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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
SHG NÖ 1974 §12 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Jänner 1989, Zl. VII/1-F-27.622/26-88, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. 1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0004, verwiesen, mit dem der damals angefochten gewesene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 9. März 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, und zwar mit der Begründung, daß der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung Begründungsmängel in mehrfacher Hinsicht unterlaufen seien, aufgehoben worden ist.
2. Im fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde - ohne ergänzende Ermittlungen durchgeführt zu haben - mit Bescheid vom 13. Jänner 1989 der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 10. Juli 1986 erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (neuerlich) teilweise Folge. Gemäß § 9 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes - NÖ SHG, LGBl. 9200/6, in Verbindung mit § 5 der Verordnung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1 (in der Folge: SH-V) wurde dem Beschwerdeführer eine monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt im folgenden Ausmaß zuerkannt:
"Für den Zeitraum vom 5. April 1985 bis 31. Juli 1985 beträgt die Hilfe zum Lebensunterhalt S 450,-- mtl., zusätzlich gebührt Ihnen im Monat Mai 1985 eine Sonderzahlung von S 3.504,--. Ab 1. März 1986 beträgt die Hilfe zum Lebensunterhalt mtl. S 466,--, zusätzlich gebührt Ihnen in den Monaten Mai und November 1986 je eine Sonderzahlung von S 3.627,--. Für den Monat Jänner 1987 wird Ihnen eine Hilfe zum Lebensunterhalt von S 486,-- gewährt."
3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinen Rechten dadurch verletzt, daß seiner Berufung nur teilweise Folge gegeben wurde. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde wird nicht begründet, weshalb die belangte Behörde nach Meinung des Beschwerdeführers zur getroffenen Entscheidung unzuständig war. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht des Beschwerdeführers nicht und verweist dazu, daß zur Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach Abschnitt II des NÖ SHG - und nur darüber wird mit dem bekämpften Bescheid abgesprochen - gemäß § 53 Abs. 2 leg. cit. in zweiter Instanz die Landesregierung berufen ist.
2. Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131a B-VG stattgegeben hat, so sind im Grunde des § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Wird ein angefochtener Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung als rechtswidrig aufgehoben, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht ausreichend begründet habe, so bedeutet dies, daß die belangte Behörde die Begründung des Ersatzbescheides nach allfälliger Ergänzung des Ermittlungsverfahrens in einer den Anforderungen des § 60 AVG 1950 gerecht werdenden Weise zu gestalten hatte (vgl. dazu die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 735 oben angeführte hg. Judikatur).
3.1. Den im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 1987 hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem eingangs zitierten Vorerkenntnis Zl. 88/11/0004 deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil es die belangte Behörde mehrfach verabsäumt hat, ihre Entscheidung zu begründen. Konkret hat der Gerichtshof bemängelt (s. die S. 8 und 9 des Vorerkenntnisses), daß im damals angefochtenen Bescheid "jegliche Begründung dafür unterblieben (ist), wieso die belangte Behörde nicht darüberhinausgehende" (d.h. im Zusammenhang über Nahrung, Unterkunft sowie persönliche Bedürfnisse hinausgehende) "Bedürfnisse des Beschwerdeführers, insbesondere (aber nicht nur) einen Bedarf an Kleidung, der offensichtlich durch das bei Unterbringung in einer Sozialhilfeeinrichtung gebührende Taschengeld nicht abgegolten wird, angenommen hat"; weiters, "daß die belangte Behörde nicht begründet hat, wieso sie dem Beschwerdeführer als Sozialhilfeleistung für Dezember 1986 nur einen Betrag von S 466,-- zuerkannt hat, obwohl nach dem § 5 letzter Satz der Verordnung LGBl. 9200/1-14 im Dezember jeden Jahres das Taschengeld in doppelter Höhe auszuzahlen ist", und schließlich, "daß eine Begründung dafür fehlt, welche Umstände die belangte Behörde dazu veranlaßt haben, in der Zeit zwischen der Antragstellung ... und Juli 1985 ... überhaupt eine Sozialhilfeleistung zu verwehren".
3.2. Während die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Jänner 1989 in der zuletzt genannten Hinsicht der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes insofern Rechnung trug, als sie dem Beschwerdeführer auch für den Zeitraum vom 5. April 1985 bis 31. Juli 1985 ein Taschengeld (in der Höhe von S 450,--; vgl. § 5 SH-V idF LGBl. 9200/1-13) und zusätzlich für Mai 1985 eine "Sonderzahlung" (in der Höhe von S 3.504,--; vgl. § 2 SH-V idF LGBl. 9200/1-13) zuerkannte, verabsäumte sie in Ansehung der beiden unter 3.1. zuerst bezeichneten Begründungsmängel den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand im dargestellten Sinn (oben 2.) herzustellen.
3.2.1. Zwar hat die belangte Behörde nunmehr ab Antragstellung einen Bedarf des Beschwerdeführers an Kleidung angenommen und ihm zur Abdeckung dieses "notwendigen Bedürfnisses des täglichen Lebens" (§ 9 Abs. 2 NÖ SHG) in den Monaten Mai 1985 sowie Mai und November 1986 jeweils eine "Sonderzahlung" unter Heranziehung des § 2 SH-V gewährt. Sie hat indes außer acht gelassen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis Zl. 88/11/0004 das Fehlen jeglicher Begründung für die Nichtannahme "darüberhinausgehender Bedürfnisse des Beschwerdeführers" zwar insbesondere, "aber nicht nur" in bezug auf den Bedarf an Kleidung bemängelt hat. Im vorliegend bekämpften Bescheid fehlt nach wie vor eine Begründung dafür, weshalb die belangte Behörde nicht über Nahrung, Unterkunft und persönliche Bedürfnisse des Beschwerdeführers (wie bereits im aufgehobenen Bescheid vom 9. März 1987) sowie Bedarf an Kleidung hinaus Bedürfnisse des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 NÖ SHG angenommen hat. Wie sich aus dem Zusammenhang der Erwägungen auf S. 8 des Vorerkenntnisses - bereits von der belangten Behörde berücksichtigte Bedürfnisse des Beschwerdeführers; Hinweis auf § 9 Abs. 2 und § 12 NÖ SHG - hinreichend klar ergibt, hatte der Gerichtshof mit der Wendung "insbesondere (aber nicht nur) einen Bedarf an Kleidung" folgende Komponenten der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens im Sinne des § 9 Abs. 2 NÖ SHG angesprochen: Kleidung, Körperpflege, Beheizung, Beleuchtung, Kleinhausrat. Im Hinblick darauf, daß im angefochtenen Bescheid (S. 5 unten) die Bedürfnisse für Körperpflege und Kleinhausrat als durch das gewährte Taschengeld abgedeckt angesehen wurden, hat es die belangte Behörde somit unterlassen - auf der Grundlage allenfalls erforderlicher ergänzender Ermittlungen unter Bedachtnahme auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers -, konkret darzutun, aus welchen Gründen sie ein notwendiges persönliches Bedürfnis des Beschwerdeführers aus dem Titel der Beheizung und Beleuchtung nicht als gegeben erachtet hat.
3.2.2. Was das im Vorerkenntnis festgestellte Fehlen jeglicher Begründung im aufgehobenen Bescheid hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Taschengeldes in doppelter Höhe im Dezember 1986 anlangt, so findet sich dieser Begründungsmangel auch im nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, sie habe zur Abdekkung des Bedarfes an Kleidung und "allenfalls zur angemessenen Bildung" eine Bekleidungsbeihilfe gemäß § 2 SH-V anstelle der im § 5 dieser Verordnung vorgesehenen einmaligen "Sonderzahlung" gewährt. Damit hat die belangte Behörde zwar auf den in § 5 SH-V verankerten Anspruch auf Taschengeld in doppelter Höhe im Dezember jeden Jahres Bezug genommen, allerdings nicht in der Form, daß sie darlegte, daß und weshalb dem Beschwerdeführer dieser Anspruch zur Befriedigung seiner notwendigen persönlichen Bedürfnisse nicht zustehe. Sie hat damit vielmehr ihre - rechtlich verfehlte - Ansicht dargetan, daß zur Deckung des Kleidungs-Bedarfes des Beschwerdeführers sowie "allenfalls" des Bedürfnisses zur angemessenen Bildung "anstelle" eines Taschengeldes in doppelter Höhe im Dezember eine Bekleidungsbeihilfe gemäß § 2 SH-V zu gewähren sei.
4. Wie unter 3.2.1. erwähnt, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Bedürfnisse des Beschwerdeführers in Ansehung der Körperpflege und des Kleinhausrates "durch den Richtsatz des Taschengeldes" abgedeckt werde. Soweit sich diese Rechtsmeinung auf das Bedürfnis nach Körperpflege bezieht, pflichtet der Gerichtshof der belangten Behörde bei; hingegen vermag er sie hinsichtlich des Kleinhausrates nicht zu teilen, kann doch bei einer auch insoweit gebotenen Durchschnittsbetrachtung nicht davon ausgegangen werden, daß das Taschengeld auch zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung von Kleinhausrat verwendet werde.
Da somit die belangte Behörde ein notwendiges Bedürfnis des Beschwerdeführers, welches durch das bei Unterbringung in einer Sozialhilfeeinrichtung gebührende Taschengeld (§ 9 Abs. 5 NÖ SHG in Verbindung mit § 5 SH-V) nicht abgegolten wird, als durch das dem Beschwerdeführer gewährte Taschengeld gedeckt ansah, unterlag sie insoweit einem Rechtsirrtum.
5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes drängt inhaltliche Rechtswidrigkeit eine solche infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in den Hintergrund. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190029.X00Im RIS seit
01.02.2002