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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1979 §114;Betreff
N gegen Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 8. Mai 1989, Zl. 27/11-DOK/89, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seit 1981 bis zu seiner 1983 erfolgten Suspendierung leitete er das Postamt
L.
Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission erster Instanz vom 24. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe
1.
in der Zeit Jänner 1981 bis einschließlich Jänner 1983 Arbeitseinheiten des genannten Postamtes in den von ihm zu erstellenden - für die Personalbedarfsermittlung wesentlichen Arbeitsausweis - bewußt verfälscht eingetragen, um den Personalstand des Amtes trotz Zurückgehen der Arbeitseinheiten zu halten. Durch die Höhe der zuviel ermittelten Arbeitseinheiten von 11.287 im Jahr 1981 und 13.006 im Jahre 1982 sei 1981 eine Personalstandsüberschreitung von 17,23 Normalwochenstunden und 1982 von 19,86 Normalwochenstunden verursacht worden;
nach den Sachverhaltsfeststellungen des Oberlandesgerichtes Linz im Urteil vom 24. Mai 1988 habe der Beschwerdeführer ca. 10.000 Arbeitseinheiten verfälscht;
2.
insgesamt 527 Überstunden aus dem nicht gegebenen Titel des Personalunterstandes beantragt und verrechnet, obwohl er nie Tätigkeiten eines anderen Arbeitsplatzes wahrgenommen oder mitbesorgt habe, eine allfällige Mehrbelastung durch Amtsverwaltungsgeschäfte aber durch sein Amtsvorstandspauschale abgedeckt gewesen sei;
3.
trotz der bereits am 3. Februar 1983 durch den Postinspektionsbeamten erfolgten Beanstandung der falschen Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitseinheiten, der Weisung, Aufzeichnungen nach den tatsächlich anfallenden Arbeitseinheiten und nach den Vollzugsbestimmungen vorzunehmen, weiterhin falsche Aufzeichnungen getätigt.
Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen die in den §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 normierten allgemeinen Dienstpflichten, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe, sowie seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt sei, zu befolgen, verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Über ihn wurde gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von vier Monatsbezügen verhängt.
Soweit dies für den Beschwerdefall wesentlich ist, stützte die Disziplinarbehörde erster Instanz ihr Erkenntnis auf folgendes strafgerichtliche Urteil (Landesgericht Salzburg, vom 15. Oktober 1987):
"Der Beschwerdeführer wird von dem wider ihn erhobenen Strafantrag, ER HABE in der Zeit von Jänner 1981 bis Jänner 1983 in L als Vorsteher des Postamtes L FALSCHE BEWEISMITTEL mit dem Vorsatz HERGESTELLT, daß die Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren, nämlich im Rahmen der Dienstaufsicht durch die Post- und Telegrafendirektion Salzburg bzw. im Verfahren zur Feststellung des Personalbedarfes durch die Systemisierungsabteilung der Post- und Telegrafendirektion für Oberösterreich und Salzburg, in Linz, gebraucht werden, indem er die Aufzeichnungen der einzelnen Postbediensteten des Postamtes L über sämtliche verzeichnungspflichtige Leistungen in die von ihm geführten Hilfsstatistiken falsch übertrug und teilweise auch den ihm untergebenen Bediensteten den Auftrag erteilte, überhöhte Aufzeichnungen zu führen, wobei die falschen Aufzeichnungen mit seinem Einverständnis ihren Niederschlag in die vom Stellvertreter des Postamtes L zu führenden Arbeitsausweise gefunden haben und wobei die Arbeitseinheiten hinsichtlich der Positionen 1, 3 a, 6, 8 a, des Arbeitsausweises um die erhebliche (im einzelnen nicht mehr genau feststellbare) Zahl von zirka 10.000 Arbeitseinheiten zwischen Jänner 1981 und 1983 überhöht und somit verfälscht wurden,
und er habe hiedurch das VERGEHEN DER FÄLSCHUNG EINES BEWEISMITTELS nach dem § 293 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO
freigesprochen."
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 24. Mai 1988 nicht Folge gegeben. Das Berufungsbegehren scheiterte im wesentlichen daran, daß die bezeichneten Beweismittel nicht dazu ausersehen waren, in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren im Sinne des 293 StGB verwendet zu werden.
In der vom Beschwerdeführer gegen das Disziplinarerkenntnis erhobenen Berufung beantragte er Aufhebung und Einstellung, in eventu Abänderung dahin, daß gemäß § 115 BDG 1979 von einer Strafe abgesehen oder in eventu eine Geldstrafe von höchstens einem Monatsbezug verhängt werde. Zur Begründung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß dem Verhandlungsbeschluß ein anderer Sachverhalt als dem Einleitungsbeschluß zugrundegelegt worden sei. Auch im gerichtlichen Strafverfahren sei es primär um Mißbrauch der Amtsgewalt gegangen. Dieser Strafvorwurf sei jedoch durch die Modifikation der Anklage zurückgenommen worden, woraus folge, daß der seinerzeitige Einleitungsbeschluß nicht mit dem Verhandlungsbeschluß übereinstimme. Weiters wandte sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen die Senatsbesetzung und machte Befangenheit geltend. Hinsichtlich der Einrede der Verjährung vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, daß sämtliche wie immer gearteten Verjährungsfristen spätestens bei der Inspektion vom 3. Februar 1983 zu laufen begonnen hätten, was übrigens auch im angefochtenen Bescheid eingeräumt werde. Die Sechsmonatsfrist des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 habe also jedenfalls am 3. Au- gust 1983 geendet. Der Einleitungsbeschluß sei jedoch erst am 5. September 1983 gefaßt worden. Wenn diesen Ausführungen entgegengehalten worden sei, daß der Lauf dieser Frist durch Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 25. Mai 1983 über die Einleitung der Voruntersuchung gehemmt worden sei, hätte dies nur bedeutet, daß die Frist nach Wegfall der Hemmung wieder neu zu laufen bzw. bezüglich ihres Restes abzulaufen begonnen hätte. Das gegenständliche Disziplinarverfahren sei aber auch nach Wegfall der angeblichen Hemmung nicht gehörig fortgesetzt worden. Der Wegfall der Hemmung sei zweifellos entweder bereits mit der Modifikation der Anklage von ursprünglich § 302 Abs. 1 StGB auf schließlich § 293 Abs. 1 StGB im Jahr 1987, spätestens jedoch mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. Mai 1988 anzunehmen gewesen. Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer in seiner Berufung weiters vor, daß es dem erstinstanzlichen Bescheid an einer ordnungsgemäßen Sachverhaltsfeststellung und Begründung mangle, weil die Disziplinarbehörde ausdrücklich nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen eines Strafgerichtes gebunden sei und keine Bindung an die Urteilsgründe bestehe, abgesehen davon, daß die Sachverhaltsfeststellung auch der Begründung des genannten Urteiles des Landesgerichtes Salzburg nicht entspreche. Der Spruch des genannten Urteiles, an den allein die Disziplinarbehörde gebunden gewesen wäre, laute so, daß daraus nicht der von der Disziplinarbehörde festgestellte Sachverhalt begründet werden könne.
Dieser Berufung gab die belangte Behörde insoferne Folge, als sie das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis dahingehend abänderte, daß der Beschwerdeführer von den (- vorher wiedergegebenen -) Anschuldigungspunkten 2 (Überstundenverrechnung) und 3 (weisungswidriges Verhalten) freigesprochen und über ihn als Disziplinarstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 lediglich eine Geldstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage (S 31.067,--) verhängt wurde. Die Abstattung der Geldstrafe wurde in 24 Monatsraten bewilligt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Punkt 1 des erstinstanzlichen Schuldspruches aus:
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Disziplinarkommission habe kein Beweisverfahren durchgeführt und sich diesbezüglich auf die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichtes berufen, obwohl die in dem Gerichtsurteil enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen nicht mit dem angefochtenen Erkenntnis übereinstimmen würden, sei die Feststellung zu treffen gewesen, daß das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Oktober 1987 sehr wohl eine Aussage zu dem dem Beschuldigten nunmehr im Disziplinarerkenntnis angelasteten Sachverhalt getroffen habe. Das Beweisverfahren habe nämlich ergeben, daß der Beschwerdeführer bewußt die im Urteilsspruch genannten Verfälschungen von Hilfsstatistiken durchgeführt habe. Das Strafgericht habe diese Ausführungen auf das zweimalige Geständnis des Beschwerdeführers, auf die glaubwürdige Aussage von namentlich genannten Zeugen sowie auf die Erhebungen der Inspektionsbeamten gestützt. Hinsichtlich der gerügten Ermittlung der Zahl der Arbeitseinheiten sei dem Urteil zu entnehmen, daß das Gericht nicht in der Lage gewesen sei, die im Strafantrag angeführte Zahl mit 17.587 anzunehmen, sondern daß deren Zahl mit ca. 10.000 als erwiesen erschienen sei. Das angefochtene Urteil des Landesgerichtes Salzburg sei zwar nicht in Rechtskraft erwachsen, zumal es seitens der Staatsanwaltschaft mit Berufung wegen Nichtigkeit angefochten worden sei; da aber das Oberlandesgericht Linz der Berufung keine Folge gegeben habe, sei davon auszugehen gewesen, daß dieses Gericht mit seinem Urteil vom 24. Mai 1988 der Erstinstanz beigetreten sei, sodaß deren Erwägungen weiterhin Geltung gehabt hätten.
Ausgehend vom § 95 Abs. 2 BDG 1979 bedeute dies für das Disziplinarverfahren, daß die Disziplinarbehörde an die dem rechtskräftigen Spruch des Strafgerichtes zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen gebunden sei. Da das Strafgericht das dem Beschuldigten angelastete Verhalten, welches nunmehr Gegenstand des Disziplinarverfahrens sei, als erwiesen angenommen habe, sei es der Disziplinarbehörde verwehrt, eine Prüfung dieses Sachverhaltes von sich aus durchzuführen. Die Disziplinarbehörde erster Instanz habe somit zu Recht angenommen, daß der dem Beschwerdeführer im Anschuldigungspunkt 1 zur Last gelegte Sachverhalt, wonach er 10.000 Arbeitseinheiten verfälscht habe, durch die Feststellungen des Strafgerichtes erwiesen sei. Wenn der Beschwerdeführer hiezu eingewendet habe, daß die Bindung an ein freisprechendes Urteil gemäß § 95 Abs. 2 letzter Satz BDG 1979 nur zur Folge haben könnte, daß auch das Disziplinarverfahren mit einem Freispruch zu beenden wäre, so sei dem entgegenzuhalten, daß das Strafgericht nicht etwa deshalb zu dem angeführten Ergebnis gelangt sei, weil der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat nicht begangen hätte oder weil diese mangels ausreichender Beweise nicht erweisbar gewesen wäre, sondern weil der Beschwerdeführer allein aus rechtlichen Gründen den Tatbestand des § 293 StGB nicht verwirklicht habe. Wenn auch die Subsumtion des Verhaltens des Beschwerdeführers unter einen strafgesetzlichen Tatbestand gescheitert sei, so besage dies nicht, daß er hiedurch nicht gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen hätte.
Was die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Einleitungsbeschluß und Verhandlungsbeschluß betreffe, so verkenne er hiebei einerseits die Bedeutung des Einleitungsbeschlusses, die darin gelegen sei, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, anderseits aber auch die Bedeutung des Verhandlungsbeschlusses, in dem die einzelnen Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen seien. Wie aus dem im gegenständlichen Verfahren ergangenen Einleitungsbeschluß vom 5. September 1983 ersichtlich sei, seien dem Beschwerdeführer hierin vier disziplinär- relevante Sachverhalte zur Last gelegt worden, die infolge des damaligen Erhebungsstandes noch nicht in jeder Einzelheit näher konkretisiert, doch ausreichend umschrieben gewesen seien, um dem Beschwerdeführer Klarheit darüber zu verschaffen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzungen ein Verfahren eingeleitet worden sei. Der Verhandlungsbeschluß vom 25. Oktober 1988 konkretisiere diese Sachverhalte auf Grund des zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens, wobei jedoch keine neuen Anschuldigungen hinzugefügt oder die bisherigen verändert worden seien, sondern sogar von einem Anschuldigungspunkt Abstand genommen worden sei.
Dann setzte sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Frage der Befangenheit des Disziplinarsenates erster Instanz auseinander.
Hinsichtlich der Einrede der Verjährung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Disziplinarbehörde habe mit dem Beginn der Erhebungen durch den Inspektionsbeamten am 3. Februar 1983 Kenntnis von den Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers erlangt. Der Einleitungsbeschluß sei am 5. September 1983 ergangen. Zwischenzeitlich sei der Lauf der sechsmonatigen Frist nach § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 durch den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Mai 1983 auf Einleitung der Voruntersuchung wegen § 302, 153 StGB gehemmt worden. Der Einleitungsbeschluß sei damit rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist ergangen. Zum Faktum 1 sei daher die Feststellung zu treffen, daß einerseits der dem Beschwerdeführer angelastete Sachverhalt als erwiesen anzusehen sei und daß anderseits auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften festzustellen gewesen sei, die eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in diesem Anschuldigungspunkt gerechtfertigt hätte.
Zu den Punkten 2 und 3 des erstinstanzlichen Schuldspruches anerkannte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß hinsichtlich dieser beiden Anschuldigungspunkte Verjährung eingetreten sei. Anders als im Punkt 1 sei nämlich der diesen disziplinären Vorwürfen zugrunde liegende Sachverhalt nicht Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens gewesen.
In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde eingehend mit der Frage der gemilderten Strafe unter Darlegung der Schwere der Dienstpflichtverletzung sowie der Erschwerungs- und Milderungsgründe und der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sowie seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auseinander. Hinsichtlich des Antrages auf Nachzahlung der während der Dauer der Suspendierung einbehaltenen Bezugsteile wird der Beschwerdeführer in der Begründung des angefochtenen Bescheides schließlich mangels Zuständigkeit der belangten Behörde an die Dienstbehörde verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Aufhebung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Gemäß Abs. 2 Z. 1 der genannten Bestimmung wird der Lauf der im Abs. 1 genannten Fristen für die Dauer eines strafgerichtlichen Verfahrens, wenn der der Dienstpflichtverletzung zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand eines solchen Verfahrens ist, gehemmt.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß die Verjährungsfrist mit 3. Februar 1983 zu laufen begonnen habe und der Einleitungsbeschluß erst am 5. September 1983, und damit erst nach Ablaufen der Sechsmonatsfrist ergangen sei. Selbst wenn der Lauf der Frist durch den Beschluß des Landesgerichtes Salzbug vom 25. Mai 1983 über die Einleitung der Voruntersuchung gehemmt worden sei, wäre das Disziplinarverfahren nach Wegfall der Hemmung, nämlich entweder mit Modifikation der seinerzeitigen Anklage von ursprünglich § 302 Abs. 1 StGB auf § 293 Abs. 1 StGB im Jahre 1987 oder mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. Mai 1988, zugestellt am 19. Juli 1988, umgehend fortzusetzen gewesen. Jedenfalls sei die Sechsmonatsfrist zum Zeitpunkt der Fassung des Verhandlungsbeschlusses am 25. Oktober 1988 längst abgelaufen gewesen.
Im Beschwerdefall ist in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers davon auszugehen, daß die Disziplinarbehörde am 3. Februar 1983 von dem Verhalten des Beschwerdeführers, das den Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung nahegelegt hat, Kenntnis erlangt hat. Um den Eintritt der Verfolgungsverjährung hintanzuhalten, muß der EINLEITUNGSBESCHLUSS gegen den Beschuldigten spätestens sechs Monate nach "Kenntnis" erlassen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. September 1988, Zl. 88/09/0064, und die dort weiters angegebene Rechtsprechung), außer es liegt ein Fall der Hemmung im Sinne des § 94 Abs. 2 BDG 1979 vor. Der zuletzt genannten Regelung darf nicht der Sinn gegeben werden, daß für die Dauer eines strafgerichtlichen Verfahrens der Disziplinarbehörde die Zuständigkeit zur Erlassung eines Einleitungsbeschlusses entzogen wäre, sondern lediglich, daß der Ablauf der FRIST gehemmt ist. Dieser Auslegung kann auch nicht § 114 BDG 1979 entgegengehalten werden, weil die dort vorgesehene Unterbrechung des Disziplinarverfahrens die Anhängigkeit des Disziplinarverfahrens voraussetzt, die aber im Beschwerdefall nicht gegeben war.
Die Frage des Zeitpunktes, ab dem von der Anhängigkeit eines strafgerichtlichen Verfahrens gesprochen werden kann, ist von der Disziplinarbehörde mit der Einleitung der VORUNTERSUCHUNG am 27. Mai 1983 keinesfalls zu früh gelöst bzw. angenommen worden. Zu Recht vertritt vielmehr die belangte Behörde die Auffassung, daß bereits mit dem Zeitpunkt der Einleitung von GERICHTLICHEN VORERHEBUNGEN gerichtliche Anhängigkeit gegeben ist (vgl. diesbezüglich die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, zitiert in Foregger-Serini, StPO, 4. Auflage, Manz 1989, Erl. II zu § 88).
Im Hinblick auf die auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls mit 27. Mai 1983 (Einleitung der Voruntersuchung) eingetretene, bis lange über den 3. August 1983 (Ende der Sechsmonatefrist gerechnet ab Kenntnis der Dienstbehörde) hinaus gegebene Hemmung der Frist, kann der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung des Beschwerdeführers, daß der am 5. September 1983 gefaßte Einleitungsbeschluß nicht fristgerecht ergangen sei - abgesehen von der Frage, welche Bedeutung dem rechtskräftig gewordenen Einleitungsbeschluß in diesem Zusammenhang beizumessen ist (vgl. das bereits vorher zitierte Erkenntnis vom 1. September 1988) - keinesfalls folgen.
Nach § 95 Abs. 2 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht als nicht erweisbar angenommen hat.
Unter Berufung auf diese Bestimmung bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Disziplinarbehörde ausdrücklich nur an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden sei. In der Begründung des angefochtenen Disziplinar- erkenntnisses heiße es jedoch, daß, obwohl der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 24. Mai 1988 freigesprochen worden sei, dies nicht zur Folge haben könne, daß auch das Disziplinarverfahren mit einem Freispruch zu beenden wäre, denn das Strafgericht sei nicht etwa deshalb zu dem angeführten Ergebnis gelangt, weil der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat nicht begangen hätte, oder weil dies mangels ausreichender Beweise nicht beweisbar gewesen wäre, sondern weil der Beschwerdeführer allein aus rechtlichen Gründen den Tatbestand des § 293 StGB nicht verwirklicht habe. Wenn auch die Subsumtion des Verhaltens des Beschwerdeführers unter einen strafgesetzlichen Tatbestand gescheitert sei, so besage dies nicht, daß er hiedurch nicht gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen hätte. Die Disziplinarbehörde erkenne also den Beschwerdeführer trotz freisprechenden Urteils für schuldig, obwohl dieser im Spruch des genannten Urteils des Landesgerichtes Salzburg, an den bereits die Disziplinarbehörde erster Instanz gebunden gewesen wäre, eindeutig freigesprochen worden sei.
Dem zuletzt dargestellten Einwand des Beschwerdeführers entgegnend ist festzustellen, daß sich aus § 95 Abs. 2 BDG 1979 keinesfalls eine Bindungswirkung in dem Sinne ergibt, daß ein strafgerichtlicher Freispruch immer auch einen disziplinären Freispruch nach sich ziehen muß. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß die strafrechtliche und die disziplinäre Verantwortlichkeit eine in weiten Bereichen verschiedene Zielrichtung haben. § 95 Abs. 1 BDG 1979 sieht sogar für den Fall einer gerichtlichen (oder verwaltungsbehördlichen) Verurteilung eine eigene disziplinarrechtliche Würdigung vor, wobei ein Absehen von der (weiteren disziplinarrechtlichen) Verfolgung nur dann zulässig ist, wenn sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft und anzunehmen ist, daß eine Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. in diesem Sinne auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1980, Zl. 2073/79, Slg. NF Nr. 10008/A, und vom 28. Jänner 1980, Zlen. 3054 und 3121/79, Slg, NF Nr. 10027/A).
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt aber im folgenden Sinne Berechtigung zu.
§ 95 Abs. 2 BDG 1979 erster Satz stellt im Gegensatz zu Abs. 1 und Abs. 3 der genannten Bestimmung nicht nur auf verurteilende Erkenntnisse ab, sondern ganz allgemein auf einen rechtskräftigen Spruch und erfaßt damit nach dem klaren Wortlaut auch Freisprüche. Die Bindungswirkung ist aber nur an jene Tatsachenfeststellungen gegeben, die dem Spruch zugrundegelegt worden sind.
Im Beschwerdefall hat aber die belangte Behörde ihr Erkenntnis nicht nur auf die dem rechtskräftigen Freispruch tatsächlich und notwendigerweise zugrundeliegenden und tragenden Tatsachenfeststellungen (nämlich, daß die bezeichneten Unterlagen nicht für ein verwaltungsbehördliches Verfahren bestimmt waren) aufgebaut, sondern das angefochtene Disziplinarerkenntnis auf die über die für das Urteil maßgebenden Gründe hinausgehenden Tatsachenfeststellungen des Gerichtes gestützt.
Da die belangte Behörde bei der für ihre Entscheidung wesentlichen Anwendung des § 95 Abs. 2 BDG 1979 im vorher dargestellten Sinne eine zu weit gehende Bindungswirkung angenommen und von dieser unrichtigen Rechtsauffassung ausgehend eine entsprechende Würdigung bzw. Behandlung der vorliegenden Beweise im Disziplinarverfahren unterlassen hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Für das fortgesetzte Verfahren wird bemerkt, daß keine Bedenken bestehen, die im gerichtlichen Verfahren erhobenen Beweise im Rahmen der für das Disziplinarverfahren bestehenden Regelungen zu verwerten bzw. einer Würdigung zu unterziehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Ein Ersatz der Umsatzsteuer ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen (vgl. Erkenntnis vom 21. September 1978, Zl. 101/77 u.v.a.).
Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht verlautbarte Erkenntnisse genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Schlagworte
Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des PauschbetragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989090095.X00Im RIS seit
22.02.1990