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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / Klage zw GebietskLeitsatz
Klage einer Gemeinde wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich; ausschließlich auf die (behauptete) Verfassungswidrigkeit der Gemeindezusammenlegung von St. Pölten mit einer anderen Gemeinde gestütztes Klagebegehren; hier mangelnde Präjudizialität der die Gemeindestruktur regelnden Vorschriften; Abweisung der KlageSpruch
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Im Rechtsstreit der klagenden Partei Gemeinde A, Niederösterreich, wider die beklagte Partei Land Niederösterreich wegen vermögensrechtlicher Ansprüche nach den maßgebenden finanzausgleichsgesetzlichen Bestimmungen wird die Fällung folgenden Urteils begehrt:
"a) die beklagte Partei ist schuldig, die Ertragsanteile der klagenden Partei an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben so zu berechnen, als ob die an die Stadt mit eigenem Statut St. Pölten bezahlten Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben unter Zugrundelegung eines abgestuften Bevölkerungsschlüssels von 96,612 (nämlich durch Vervielfachung der Volkszahl von 48,306 mit 2) errechnet und bezahlt worden wären;
b) die beklagte Partei ist weiters schuldig, die Ertragsteile der klagenden Partei an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die Zeit ab 1.10.1986 unter Zugrundelegung eines Ertragsanteiles für die Stadt mit eigenem Statut St. Pölten, welcher ausgehend von der Volkszahl St. Pölten's ohne die Bevölkerung der Marktgemeinde Pottenbrunn berechnet wird, zu errechnen und zu bezahlen und die Vorschußleistungen gem. §11 FAG 1985 entsprechend zu gestalten;
c) die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."
b) In der Klagserzählung wird - sinngemäß zusammengefaßt - vorgebracht:
Die klagende Partei erhalte jährlich Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben. Bei der "Unterverteilung" (von den Ländern an die Gemeinden) sei der sogenannte abgestufte Bevölkerungsschlüssel iS der jeweils geltenden finanzausgleichsgesetzlichen Bestimmungen (nun: §8 FAG 1985) von Bedeutung.
Durch §3 Abs17 des NÖ Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971 (KStrVG) sei u.a. die Gemeinde Pottenbrunn mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1972 mit der Stadt mit eigenem Statut St. Pölten vereinigt worden. Diese Bestimmung sei - als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend verfassungswidrig. Ohne Pottenbrunn hätte St. Pölten von 1972 bis zum heutigen Tag nach den Ergebnissen der Volkszählungen niemals die 50.000 Einwohner-Grenze überschritten. Wäre die (verfassungswidrige) Auflösung von Pottenbrunn nicht erfolgt, so hätte für St. Pölten der Vervielfältigungsfaktor 2 gegolten, und nicht 2 1/3 (d.i. der Vervielfältigungsfaktor für Städte über 50.000 Einwohner). Würde der VfGH aus Anlaß der vorliegenden Klage §3 Abs17 KStrVG und das Gesetz über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden, LGBl. 1030-38 (GliederungsG) aufheben bzw. die Verfassungswidrigkeit feststellen, so würde dies bewirken, daß St. Pölten zu viel, Alberndorf seither zu wenig an Ertragsanteilen erhalten habe.
2. Das Land Niederösterreich als beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung des Klagebegehrens beantragt wird.
II. 1. Nach Art137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Obwohl die Gemeinde A keine ziffernmäßig bestimmte Summe einklagt, macht sie mit ihrer Klage einen vermögensrechtlichen Anspruch iS des Art137 B-VG geltend, weil für den Zeitraum ab 1. Oktober 1986 die Überweisung eines nach ihrer Berechnungsmethode zu ermittelnden Geldbetrages begehrt wurde, der die ihr bereits überwiesenen Ertragsanteile übersteigt. Ein solcher gegen ein Bundesland gerichteter Anspruch ist weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch verwaltungsbehördlichen Bescheid zu erledigen (vgl. VfSlg. 7644/1975; VfGH 5.12.1985 A42/85) und entspricht somit den von Art137 B-VG verlangten Voraussetzungen.
Die Klage ist daher zulässig.
2.a) Der Klagsanspruch wird ausschließlich darauf gegründet, daß jene Rechtsvorschriften, aufgrund derer die Stadtgemeinde St. Pölten und die Gemeinde Pottenbrunn vereinigt wurden und die diese Gemeindestruktur bis zum jetzigen Zeitpunkt festschreiben (§13 Abs17 KStrVG 1971, LGBl. 264, und die §§1 und 3 Abs1 Z3 des GliederungsG) verfassungswidrig waren bzw. sind.
Die klagende Gemeinde meint, diese landesgesetzlichen Bestimmungen seien in diesem Verfahren präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG.
Hiezu wird in der Klage ausgeführt:
"Nach §8 Abs3 1. Satz FAG 1985 ist die Volkszahl nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung zu bestimmen. Für die klagsgegenständlichen Ansprüche ist also die Volkszählung 1981 maßgebend (Stichtag 12.5.1981). Zu diesem Stichtag war das KStrVG noch in Geltung und ist dieses daher direkt anzuwenden.
Die Anwendung der genannten Gesetzesstellen bei der Entscheidung über die vorliegende Klage ist im Sinne der Judikatur des VfGH unmittelbar, weil diese Normen nicht nur präjudiziell sind, sondern auch innerhalb der vom VfGH unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles festzulegenden Grenzen der Prüfungsbefugnis liegen. Im konkreten Fall ist nämlich gerade die Frage streitentscheidend, wie hoch die Volkszahl der Stadt mit eigenem Statut St. Pölten bzw. wie weit deren Gemeindegrenzen bei verfassungsrechtlich einwandfreiem Handeln des Landesgesetzgebers reichen. Die darüber ergehende Entscheidung über die Klage müßte sich also ausdrücklich auf diese Bestimmungen stützen, weshalb nicht gesagt werden kann, diese Normen lägen außerhalb der direkten 'Anwendung' (vgl. B413/82-19).
Überdies gilt die Bestimmung des Art89 Abs2 BVG, (wonach die dort genannten Gerichte dann, wenn gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken entstehen, die Aufhebung dieses Gesetzes beim VfGH zu beantragen haben) in den Fällen einer Klage nach Art137 BVG wohl sinngemäß für den VfGH selber.
In diesen Fällen entscheidet der VfGH (analog zum OGH) in letzter Instanz und trifft daher ihn die ansonsten den OGH treffende Verpflichtung zur Einleitung der Gesetzesprüfung (vgl. Anm. 7 zu Art89 BVG in MGA 1a, VfSlg. 1692). Da die 'Anwendung' des KStVG und des Gesetzes über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden im Verfahren über die Klage nach Artikel 137 BVG keinesfalls denkunmöglich i.S. der Judikatur des VFGH (vgl. beispielsweise E 35 zu Art140 BVG in MGA 1a) erscheint und die Voraussetzung hinsichtlich der 'unmittelbaren Anwendung' bei einem Antrag durch ein hiezu berufenes Gericht (hier: des VfGH selbst) i.S. Art140 Abs1 erster Halbsatz BVG insofern eingeschränkt sind, sind die Voraussetzungen für ein Gesetzesprüfungsverfahren vorliegendenfalls jedenfalls gegeben.
Die Präjudizialität des KStVG wäre aber selbst dann gegeben, wenn dieses selbst nicht direkt anzuwenden wäre, da es jedenfalls eine Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des direkt anzuwendenden Gesetzes über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden darstellt (so auch die von der NÖ-Landesregierung im Verfahren B495/85 - Schriftsatz vom 9.10.1985 - zitierten, erläuternden Bemerkungen zum GemeindegliederungsG) und deshalb ebenfalls unmittelbar anzuwenden ist.
Ohne die mit dem KStVG getroffenen Maßnahmen (Rechtsfolgen der Vereinigung etc.) wäre das Gesetz über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden nicht in dieser Form denkbar, weshalb das KStVG (analog VfSlg. 3024) Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des unmittelbar anzuwendenden Gesetzes über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden ist. Überdies kann der durch das KStVG geschaffene und im Gesetz über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden fortgeschriebene Zustand (Gemeindevereinigung) nicht durch Aufhebung des KStVG einer Überprüfung durch den VfGH auf seine Verfassungsmäßigkeit entzogen werden, weil dies dem System des BVG zuwiderlaufen würde (vgl. VfSlg. 3378, analog auch G73/84 und G74/84 - ÖJZ 1985, 410f).
Da also der VfGH die Bestimmung der §§1 und 3 Abs1 Zif. 3 des Gesetzes über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden unmittelbar anzuwenden hat und dessen Verfassungsmäßigkeit denknotwendigerweise davon abhängt, daß die Bestimmung des §3 Abs17 KStVG verfassungsrechtlich einwandfrei ist (welche Bestimmungen ja den im Gesetz über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden festgeschriebenen Zustand geschaffen hat), hat der VfGH beide Bestimmungen 'anzuwenden' und können beide Gesetze bzw. deren bezughabende Bestimmungen einer Überprüfung auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung unterzogen werden, widrigenfalls eine Möglichkeit eröffnet wäre, der Gesetzesprüfung durch den VfGH auf dem Umweg über die Festschreibung einer - durch ein außer Kraft getretenes Gesetz geschaffenen - Zustandes zu entgehen."
Das Land Niederösterreich vertritt in seiner Gegenschrift die Auffassung, daß die die Kommunalstruktur festlegenden Bestimmungen hier nicht präjudiziell seien.
Dem hält die klagende Gemeinde in einer Replik u.a. folgendes entgegen:
"Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH lassen sich die Schranken, innerhalb welcher der VfGH befugt ist, generelle Normen zu prüfen, nicht allgemein umschreiben. Vielmehr hat der VfGH unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist.
Ein tragender Grundsatz der österreichischen Bundesverfassung ist in Art140 Abs1 BVG verankert, wonach der VfGH die bestehenden Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung überprüft. Dazu hat der VfGH in VfSlg. 3378 ausgesprochen, daß im System des BVG keine Situation denkbar ist, in welcher sich ein bestehendes Gesetz der Überprüfung auf seine Verfassungsmäßigkeit entziehen kann.
Auf diesen tragenden Grundsatz, der es dem VfGH zur Aufgabe macht, die Einhaltung der Verfassung durch den Gesetzgeber lückenlos zu überprüfen, ist auch bei der dem VfGH im Einzelfall obliegenden Grenzziehung hinsichtlich der Präjudizialität von Gesetzesbestimmungen Rücksicht zu nehmen und müßte diese im BVG festgelegte Kontrollfunktion des VfGH auch im Hinblick auf diejenigen Normen Anwendung finden, welche die Gemeindestruktur regeln.
Das gegenständliche Verfahren hat eine der denkbar nähesten Sachbeziehungen zu den Normen der Gemeindestruktur, was im Rahmen der 'Besonderheiten des Einzelfalles' bei der Festlegung der Prüfungsbefugnis Berücksichtigung finden müßte.
Würde der VfGH nun aussprechen, daß die die Gemeindestruktur festlegenden Normen vorliegendenfalls nicht im Sinne von Art140 bzw. 144 Abs1 BVG 'anzuwenden' sind, dann würden diese Normen - trotz ihrer wohl unbestrittenen, eminenten Bedeutung für jeden einzelnen Bürger - überhaupt nicht 'angewendet' und wären somit der Überprüfung durch den VfGH entzogen. Die Behauptung, das GStVG würde überhaupt nicht angewendet, nur weil es so konstruiert ist, daß es - im vorliegenden Fall - ohne Bescheiderlassung wirkt, widerspricht nicht nur dem gesunden Rechtsempfinden derjenigen Bürger, die die Anwendung dieses Gesetzes tatsächlich verspüren, sondern auch der in Art140 BVG zum Ausdruck kommenden Absicht des Verfassungsgesetzgebers, eine lückenlose Normenkontrolle zu gewährleisten.
Mit einer anderen Rechtsprechunhg würde der VfGH selbst eine Lücke in der ihm obliegenden Normenkontrolle zulassen bzw. herbeiführen."
b) aa) Das Klagebegehren wird ausschließlich damit begründet, daß sich die im Jahre 1971 durch das KStrVG verfügte und in der Folge durch das GliederungsG perpetuierte Zusammenlegung der Stadt Pölten und der Gemeinde Pottenbrunn für die klagende Gemeinde bei Zuteilung ihrer Ertragsanteile nachteilig auswirke und daß die Gemeindevereinigung verfassungswidrig sei.
bb) Tatsächlich bestanden bis zum 1. Jänner 1972 eigene Gemeinden St. Pölten und Pottenbrunn. §3 Abs17 KStrVG verfügte:
"Die im politischen Bezirk St. Pölten gelegene Marktgemeinde Pottenbrunn und die Gemeinden Zwerndorf, Unterzwischenbrunn, Wasserburg und Oberradlberg werden mit der Stadt mit eigenem Statut St. Pölten vereinigt."
Die Gemeinde Pottenbrunn hat gemäß §5 Abs1 KStrVG mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes - das ist §9 zufolge der 1. Jänner 1972 - zu bestehen aufgehört.
Das NÖ Landesgesetz LGBl. 1030-0 (in Kraft getreten am 1. Dezember 1978) über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden zählt im §1 taxativ jene Gemeinden auf, in die sich das Land Niederösterreich gliedert. In dieser Aufzählung findet sich eine Gemeinde Pottenbrunn nicht, wohl aber die Stadt mit eigenem Statut St. Pölten. Daran hat sich durch die in der Folge erlassenen Novellen nichts geändert.
Mit ArtII Z18 der Nov. zum Gliederungsgesetz, LGBl. 1030-7, wurde das KStrVG aufgehoben.
Nach dem im Zeitpunkt der Klagseinbringung (und auch dzt.) geltenden §3 Abs1 Z3 des Gliederungsgesetzes - diese Bestimmung blieb seit der Stammfassung (LGBl. 1030-0) bis heute (LGBl. 1030-38) unverändert - besteht das Gebiet der Stadt St. Pölten u.a. aus der Katastralgemeinde Pottenbrunn.
cc) Die wesentliche Frage, die es zu lösen gilt, ist, ob der VfGH bei Entscheidung über die vorliegende Klage diese gemeindeorganisatorischen Vorschriften iS des Art140 Abs1 B-VG anzuwenden hätte; nur dann käme nämlich die Einleitung eines amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens - wie es die klagende Gemeinde anregt - in Betracht.
dd) Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg. 9751/1983 folgendes ausgeführt:
"Die Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität ist bei der amtswegigen Einleitung eines Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahrens auch nach der durch die B-VG Nov. BGBl. 302/1975 geschaffenen Verfassungsrechtslage in gleicher Weise zu beurteilen wie nach der früheren Fassung der Art139 und 140 B-VG (vgl. VfSlg. 7949/1976, S 436), wonach es darauf ankam, ob die generelle Norm 'Voraussetzung' für die Entscheidung des VfGH in einer bei ihm anhängigen Rechtssache war.
Es ist offenkundig, daß die Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG den VfGH nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam kann letztlich jede Norm, dh. die gesamte Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften ist es vielmehr, den Umfang jener genereller Normen, die zu prüfen der VfGH befugt ist, einzugrenzen.
Diese Schranken lassen sich nicht allgemein umschreiben. Vielmehr hat der VfGH unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist (vgl. Kelsen-Fröhlich-Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Wien und Leipzig 1922, S 254)."
Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur - an der er im Erkenntnis vom 11. März 1986, B495/85 festgehalten hat - abzurücken.
ee) Gemäß §8 Abs3 erster und zweiter Satz FAG 1985 bestimmt sich die - für die Ermittlung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels nach §8 Abs3 dritter Satz dieses Gesetzes und in weiterer Folge für die Verteilung der Ertragsanteile auf die Gemeinden des Landes gemäß §10 Abs2 leg.cit. maßgebende - Volkszahl nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt aufgrund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis; dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres.
Für den hier in Betracht zu ziehenden Zeitraum ab 1. Oktober 1986 sind die Ergebnisse der Volkszählung 1981 von Bedeutung. Gegen die Gesetzmäßigkeit der Feststellung dieser Ergebnisse werden in der Klage keine Bedenken vorgebracht; solche sind auch sonst im Verfahren nicht entstanden (zur Frage der Überprüfung von Volkszählungsergebnissen vgl. etwa VfSlg. 10044/1984 und die dort zitierte weitere Judikatur).
Die Volkszahl der klagenden Gemeinde ist nicht strittig, ebensowenig wie jene der Stadt St. Pölten und jene der anderen nö. Gemeinden. Das FAG 1985 knüpft bei Regelung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben nicht an ein Gesetz, sondern an einen Sachverhalt an, nämlich an die bestehende Gemeindestruktur - ein verfassungsrechtlich unbedenklicher, von der Sache geradezu gebotener Umstand. Die die Unterverteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden vornehmenden Organe des Landes sind nicht genötigt, hiebei irgendwelche Überlegungen über die rechtlichen Grundlagen der Gemeindestruktur anzustellen, insbesondere nicht, wie und weshalb sich diese so entwickelt hat, wie sie klar und eindeutig für die Landes- und die Gemeindeorgane erkennbar ist.
Unter den besonderen Umständen dieses Falles hat somit der VfGH der Frage, weshalb die Gemeinde Pottenbrunn nun nicht mehr rechtlich existent ist, nicht weiter nachzugehen. Er hat daher die in Betracht kommenden, die Gemeindestruktur regelnden Vorschriften nicht iS des Art140 Abs1 B-VG "anzuwenden". Sie sind demnach in diesem Klageverfahren, das auf den Finanzausgleich gegründete Ansprüche zum Gegenstand hat, nicht präjudiziell.
3. Sämtliche Klagsbehauptungen beruhen aber auf der gegenteiligen Ansicht. Auf diese - von einer verfehlten Prämisse ausgehenden - Vorwürfe ist nicht einzugehen.
Das Klagebegehren erweist sich sohin als unbegründet. Es war daher abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinden, VfGH / Präjudizialität, Gemeinderecht ZusammenlegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:A2.1987Dokumentnummer
JFT_10129376_87A00002_00