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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §21;Betreff
N gegen Wiener Landesregierung vom 31. Juli 1989, Zl. MA 70-10/920/89/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 31. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer der Übertretungen nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und § 8 Abs. 4 leg. cit. schuldig erkannt und hiefür bestraft; es wurden ihm auch gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 240,-- und S 160,-- auferlegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides einleitend davon ausgegangen, daß die (am 11. Mai 1989 zur Post gegebene) Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 10. November 1988 im Hinblick auf eine erst am 27. April 1989 (in seiner Kanzlei) erfolgte rechtswirksame Zustellung rechtzeitig eingebracht worden sei. Dabei vertrat sie die Auffassung, daß § 13 Abs. 4 Zustellgesetz nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch dann zum Tragen komme, wenn Empfänger eines zuzustellenden Schriftstückes der Rechtsanwalt persönlich und nicht in seiner Eigenschaft als Parteienvertreter sei.
Diese Rechtsansicht trifft nur insofern zu, als der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat, daß § 13 Abs. 4 Zustellgesetz auch dann Anwendung finde, wenn einem Rechtsanwalt ein an ihn persönlich (und nicht als Parteienvertreter) gerichtetes Schriftstück in seiner Kanzlei zugestellt werde, weshalb es dort auch (selbst bei eigenhändigen Zustellungen) an seinen Angestellten zugestellt werden dürfe (vgl. das Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 88/03/0137, und den Beschluß vom 19. April 1989, Zl. 89/02/0018). Dies schließe aber nicht aus, daß auch die Wohnung des Rechtsanwaltes (ebenso wie seine Kanzlei) gemäß § 4 Zustellgesetz Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes sei und daher an ihn auch dort rechtswirksam zugestellt werden könne. Diese Ansicht hat auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1989, Zl. 88/02/0192, ihren entsprechenden Niederschlag gefunden. Auf dem Boden dieser Rechtslage in Verbindung mit der unbedenklichen Aktenlage, gegen deren Richtigkeit sich der Beschwerdeführer im übrigen trotz gebotener Gelegenheit nicht gewandt hat, ist aber das genannte Straferkenntnis an den Beschwerdeführer bereits am 16. November 1988 im Wege der Hinterlegung (nach zwei vergeblichen Zustellversuchen in seiner Wohnung) rechtswirksam zugestellt worden. Dies bedeutet, daß die belangte Behörde auf diesen Umstand hätte Bedacht nehmen und daher die Berufung wegen Verspätung hätte zurückweisen müssen anstatt (im Sinne einer Abweisung) über sie meritorisch zu entscheiden. Der gegenteiligen Auffassung der belangten Behörde, welche über Vorhalt dieser Sach- und Rechtslage in ihrer schriftlichen Äußerung vom 17. Jänner 1990 den Standpunkt eingenommen hat, daß § 13 Abs. 4 Zustellgesetz (auch in Ansehung der an einen Rechtsanwalt persönlich gerichteten Schriftstücke) die Anwendung des § 4 leg. cit. ausschließe, sodaß in diesen Fällen die Kanzlei einer solchen Person der "einzige Ort" sei, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden dürfe, kann nicht beigepflichtet werden, wäre doch kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür zu erkennen, daß der Gesetzgeber auch diesbezüglich eine Ausnahmeregelung treffen und damit die Möglichkeit der Zustellung an eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person in eigener Sache an eine andere der im § 4 Zustellgesetz genannten Abgabestellen (als die Kanzlei) ausschließen wollte.
Die aufgezeigte objektive Rechtswidrigkeit hätte allerdings für sich allein noch keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers bewirkt. Die belangte Behörde hat aber darüber hinaus dem Beschwerdeführer die Bezahlung der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Damit hat sie den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, da sie ihm bei gesetzmäßiger Vorgangsweise keine Kosten für das Berufungsverfahren hätte auferlegen dürfen, zumal es sich bei einer Zurückweisung der Berufung um keine "Bestätigung" eines Straferkenntnisses im Sinne des § 64 Abs. 1 VStG 1950 gehandelt hätte. Die belangte Behörde hat damit den angefochtenen Bescheid nicht nur hinsichtlich des Kostenausspruches, sondern im Hinblick darauf, daß dieser die "Bestätigung" des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Voraussetzung hatte, diese "Bestätigung" aber rechtsirrig war, insgesamt mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1981, Zl. 03/0641/80, und vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0125).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989020161.X00Im RIS seit
12.06.2001