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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §67 Abs10 idF 1986/111;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): E 27. Februar 1990, 89/08/0277 E 27. Februar 1990, 89/08/0354 E 27. Februar 1990, 89/08/0355Betreff
Wiener Gebietskrankenkasse gegen Landeshauptmann von Wien vom 12. September 1989, Zlen. MA 14-H 61/89 und MA 14-H 54/89, sowie vom 30. Oktober 1989, Zlen. MA 14-H 65/89 und MA 14-H 68/89, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. HH, 2. WH)
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit zwei Bescheiden vom 12. September 1989 gab die belangte Behörde den Einsprüchen der Mitbeteiligten gegen zwei Bescheide der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 1989 betreffend Haftung der Mitbeteiligten für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 statt und stellte gemäß den §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die Mitbeteiligten als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht verpflichtet seien, die auf einem näher bezeichneten Beitragskonto des Beitragsschuldners prot. Firma V-GmbH & Co KG (im folgenden V. KG) rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in einem näher bezeichneten Betrag zu bezahlen. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 30. Oktober 1989 gab die belangte Behörde den Einsprüchen der Mitbeteiligten gegen zwei Bescheide der Beschwerdeführerin vom 5. September 1989 betreffend die Haftung der Mitbeteiligten für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 statt und stellte gemäß den §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die Mitbeteiligten als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht verpflichtet seien, die auf einem näher bezeichneten Beitragskonto des Beitragsschuldners V. KG rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in einem näher bezeichneten Betrag zu bezahlen. Begründend wurde ausgeführt, es seien die Mitbeteiligten zur Haftung für rückständige Sozialversicherungsbeiträge der V. KG herangezogen worden. Im Hinblick darauf, daß es sich bei einer GesmbH & Co KG weder um eine juristische noch um eine natürliche Person handle, sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht habe zum Tragen kommen können. Wohl habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur zu § 9 Abs. 1 BAO die Haftung eines Geschäftsführers einer GesmbH, die wiederum mit der Geschäftsführung einer GesmbH & Co KG betraut gewesen sei, bejaht, jedoch verweise der § 9 Abs. 1 BAO auf die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter. Unter diesen seien aber nicht nur die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen, sondern auch Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit aufgezählt. Da in der Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit nicht genannt seien, sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß die gegenständliche Norm auf derartige Personenvereinigungen nicht anzuwenden sei.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, zu den oben genannten Zahlen protokollierten Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes beantragt. Nach den im wesentlichen gleichlautenden Beschwerdeausführungen sei Beitragsschuldnerin eine Kommanditgesellschaft, die durch eine juristische Person, in den Beschwerdefällen die V-Gesellschaft m. b.H. (im folgenden V. GmbH) als Komplementär vertreten werde. Die Vertretung der GmbH könne auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen lediglich durch natürliche Personen als Geschäftsführer erfolgen. Die Mitbeteiligten verträten somit nicht nur V. GmbH, sondern indirekt auch die ihrerseits durch sie vertretene Beitragsschuldnerin. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Einschränkung der Haftungsbestimmung sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin schon auf Grund des Wortlautes der Bestimmung zu verneinen, weil ausdrücklich von einer Haftung jener Personen die Rede sei, welche die Beitragsschuldner vertreten. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 41. ASVG-Novelle sowie den Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates ergebe sich als Zweck der Novellierung, die Haftungsbestimmungen des ASVG an die der BAO anzupassen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, zu § 67 Abs. 10 ASVG seien auf Grund der engen Anlehnung dieser Regelung an die §§ 9 und 80 BAO zur Klärung der Frage des Verschuldens des Vertreters an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge die von der Lehre und Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen der BAO entwickelten Grundsätze sinngemäß heranzuziehen. Mit Erkenntnis vom 10. Juni 1980, Zl. 535/80, habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß bei einer als Gesellschaft m.b.H. & Co KG konstruierten Gesellschaft die der geschäftsführenden Gesellschaft m.b.H. auferlegte Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung von Abgaben der KG den Geschäftsführer der GmbH in seiner Eigenschaft als deren gesetzlicher Vertreter treffe, weshalb der Geschäftsführer der GmbH grundsätzlich zur Haftung von Abgabenschuldigkeiten der KG herangezogen werden könne. In wirtschaftlicher Hinsicht stehe die Konstruktion einer Gesellschaft m.b.H. & Co KG als kapitalistische Kommanditgesellschaft einer Kapitalgesellschaft und damit einer juristischen Person nahe. Die Bejahung der Haftung von Vertretern von Kapitalgesellschaften bei gleichzeitiger Verneinung einer Haftung von Vertretern kapitalistischer Kommanditgesellschaften käme einer Bevorzugung letzterer gleich, wodurch gegen den in der Verfassung festgelegten Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde. Da bei beiden Gesellschaftsformen die Haftung der Gesellschaft auf die Einlagen der Gesellschafter beschränkt sei, sei es Absicht des Gesetzgebers gewesen, die beschränkte Sachhaftung durch eine mit Bescheid geltend zu machende Verschuldenshaftung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen zu ergänzen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die Verbindung der vier Beschwerden zur gemeinsamen Erledigung beschlossen und erwogen:
§ 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, hat folgenden Wortlaut:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden."
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 9. März 1989, G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und" in dieser Bestimmung als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des 28. Februar 1990 in Kraft tritt. Da die den Beschwerdefällen zugrunde liegenden Tatbestände jedoch vor der Aufhebung verwirklicht wurden und es sich um keine Anlaßfälle handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle in den Beschwerdefällen gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.
In den Beschwerdefällen ist zu prüfen, ob die Mitbeteiligten als Geschäftsführer der V. GmbH, der einzigen Komplementärin der V. KG, für die von letzterer als Beitragsschuldnerin (vgl. zur Eigenschaft der Personenhandelsgesellschaften selbst als Dienstgeber und Beitragsschuldner das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Zl. 83/08/0200, Slg. Nr. 12.325/A) zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren der Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG in der genannten Fassung unterliegen.
Richtig ist, daß die Mitbeteiligten als Geschäftsführer der V. GmbH "zur Vertretung juristischer Personen", nämlich der V. GmbH, "berufene Personen" im Haftungszeitraum waren, sie in dieser Eigenschaft indirekt (so die Beschwerdeausführungen) oder mittelbar (nämlich als Vertreter der geschäftsführenden Gesellschafterin der V. KG) auch zur Vertretung der zuletzt genannten Gesellschaft berufen waren und demgemäß deren Vertretung in den "Rahmen ihrer Vertretungsmacht" fiel (vgl. dazu das schon genannte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A). Dennoch teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, daß solche mittelbaren Vertreter nicht der strittigen Haftungsbestimmung unterliegen, weil unter den juristischen bzw. natürlichen Personen, deren zur Vertretung berufene Personen bzw. gesetzliche Vertreter nach § 67 Abs. 10 ASVG eine Haftung treffen soll, nur die Beitragsschuldner und nicht auch Personen zu verstehen sind, die ihrerseits wiederum Vertreter des Beitragsschuldners sind.
Zu dieser Auslegung findet sich der Gerichtshof aus folgenden Gründen bestimmt: Erstens weiß der Gesetzgeber, wie die §§ 114 Abs. 2 und 335 ASVG erweisen, mit denen sich der Gerichtshof schon bei der Prüfung der Frage, ob die Personenhandelsgesellschaften selbst oder deren Gesellschafter Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG und Beitragsschuldner im Sinne des § 58 Abs. 2 leg. cit. sind, befaßt hat, sehr klar zwischen juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften als Dienstgeber bzw. Beitragsschuldner zu unterscheiden. Deshalb darf nicht unbesehen angenommen werden, er habe im § 67 Abs. 10 ASVG unter den juristischen Personen nicht nur die Beitragsschuldner, sondern auch deren Vertreter gemeint. Gegen eine solche Annahme spricht zweitens gerade der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand, es sei nach den Gesetzesmaterialien zur 41. ASVG-Novelle (vgl. 774 Blg. NR. XVI GP, Seite 27) mit den vorgeschlagenen Bestimmungen des § 67 Abs. 4 bis 10 ASVG unter anderem bezweckt gewesen, die Haftungsregelungen des ASVG an die der BAO anzupassen. Im Hinblick auf diese Erklärung der gesetzgeberischen Absicht hat der Verwaltungsgerichtshof zwar unter anderem in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, ausgesprochen, daß deshalb, weil sich die Regelung des § 67 Abs. 10 ASVG in der genannten Fassung eng an die §§ 9 und 80 BAO anlehnt, für die Frage des Verschuldens des Vertreters an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge sinngemäß die von Lehre und Rechtsprechung zu den genannten Bestimmungen der BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können. Das gilt aber, wie die belangte Behörde mit Recht ausführt, zufolge Fehlens einer dem § 81 BAO entsprechenden Bestimmung in § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle nicht unbesehen für den Kreis der Haftungspflichtigen. Denn es kann nicht ohne Grund angenommen werden, der Gesetzgeber habe übersehen, daß der Kreis der Haftungspflichtigen nach § 9 BAO durch den Verweis auf die §§ 80 ff BAO weiter gezogen ist als durch § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle. Daß eine solche Annahme unbegründet wäre, zeigt drittens ganz eindeutig die Änderung des § 67 Abs. 10 ASVG durch die 48. Novelle, BGBl. Nr. 642/1989. Danach trifft die Haftung nämlich nunmehr "die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen". In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1098 Blg NR. XVII. GP, Seite 11) heißt es dazu:
"Neben den zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen sollen weiters jene Personen im § 67 Abs. 10 ASVG angeführt werden, die zur Vertretung von Personenhandelsgesellschaften (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufen sind. (Vgl. § 81 Abs. 1 BAO.)"
Dadurch wird vollends klargestellt, daß unter den im Eingangsteil des § 67 Abs. 10 ASVG genannten Personen, deren Vertreter eine Haftung treffen soll, - der schon genannten sonstigen Sprachregelung des ASVG entsprechend - nur die Beitragsschuldner gemeint sind.
Unter Bedachtnahme auf diese Überlegungen vermögen schließlich die Hinweise der Beschwerdeführerin auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung der Geschäftsführer von Komplementärgesellschaften einer GesmbH & Co KG nach § 9 BAO (die unter anderem in dem zitierten Erkenntnis vom 10. Juni 1980, Zl. 535/80, gestützt auf § 81 BAO, bejaht wurde) sowie die erhobenen Bedenken gegen die Sachlichkeit einer einschränkenden Haftung zur Lösung der in den Beschwerdefällen strittigen Fragen nichts beizutragen.
Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerden erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989080276.X00Im RIS seit
27.02.1990