde gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443 (WaffG), dem Beschwerdeführer die am 27. Juni 1975 ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der vom Waffengesetz geforderten periodischen Überprüfung der Verläßlichkeit der Waffenurkundeninhaber sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer im Strafregister der Bundespolizeidirektion Wien mit folgender rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilung vermerkt sei: LG für Strafsachen Graz vom 13. Juli 1987, rk. 2. September 1987, §§ 15, 269/1, 115/1 (117/2) 297/1 StGB, 100 Tagsätze je S 400,--. Die Verurteilung sei unter anderem auch wegen des Tatbestandes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt erfolgt. Der Tatbestand dieses Deliktes beinhalte die vorsätzliche Anwendung von Gewalt oder einer gefährlichen Drohung. Auf Grund dieses Tatbestandsmerkmales könne die Behörde berechtigterweise annehmen, daß der Beschwerdeführer auch Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde; die Verurteilung lasse den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer zu Aggressionshandlungen neige.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, die Behörde erster Instanz habe sich offensichtlich mit dem Gerichtsakt nicht auseinandergesetzt. Sie hätte erkennen müssen, daß die Verurteilung wohl nichts mit seiner Verläßlichkeit zu tun habe. Es sei nur deshalb zur Tathandlung gekommen, weil sich der damalige Meldungsleger "nicht geschickt" verhalten und den Vorfall durch seine Handlungsweise mehr oder minder provoziert habe. Außerdem spreche nichts Nachteiliges gegen den Beschwerdeführer. Die Situation, in die der Beschwerdeführer gekommen sei, habe nichts mit einer Charakterschwäche oder mit einem Mangel an Persönlichkeitsfindung zu tun.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz habe berechtigterweise die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers verneint, weil seine Verurteilung den Schluß zulasse, daß er zu Aggressionshandlungen neige. Ferner führte die belangte Behörde aus: "Dafür, ob eine Person als verläßlich angesehen werden kann, ist auf die Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit sowie auf konkrete Verhaltensweisen des Betroffenen Bedacht zu nehmen, die Schlüsse darauf zulassen, daß insbesondere eine leichtfertige Verwendung von Faustfeuerwaffen nach menschlicher Voraussicht ausgeschlossen werden kann. Die hier erforderliche Verhaltensprognose hat namentlich dann negativ auszufallen, wenn auch nur ein einziger Vorfall besonderer Umstände wegen den Schluß zu rechtfertigen geeignet ist, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine zureichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde." Der Beschwerdeführer meine in der Berufungsschrift, seine Verurteilung habe nichts mit seiner Verläßlichkeit zu tun, sondern der strafbare Tatbestand sei auf Grund einer ungeschickten Handlungsweise des Meldungslegers provoziert worden. Dem ist entgegenzuhalten, daß auch Tatsachen, die noch keinesfalls die Annahme der Unverläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 WaffG erfordern, ausreichen können, um einer Person die Verläßlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG abzusprechen. Der Beschwerdeführer sei wegen des gleichen Vorfalles von der Bundespolizeidirektion Graz am 15. Mai 1987 wegen Übertretungen nach § 1 LGBl. Nr. 158/1975 und Art. IX Abs. 1 Z. 1 und 2 EGVG mit einer Geldstrafe von S 4.000,-- bestraft worden. Der Beschwerdeführer habe am 14. Mai 1987 von 20.05 Uhr bis 20.10 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Graz durch den Gebrauch der Worte: "Was bilden Sie sich überhaupt ein? Sie Schwein Sie, Sie glauben, Sie können wohl alles machen, nur weil Sie ein weißes Kappel tragen" und durch Schlagen mit den Fäusten gegen den Oberkörper eines Exekutivbeamten, 1. den öffentlichen Anstand verletzt,
2. durch das Schreien der vorangeführten Worte störenden Lärm erregt, 3. durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentliche Orte gestört, 4. durch das Verhalten - ungeachtet vorausgegangener Abmahnung - gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, das sich in rechtmäßiger Ausübung seines Amtes befunden habe, sich ungestüm benommen. Der Beschwerdeführer habe auch die im § 21 WaffG vorgeschriebene Meldung der Verlegung seines Wohnsitzes der Behörde nicht erstattet. Er sei hiefür von der Bundespolizeidirektion Graz mit Strafverfügung vom 12. Jänner 1989 mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- bestraft worden. Bei der Handhabung des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 WaffG sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend des der Regelung innewohnenden Schutzzweckes nicht nur ein strenger Maßstab anzulegen, sondern es sei auch dann mit Entziehung vorzugehen, wenn im Einzelfall ein auch nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertige, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr, daß er in jedem Fall mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und sie sorgfältig verwahren werde. Sei ein solcher Schluß zu ziehen, so habe die Behörde die ausgestellte Urkunde zu entziehen; für eine Ermessensentscheidung bleibe kein Raum. Wie aus der Gesamtheit dieser Ausführungen hervorgehe, erscheine daher die Folgerung gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer nicht als verläßlich im Sinne des § 6 WaffG anzusehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht darauf verletzt, daß ihm seine Waffenbesitzkarte nicht entzogen wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Gemäß Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist eine Person als verläßlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge fassen muß, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist (vgl. für viele andere die Erkenntnisse vom 6. Mai 1947, Slg. N.F. Nr. 84/A, vom 8. Mai 1979, Zl. 3379/78, vom 9. September 1987, Zl. 87/01/0061 und vom 21. September 1988, Zl. 88/01/0130). Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist.
Ein solches Verhalten und eine daraus ableitbare Charaktereigenschaft, die die Verläßlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 1 WaffG nicht mehr als gegeben erscheinen läßt, hat die belangte Behörde aus der Tatsache der im Strafregister aufscheinenden und schon mehr als zwei Jahre zurückliegenden Verurteilung wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgestellt, wobei der Beschwerdeführer wegen des der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Vorfalles vom 14. Mai 1987 auch verwaltungsbehördlich bestraft worden ist. Daraus ergebe sich eine Neigung des Beschwerdeführers zu Aggressionshandlungen.
Der Beschwerdeführer bekämpft diese Begründung, weil die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers vor und nach diesem Vorfall unberücksichtigt gelassen habe.
Wenn auch ein einziger Vorfall besonderer Umstände wegen den Schluß rechtfertigen kann, daß die waffenrechtliche Verläßlichkeit nicht mehr gegeben ist, so bedarf es in einem solchen Fall der Darlegung jener besonderen Umstände. Gerade dies fehlt im angefochtenen Bescheid. Um insbesondere zu dem Schluß zu gelangen, der Beschwerdeführer neige zu Aggressionshandlungen und sei daher nicht mehr verläßlich im Sinne des Waffengesetzes, hätte es dafür konkreter Tatsachenfeststellungen aus dem strafgerichtlichen Verfahren zur Beurteilung der für die waffenrechtliche Verläßlichkeit maßgeblichen gesamten Geisteshaltung und Sinnesart des Beschwerdeführers bedurft (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. März 1989, Zl. 87/01/0177), zumal die strafgerichtliche Verurteilung nur wegen Versuches (§ 15 StGB) erfolgt ist.
Da der Sachverhalt sohin ergänzungsbedürftig geblieben ist und nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG belastet. Dies muß im vorliegenden Fall deshalb zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die übrigen Begründungselemente den angefochtenen Bescheid für sich allein nicht zu tragen vermögen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010414.X00Im RIS seit
25.04.2001Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018