TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/22 B471/86

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Veröffentlicht am 22.06.1987
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/02 Studienrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AHStG §37

Leitsatz

Abweisung eines Antrages auf Wiederverleihung des (wegen eines 1942 begangenen Verbrechens gem. §26 StrafG 1945 entzogenen) akademischen Grades durch den Akademischen Senat der Universität Graz; keine Bedenken gegen die AHStG-Novelle BGBl. 332/1981, mit der die Wiederverleihungsmöglichkeit zur Gänze beseitigt wurde - der Gleichheitssatz fordert nicht die Wiederherstellung verlorener akademischer Grade durch Gesetz; der Verfassung ist Genüge getan, wenn für eine gewisse Übergangszeit die Möglichkeit der Wiedererlangung eröffnet wird; nach Aufhebung des §37 Abs6 litb (betreffend besondere Voraussetzungen für die Wiederverleihung) als gleichheitswidrig mit VfSlg. 8651/1979 stand bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. 332/1981 angemessene Zeit (1 1/2 Jahre) zur Verfügung, die Wiederverleihung zu betreiben; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. hat den 1931 an der Universität Graz erworbenen akademischen Grad eines Doctor iuris infolge Verurteilung durch das Geschwornengericht am Sitze des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. März 1965 wegen eines 1942 begangenen Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch boshafte Handlungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach §87 StG gemäß §26 StG verloren.

Ein Antrag auf Wiederverleihung des akademischen Grades aus 1975 wurde nach der Aktenlage nicht erledigt. Sein neuerliches Begehren vom 13. Oktober 1985 wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des akademischen Senates der Universität Graz mit der Begründung abgewiesen, der die Wiederverleihung regelnde Abs6 des §37 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG) sei nach seiner teilweisen Aufhebung durch den VfGH im Zuge der AHStG-Nov. 1981 zur Gänze aufgehoben worden; daher sei eine Wiederverleihung nicht mehr möglich.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz gerügt. Die Aufhebung der genannten Bestimmung müsse im Lichte des vorangegangenen Erkenntnisses des VfGH dahin verstanden werden, daß nun ein Anspruch des Bf. auf Verleihung des akademischen Grades bestehe. Andernfalls wäre die Beseitigung der Möglichkeit der Wiederverleihung selbst verfassungswidrig. Der Gerichtshof habe es mit dem Gleichheitssatz für unvereinbar erklärt, daß ein während der Geltung des Strafgesetzes Verurteilter einen akademischen Grad nur unter den besonderen Voraussetzungen der litb des §37 Abs6 AHStG wiedererlangen könnte, während ein später Verurteilter einen solchen akademischen Grad ohne weiteres behalten oder erwerben könne. Eben dieser Zustand würde dann aber durch die Nov. 1981 perpetuiert.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Nach §26 StG 1945 war mit der Verurteilung wegen eines Verbrechens kraft Gesetzes unter anderem der Verlust aller akademischen Grade und Würden und der Entzug des Rechts verbunden, solche ohne Bewilligung des Bundespräsidenten neu oder wieder zu erlangen. Auf diese Rechtslage nahm §37 AHStG in der Stammfassung folgendermaßen bezug:

"§37. Verlust akademischer Grade.

(1) Der akademische Grad geht verloren:

a) mit Rechtskraft des Urteils in den vom Strafgesetz vorgesehenen Fällen, . . .

(6) Die Wiederverleihung des nach den Bestimmungen des Strafgesetzes verlorenen akademischen Grades kann durch die zuständige akademische Behörde erfolgen, die den akademischen Grad verliehen hat, wenn

a)

der Wiederverleihung die Bestimmungen des Strafgesetzes nicht mehr entgegenstehen und

b)

durch die Wiederverleihung eine Schädigung des akademischen Ansehens mit Rücksicht auf die Art und Schwere der für den Verlust maßgebenden Verfehlung, die seither verstrichene Zeit und die seitherige Lebensführung des Bewerbers nicht zu befürchten ist."

Da das Strafgesetzbuch, BGBl. 60/1974, die in diesen Vorschriften unterstellten Rechtsfolgen nicht mehr vorsieht, kann seit dem Außerkrafttreten des §26 StG 1945 auch ein wegen schwerer Straftat Verurteilter ohne weiteres einen akademischen Grad erlangen oder einen erworbenen akademischen Grad behalten. Ein während der Geltung des StG 1945 Verurteilter konnte ihn hingegen nach wie vor nur unter den besonderen Voraussetzungen des AHStG erwerben oder nach Maßgabe des §37 Abs6 litb AHStG wiedererlangen.

Mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1979, G26/79 - VfSlg. 8651/1979 - hat der VfGH die litb in §37 Abs6 AHStG als gleichheitswidrig aufgehoben. Er konnte für die von ihr bewirkte Unterscheidung keine sachliche Rechtfertigung finden. Den Materialien zum Strafgesetzbuch war nur zu entnehmen, daß die Regelung über den Verlust und über die Fähigkeit zur Erlangung akademischer Grade sowie öffentlicher Würden und Ehrenzeichen nicht in das StGB aufgenommen, sondern den betroffenen Verwaltungsvorschriften überlassen werden sollte. Der Gerichtshof hielt aber die bloße Absicht des Gesetzgebers, gleichartige Rechtsfolgen in einem anderen legistischen Zusammenhang und mit veränderten Kompetenzen wieder einzuführen, nicht für geeignet, seine Bedenken zu zerstreuen. Im aufhebenden Erkenntnis ist vielmehr wörtlich folgendes ausgeführt:

"Auszugehen ist davon, daß nach der ursprünglichen Gesetzeslage die Verurteilung wegen eines Verbrechens zum Verlust eines akademischen Grades geführt oder vom Erwerb des akademischen Grades ausgeschlossen hat. Wegen Verbrechens Verurteilte sollten also grundsätzlich keinen akademischen Grad führen, gleichgültig, ob sie einen solchen zur Zeit der Tat bereits erworben hatten oder nicht. Durch die Änderung im Bereich des Strafrechtes ist die Voraussetzung der litb des §37 Abs6 AHStG jedoch unsachlich geworden. Bleibt die Begehung von Straftaten nunmehr in bezug auf den Erwerb und den Besitz eines akademischen Grades folgenlos, so ist das Aufstellen besonderer Erfordernisse für die Wiedererlangung des wegen der Begehung von Straftaten früher verlorenen akademischen Grades durch nichts zu rechtfertigen.

Daß die Ursachen der voneinander abweichenden Rechtsfolgen in verschiedenen Zeitabschnitten liegen, kann angesichts ihrer andauernden und einschneidenden Wirkung nicht ausreichen. Auch die Rechtskraft des Strafurteiles trägt dermaßen fortwirkende Folgen angesichts der völligen Änderung der vorausgesetzten Rechtslage allein nicht. Selbst eine Einbeziehung praktischer Erwägungen der Verfahrensökonomie erheischt keine andere Beurteilung. Da der Verlust des akademischen Grades oder der Fähigkeit, einen solchen zu erwerben, überhaupt nicht mehr vorgesehen ist und sich die Frage, ob er im konkreten Fall auch nach neuem Recht eingetreten wäre, gar nicht stellt, bedarf es nicht etwa eines besonderen Verfahrens, um die Fähigkeit zum Erwerb oder zur Wiedererlangung auch für früher Verurteilte wiederherzustellen. Der Gerichtshof hat daher auch nicht allgemein zu prüfen, wie sich eine Änderung des Strafrechts auf rechtskräftige Verurteilungen auswirkt. Die in der geprüften Vorschrift enthaltenen verwaltungsrechtlichen Folgewirkungen der Verurteilung hält er jedenfalls nicht mehr für gerechtfertigt, wenn solche nach dem geltenden Recht nicht mehr eintreten.

Ihre Aufhebung bewirkt, daß ein Anspruch auf Wiederverleihung verlorener akademischer Grade ohne weitere Voraussetzungen besteht."

Die Aufhebung wurde am 22. November 1979 kundgemacht (BGBl. 461/1979).

2. Die am 21. Juli 1981 erschienene Nov. zum AHStG, BGBl. 332/1981, hob sodann §37 Abs1 lita und Abs6

ersatzlos auf (ArtI Z38 und 39). Die Aufhebung trat gemäß Art49 Abs1 B-VG nach Ablauf des 21. Juli 1981 in Kraft. Die Erläuterungen der Regierungsvorlage (253 BlgNR XV. GP) begründen den Verzicht auf die Verankerung von Straffolgen im Hochschulstudienrecht (S. 16), führen aus, daß die einschlägigen Vorschriften des §37 nach dem Ergebnis des Begutachtungsverfahrens zu entfallen hätten, da strafgerichtliche Urteile im Bereich des Hochschulstudienwesens keine rechtliche Bedeutung haben sollen (S. 29), und bemerken abschließend:

"Diese Novellierung folgt im wesentlichen den rechtlichen Erwägungen, die den VfGH in seinem Erkenntnis vom 17. Oktober 1979, G26/79-9, zur Aufhebung des §37 Abs6 litb als verfassungswidrig veranlaßt haben".

3. In seiner gegenwärtigen Fassung kennt das AHStG keine neuerliche Verleihung eines verlorenen akademischen Grades. Die Beseitigung der Möglichkeit seiner Wiederverleihung hat aber auch nicht bewirkt, daß der verlorene Grad ohne weiteres geführt werden darf. Es bedürfte dazu einer besonderen Vorschrift, die den eingetretenen Verlust wieder aufhebt. Auch aus den Materialien ist für die Meinung des Bf., er habe nun einen Anspruch auf (Wieder-)Verleihung, nichts zu gewinnen. Die Unrichtigkeit der in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage enthaltenen Behauptung über das Verhältnis der Neuregelung zu den Erwägungen des VfGH ist offenkundig. Dem Gleichheitssatz war schon durch die Aufhebung der litb des §37 Abs6 zureichend Rechnung getragen. Die Weitergeltung des verbliebenen Teiles des Abs6 wäre mit dem Erkenntnis des VfGH voll in Einklang gestanden. Die Aufhebung des gesamten Abs6 hat dagegen die vorher in verfassungswidriger Weise eingeschränkt gewesene Wiederverleihungsmöglichkeit zur Gänze beseitigt.

Gleichwohl hat der VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit der AHStG-Nov. aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken. Der Gleichheitssatz fordert weder die Wiederherstellung verlorener akademischer Grade durch Gesetz, noch gebietet er, ein Verwaltungsverfahren zur Wiederverleihung auf unbestimmte Zeit oder auch nur solange vorzusehen, bis der letzte Betroffene, der den akademischen Grad nicht ohnedies schon nach der Stammfassung des Gesetzes wieder erlangt hat, verstorben ist. Der Verfassung ist Genüge getan, wenn für eine gewisse Übergangszeit die Möglichkeit der Wiedererlangung eröffnet wird.

Nun hat aber die Aufhebung der einschränkenden litb durch den VfGH die Möglichkeit geschaffen, die vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches aufgrund einer Verurteilung verlorenen akademischen Grade durch Antragstellung nach §37 Abs6 AHStG ohne weitere Voraussetzung wieder zu erwerben. Diese Möglichkeit bestand vom Ablauf des 22. November 1979 (Kundmachung der Aufhebung) bis zum Ablauf des 21. Juli 1981 (Inkrafttreten der Novelle). Damit stand jedermann, der seinen akademischen Grad durch ein Strafurteil verloren hatte, eine angemessene Zeit zur Verfügung, die Wiedererlangung zu betreiben. Besondere Umstände, welche die Zeit von eineinhalb Jahren zu diesem Zweck als unangemessen kurz erscheinen ließen, kann der Gerichtshof nicht erkennen.

Es wäre Sache des Bf. gewesen, die Erledigung seines ersten Antrages zu gegebener Zeit mit den dafür vorgesehenen Mitteln zu betreiben oder alsbald einen neuen Antrag zu stellen.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Schlagworte

Titel (Hochschulen), Strafrecht, Strafprozeßrecht Verwaltungsverfahren, Entscheidungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B471.1986

Dokumentnummer

JFT_10129378_86B00471_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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