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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VVG §10 Abs2 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr.Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Juli 1989, Zl. U-11.504/5, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. November 1985 trug die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) dem Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, auf, "hinsichtlich der Aufschüttung der Grundparzellen 1270 und 1271", KG A, folgende besondere Maßnahmen zur Pflege der Landschaft auf seine Kosten durchzuführen:
"1. Das Niveau der gegenständlichen Aufschüttung muß im Endzustand mit den nördlich und südlich anschließenden Flächen identisch sein.
2. Die Böschungen sind für eine dauerhafte Begrünung ausreichend zu humusieren.
3. Die Begrünung der Böschungen hat Zug um Zug mit dem Fortschritt der Schüttung zu erfolgen."
In der Begründung führte die BH aus, die vorgeschriebenen Maßnahmen seien vom Amtssachverständigen für Landschaftsschutz und Landschaftspflege anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1985 vorgeschlagen worden. Er habe sich in seinem Gutachten dahin gehend geäußert, daß die nach Osten entstehende Böschung sich durch den natürlichen Neigungswinkel des geschütteten Materials (Aushubmaterial) ergebe und damit die Standfestigkeit gegeben sei.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 1987 drohte die BH dem Beschwerdeführer, und zwar wegen Nichterfüllung der Punkte 2 und 3, die Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 1 VVG 1950 für den Fall an, daß der bescheidgemäße Zustand ("eine erfolgreiche und gesicherte Begrünung") nicht bis 30. Mai 1988 hergestellt worden sei.
Auf Grund einer Überprüfungsverhandlung am 26. Juli 1988 an Ort und Stelle, an der der Beschwerdeführer nicht teilgenommen hatte, erließ die BH am 2. September 1988 einen Bescheid, mit dem sie gemäß § 4 Abs. 1 VVG 1950 die Ersatzvornahme anordnete (Punkt 1.) und gemäß Abs. 2 dem Beschwerdeführer die Vorauszahlung der voraussichtlichen Kosten in Höhe von S 31.000,-- auftrug (Punkt 2.).
Punkt 1.) lautet:
"Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verfügt gemäß § 4 (1) i. V.m. § 1 (1) Z 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1950 die Vollstreckung folgender Arbeiten, die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 12.11.1985, Zl. 2-182/6-1985, ... aufgetragen worden sind.
Da die Auflagen des vorzitierten Bescheides auf mehrfache Überprüfungen hin unzureichend erfüllt wurden, sind nachstehende Arbeiten zu erfüllen:
1. Ausgleichen und teilweise Verflachen der Böschungsfläche mittels eines Baggers.
2.
Zufuhr von mindestens 50 m3 Humus.
3.
Gleichmäßiges Verteilen des zugeführten Humus und Einsaat mit einer tiefwurzelnden Gras-, Kleemischung der Böschungsfläche.
Bei der durchgeführten losen Schüttung ist die Böschung so anzulegen, daß die Neigung nicht mehr als 60 Prozent beträgt. Diese Arbeiten werden im Wege der Ersatzvornahme durch ein hiezu befugtes, von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck beauftragtes Unternehmen auf Gefahr und Kosten des Herrn G durchgeführt."
Der Beschwerdeführer erhob sowohl gegen die Anordnung der Ersatzvornahme als auch gegen den Auftrag zur Kostenvorauszahlung Berufung. Darin machte er geltend, daß einerseits die Vollstreckung unzulässig sei und andererseits die Vollstrekkungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimme.
Mit Bescheid vom 5. Juli 1989 wies die Tiroler Landesregierung die Berufung ab. In der Begründung führte sie aus, der von ihr beigezogene landwirtschaftliche Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 31. Mai 1989 die im Vollstreckungsbescheid vom 2. September 1988 aufgetragenen Maßnahmen als angemessene Konkretisierung des Titelbescheides angesehen. Zum Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung heißt es in der Begründung, es liege ein entsprechender Titelbescheid vor, der - so wie die Vollstreckungsverfügung - hinreichend bestimmt und vollstreckbar sei, zumal die durchzuführenden Maßnahmen detailliert dargestellt worden seien. Nach den Ausführungen des landwirtschaftlichen Sachverständigen seien zwar die Punkte 2. und 3. der Vorschreibungen im Bescheid vom 2. September 1988 teilweise erfüllt worden, dies sei aber infolge Nichterfüllung von Punkt 1. dieses Bescheides hinfällig. Bei der bescheidmäßig geforderten und bis dato nicht durchgeführten Verflachung des Böschungswinkels auf 60 Prozent seien die gesamte Böschung zu bearbeiten und die im Vollstreckungsbescheid dargestellten Arbeitsschritte zur Gänze durchzuführen. In Ansehung des Berufungsgrundes der Nichtübereinstimmung der Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid wies die belangte Behörde auf die Ausführungen des Amtssachverständigen hin, wonach die im Vollstreckungsbescheid vom 2. September 1988 aufgetragenen Maßnahmen angemessene Konkretisierungen des Titelbescheides vom 12. November 1985 darstellten. Eine etwaige Nichtübereinstimmung sei zudem vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hält die Vollstreckungsverfügung der BH vom 2. September 1988 u.a. deshalb für rechtswidrig, weil sie nicht mit dem Titelbescheid übereinstimme. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Vorschreibung, daß die Böschungsneigung nicht mehr als 60 Prozent betragen dürfe. Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Dazu ist vorweg festzuhalten, daß dieses Vorbringen nicht, wie die belangte Behörde meint, unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG fällt. Der Beschwerdeführer hat nämlich in seiner Berufung ausdrücklich auch mangelnde Übereinstimmung von Titelbescheid und Vollstreckungsverfügung geltend gemacht und in diesem Zusammenhang den "nachträglich aufgenommenen Auflagepunkt" betreffend "den Böschungswinkel" bekämpft. Daß im übrigen auch die belangte Behörde darin die Geltendmachung des Berufungsgrundes nach § 10 Abs. 2 lit. b VVG 1950 gesehen hat, zeigt ihr Ersuchen an den Amtssachverständigen, ein Gutachten u. a. darüber zu erstatten, ob die mit der Vollstreckungsverfügung der BH vorgeschriebenen Maßnahmen lediglich eine Konkretisierung des Titelbescheides darstellen oder über diesen hinausgehen. Sie hat sich in der Folge der Meinung des Amtssachverständigen angeschlossen, die Vorschreibung einer maximalen Hangneigung von 60 Prozent und der dadurch bedingten Ausgleichs- und Verflachungsarbeiten stelle eine angemessene Konkretisierung des Titelbescheides dar. Die belangte Behörde hat hiebei verkannt, daß ihr allein die Beantwortung der Rechtsfrage oblag, ob der Titelbescheid überhaupt die Verpflichtung zur Einhaltung eines bestimmten Böschungswinkels enthält. Erst nach Bejahung dieser Frage wäre zu prüfen gewesen, ob die in der Vollstrekkungsverfügung enthaltenen Maßnahmen lediglich eine angemessene Konkretisierung der Verpflichtungen des Titelbescheides darstellen.
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG 1950 kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Nach Abs. 2 kann in einem solchen Falle die Vollstreckungsbehörde dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Eine Vollstreckungsverfügung und die akzessorische Kostenvorschreibung nach dieser Gesetzesstelle (zum Rechtsbegriff der Vollstreckungsverfügung siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035) kann zulässigerweise nur eine solche Verpflichtung zum Gegenstand haben, die dem Verpflichteten mit dem zu vollstreckenden Bescheid auferlegt worden ist. Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 VVG 1950 ("dieser Pflicht") und zum anderen aus § 10 Abs. 2 lit. b leg. cit., wonach gegen eine Vollstreckungsverfügung Berufung ergriffen werden kann, wenn sie mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt. Eine Vollstreckungsverfügung, die eine Maßnahme zum Gegenstand hat, die nicht bloß als Konkretisierung der im Titelbescheid auferlegten Verpflichtung anzusehen ist und damit eine ANDERE Maßnahme zum Gegenstand hat, ist infolge mangelnder Übereinstimmung mit dem Titelbescheid rechtswidrig.
Nach Punkt 1. des Titelbescheides der BH vom 12. November 1985 hat das Niveau der gegenständlichen Aufschüttung im Endzustand mit den nördlich und südlich anschließenden Flächen identisch zu sein. Über die BöschungsNEIGUNG enthält dieser Bescheid keinerlei Vorschreibungen. Das hat seinen Grund offenbar darin, daß sich die BH der Meinung des beigezogenen Amtssachverständigen angeschlossen hat, wonach die nach Osten entstehende Böschung sich durch den natürlichen Neigungswinkel des geschütteten Materials ergeben und damit auch die erforderliche Standfestigkeit gegeben sein werde.
Dem Beschwerdeführer wurde sohin mit dem Titelbescheid die Verpflichtung zur Herstellung eines Böschungswinkels von maximal 60 Prozent nicht auferlegt. Daher kann die in Punkt 1. der Vollstreckungsverfügung vom 2. September 1988 vorgesehene Maßnahme, die Böschungsfläche mittels eines Baggers auszugleichen und teilweise zu verflachen, nicht etwa bloß als weitere Konkretisierung einer im Titelbescheid auferlegten Verpflichtung angesehen werden. Die Vollstreckungsverfügung ist insoweit infolge mangelnder Übereinstimmung mit dem Titelbescheid rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit erfaßt auch die Punkte 2. und 3. der Vollstreckungsverfügung, weil sie ersichtlich nur für den Fall der Vornahme der unter Punkt 1. aufgetragenen Arbeiten vorgesehen waren. Die Rechtswidrigkeit der Punkte 1. bis 3. der Vollstreckungsverfügung zieht schließlich, weil ein Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten die Zulässigkeit der Ersatzvornahme selbst voraussetzt, notwendig die Rechtswidrigkeit des vorliegend erteilten Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten nach sich.
Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung lediglich zwei Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen waren. Hiefür hatte der Beschwerdeführer Stempelgebühren im Betrag von S 300,-- zu entrichten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989100189.X00Im RIS seit
26.02.1990