TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/21 89/02/0187

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Veröffentlicht am 21.02.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §23 Abs6 idF 1983/174;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

Betreff

N gegen Wiener Landesregierung vom 19. September 1989, Zl. MA 70-9/994/88/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. September 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 23 Abs. 6 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 23. April 1988 um 2.00 Uhr in Wien 4, Rechte Wienzeile 25-27, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger ohne ziehendes Fahrzeug "nicht nur während des Beladens od. Entladens auf der Fahrbahn stehengelassen" habe, "obwohl nach einer Ladetätigkeit sofort hätte entfernt werden können, das Entfernen keine unbillige Wirtschaftserschwernis gewesen wäre und keine sonstigen wichtigen Gründe für das Stehenlassen vorlagen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960, in der Fassung der 10. Novelle BGBl. Nr. 174/1983, dürfen u.a. Anhänger ohne Zugfahrzeug nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehengelassen werden, es sei denn, die genannten Fahrzeuge und Behälter können nach der Ladetätigkeit nicht sofort entfernt werden, das Entfernen wäre eine unbillige Wirtschaftserschwernis oder es liegen sonstige wichtige Gründe für das Stehenlassen vor.

Der Beschwerdeführer bestreitet ausdrücklich die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, er habe zur Tatzeit am Tatort den betreffenden Anhänger ohne Zugfahrzeug stehengelassen. Damit bekämpft er die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die aber nur einer eingeschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof dahingehend unterliegt, ob der Sachverhalt genügend ermittelt worden ist und ob die hiebei angestellten Erwägungen der Behörde schlüssig sind (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Diesbezüglich enthält aber die Beschwerde kein geeignetes Vorbringen, und auch der Verwaltungsgerichtshof vermag angesichts der eindeutigen und von der belangten Behörde entsprechend gewürdigten Zeugenaussagen des Meldungslegers und eines weiteren Polizeibeamten von sich aus einen insofern der belangten Behörde unterlaufenen Mangel nicht zu erkennen. Sollte dieser Behauptung des Beschwerdeführers die Rechtsansicht zugrunde liegen, daß von einem Stehenlassen des Anhängers "ohne Zugfahrzeug" auch dann nicht gesprochen werden könne, wenn beide Fahrzeuge (ohne technische Verbindung zueinander) nebeneinander stehen, so befände er sich - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem denselben Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 24. September 1987, Zl. 87/02/0018, dargelegt hat - in einem Rechtsirrtum. Ginge man im übrigen nicht von der Annahme aus, der Anhänger sei (in dem vom Verwaltungsgerichtshof als richtig erachteten Sinne) "ohne Zugfahrzeug" abgestellt gewesen, so wäre das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, mit dem er das Stehenlassen des Anhängers wegen Vorliegens eines der im § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 genannten Ausnahmegründe zu rechtfertigen versucht, damit nicht in Einklang zu bringen.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, zur Tatzeit den Anhänger oder das Zugfahrzeug (vgl. dazu das ebenfalls denselben Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0055) be- oder entladen zu haben. Seine (schon im Verwaltungsstrafverfahren gegebene) Verantwortung läßt sich aber im wesentlichen dahin zusammenfassen, daß er im Bereich des Tatortes ein Geschäft betreibe, es ihm infolge "Parkplatzschwierigkeiten" vor seinem Geschäft nicht möglich sei, "während der Woche" eine Ladetätigkeit durchzuführen, er das Zugfahrzeug "gemeinsam mit dem Anhänger" am 22. April 1988 um 12.15 Uhr am Tatort abgestellt habe, wobei "ein Zugfahrzeug mit angekoppelten Anhänger nicht abgestellt werden kann", weil dort eine Schrägparkzone bestehe und, wenn man sich an diese halte, "der Anhänger in den fließenden Verkehr der stark befahrenen Rechten Wienzeile hineinragen würde", er auch tatsächlich am 23. April 1988 um 8.30 Uhr eine Ladetätigkeit durchgeführt habe, "um geladene Gegenstände liefern zu können", und er dementsprechend zu diesem Zeitpunkt (bis 9.30 Uhr desselben Tages) das Zugfahrzeug "gemeinsam mit dem Anhänger" vom Tatort entfernt habe. Auf dem Boden dieses Sachverhaltes macht er in rechtlicher Hinsicht geltend, daß eine unbillige Wirtschaftserschwernis sowie ein anderer wichtiger Grund im Sinne des § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 vorgelegen seien.

Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht näher auseinandergesetzt. Sie vertrat den Standpunkt, daß vom Vorliegen dieser Ausnahmegründe nicht ausgegangen werden könne, und nahm dabei insbesondere auf das bereits erwähnte Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0055, Bezug, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht habe, daß Parkplatzschwierigkeiten keinesfalls einen wichtigen Grund im Sinne des § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 darstellten. Dem ist entgegenzuhalten, daß in diesem Erkenntnis vielmehr gesagt wurde, die belangte Behörde hätte sich auch veranlaßt sehen müssen, den Teil der Verantwortung des Beschwerdeführers, der sich auf Parkplatzschwierigkeiten vor seinem Geschäft beziehe, in ihre Überlegungen miteinzubeziehen, weil die Möglichkeit des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne dieser Gesetzesstelle, der den Beschwerdeführer zum Stehenlassen seines Anhängers berechtigt hätte, nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne; es kam daher hinsichtlich dieser Übertretung aus diesem Grunde zur Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In dem weiteren Erkenntnis vom 24. September 1987, Zl. 87/02/0018, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß der Beschwerdeführer (diesmal) überhaupt nicht behauptet habe, daß das Abstellen in irgendeinem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Ladetätigkeit (siehe dazu § 62 StVO 1960) gestanden sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei jedenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" im Sinne des § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 anzunehmen. Ein solcher könne - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - für sich allein nicht in dem von ihm ins Treffen geführten Umstand, daß am Tatort eine Schrägparkzone bestanden habe, erblickt werden. Richtig sei wohl, daß der Beschwerdeführer beim Aufstellen des Anhängers (auch) auf die Bestimmungen über das Halten und Parken Bedacht zu nehmen gehabt habe (siehe § 23 Abs. 6 zweiter Satz in Verbindung mit den §§ 9 Abs. 7 und 23 Abs. 1 StVO 1960) und es ihm demnach verwehrt gewesen sei, "das Zugfahrzeug verbunden mit dem Anhänger" in der Schrägparkzone abzustellen. Diese vom Beschwerdeführer anzustellenden Erwägungen, die nur zur Folge hätten haben können, ihn zur Beachtung dieser Vorschriften zu veranlassen, hätten ihn aber keineswegs berechtigt, ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Anhänger ohne Zugfahrzeug stehen zu lassen. Seinem zusätzlichen Hinweis auf "Parkplatzschwierigkeiten" vor seinem Geschäft könne schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil es der Beschwerdeführer verabsäumt habe, Gründe anzugeben, die ein Stehenlassen des Anhängers vor seinem Geschäft zur Tatzeit erforderlich gemacht hätten. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 25. September 1986 nicht zum Ausdruck gebracht, daß Parkplatzschwierigkeiten jedenfalls einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 darstellten. Dies hatte die Abweisung jener Beschwerde zur Folge.

Die belangte Behörde hat übersehen, daß sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Beschwerdefall nicht mit dem Hinweis auf Parkplatzschwierigkeiten und das Vorhandensein einer Schrägparkzone vor seinem Geschäft begnügt, sondern zusätzlich die Behauptung aufgestellt hat, daß der Anhänger zur Tatzeit am Tatort zum Zwecke einer von ihm beabsichtigten Ladetätigkeit abgestellt gewesen sei. War die Fahrbahn vor dem Geschäft des Beschwerdeführers durch andere Fahrzeuge zur Gänze verparkt, so war ein Abstellen des Anhängers dort überhaupt unmöglich; fand er dort eine Parkmöglichkeit vor, so kam ein Abstellen des Anhängers mit dem Zugfahrzeug (im dargestellten Sinne), ohne gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften zu verstoßen, nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer war daher, um eine Ladetätigkeit vor seinem Geschäft durchführen zu können, genötigt, den Anhänger am Tatort ohne Zugfahrzeug abzustellen. Dabei ist unter dem Gesichtspunkt, daß damit keine unbillige Wirtschaftserschwernis verbunden sein dürfe, grundsätzlich - und zwar auch dann, wenn für diesen Bereich keine Ladezone im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. c StVO 1960 verordnet wurde - davon auszugehen, daß es gestattet ist, eine Ladetätigkeit in unmittelbarer Nähe des betreffenden Geschäftes oder sonstigen Objektes, auf das sich der Ladevorgang erstreckt, vorzunehmen, sowie darauf hinzuweisen, daß nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß es dem Beschwerdeführer nach Art und Umfang seiner Ladetätigkeit konkret möglich und zumutbar gewesen wäre, den Anhänger "mit Zugfahrzeug" an einem anderen, entfernteren Ort, wo dies (tatsächlich und rechtlich) möglich gewesen wäre, abzustellen, und auch die belangte Behörde diesbezüglich keine Feststellungen getroffen hat. Die Beantwortung der Frage, ob sich der Beschwerdeführer rechtmäßig verhalten hat, obwohl er (nach seiner Behauptung) den Anhänger am Tatort bereits am 22. April 1988 um 12.15 Uhr abgestellt und erst am nächsten Tag (einem Samstag) um 8.30 Uhr eine Ladetätigkeit ausgeübt und den Anhänger wieder entfernt hat, ist für den vorliegenden Beschwerdefall ohne Belang, weil sich der Tatvorwurf, der Beschwerdeführer habe der Bestimmung des § 23 Abs. 6 StVO 1960 zuwidergehandelt, auf die Tatzeit, nämlich den 23. April 1988 um 2.00 Uhr, beschränkt. Ist aber der Anhänger zu diesem Zeitpunkt am Tatort zum Zwecke der Ladetätigkeit "stehengelassen" gewesen, so spielt es keine Rolle, ob er rechtens vorher erst später abzustellen oder nachher (nach Vornahme einer Ladetätigkeit) bereits früher zu entfernen gewesen wäre. Entscheidend ist, ob ZUR TATZEIT ein "wichtiger Grund" im Sinne des § 23 Abs. 6 erster Satz StVO 1960 für das "Stehenlassen" des Anhängers vorlag, was aber bei Zutreffen der vom Beschwerdeführer behaupteten örtlichen Verhältnisse am Tatort, die es demnach erforderlich gemacht hätten, den Anhänger jedenfalls schon zur Tatzeit dort "stehenzulassen", um am selben Tag während der Geschäftszeit eine Ladetätigkeit durchführen zu können, der Fall wäre. Die belangte Behörde hat daher offensichtlich die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989020187.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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