TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/27 89/07/0049

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §64 Abs2;
AVG §8;
AVG §9;
FlVfGG §36;
FlVfLG Tir 1978 §34 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §39 Abs1 lita;
VwGG §39 Abs1 Z1 impl;
VwGG §42 Abs1;

Betreff

1.) WK 2.) JK 3.) JM 4.) WE 5.) FE und 6.) HT gegen Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 26. Mai 1988, Zl. LAS-48/15-86, betreffend Bestellung eines Sachwalters für eine Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft HG)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (in der Folge kurz: AB) hat mit Bescheid vom 25. September 1987 die bereits im Jahre 1973 verfügte Bestellung des Dr. WB zum kommissarischen Verwalter (Sachwalter) der mitbeteiligten Agrargemeinschaft (AG) widerrufen. Mit demselben Bescheid hat die AB von Amts wegen für die AG anstelle der bisher gültigen Verwaltungssatzungen neue Satzungen erlassen. Dieser Bescheid der AB ist spätestens am 3. Dezember 1987 in Rechtskraft erwachsen, nachdem die Berufungen mehrerer Mitglieder der AG zurückgezogen und die verbliebene Berufung des FM mit Bescheid des Landesagrarsenats beim Amt der Tiroler Landesregierung (der nunmehr belangten Behörde) vom 19. November 1987 als unbegründet abgewiesen worden und diese Abweisung dem Berufungswerber am 3. Dezember 1987 zugestellt worden war.

Am 3. Dezember 1987 berief die AB eine außerordentliche Vollversammlung der AG für den 15. Dezember 1987 ein, die in erster Linie der Wahl von Organen der AG dienen sollte. Bei dieser vom Vertreter der AB Dr. HS geleiteten außerordentlichen Vollversammlung waren sämtliche Mitglieder der AG anwesend bzw. vertreten. Mehrere dieser Mitglieder legten eine schriftliche Erklärung vor, in welcher sie dagegen Stellung nahmen, daß der vormalige Sachwalter Dr. WB zu dieser Vollversammlung nicht geladen worden war.

Der Niederschrift über diese Vollversammlung vom 15. Dezember 1987 ist zu entnehmen, daß nach Feststellung der Anwesenden und nach Verlesung der zuletzt genannten Eingabe an die Mitglieder der AG Stimmzettel verteilt wurden. Dann heißt es in dieser Niederschrift:

"... Mit Ausnahme des FM bzw. seines Vertreters weigern sich alle anderen Mitglieder, an der Obmannwahl teilzunehmen. Der Vorsitzende fordert die Mitglieder zwei Mal auf, einen Obmann zu wählen. Vor der 3. Aufforderung wird die Belehrung und Androhung nach § 37 Abs. 3 TFLG 1978 ausgesprochen. Trotzdem verweigern die Mitglieder die Wahl und tragen keinen Namen auf den Stimmzetteln ein. Lediglich DS (der Vertreter des FM) nimmt an der Wahl teil. Eine Mehrheit liegt somit nicht vor. Die leeren Stimmzettel werden eingesammelt. Die Wahl eines Obmannstellvertretes entfällt zwangsläufig. ..."

Nachdem auch die Wahl eines Kassiers verweigert worden war, wurden noch zwei weitere Tagesordnungspunkte behandelt und danach die außerordentliche Vollversammlung geschlossen.

Unter Bezugnahme auf die ergebnislos gebliebene Wahl richtete sodann die AB an die Mitglieder der AG am 16. Dezember 1987 ein Schreiben, in welchem diese nochmals gemäß § 37 Abs. 3 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54/1978 (TFLG), belehrt wurden. Die Mitglieder der AG wurden darin um Mitteilung bis längstens

30. Dezember 1987 ersucht, ob sie bereit seien, in einer neuerlich von der AB einberufenen Vollversammlung die in der Satzung vorgesehenen Organe zu wählen. Ohne solche Mitteilung müßte die AB dem gesetzlichen Auftrag entsprechend das Erforderliche veranlassen, "insbesondere müßte neuerlich ein Sachwalter bestellt werden, der die Agrargemeinschaft auf deren Gefahr und Kosten vertritt".

Auf das Schreiben der AB vom 16. Dezember 1987 reagierte der Rechtsanwalt der nunmehrigen Beschwerdeführer mit einer Eingabe, in welcher er Dr. HS als befangen ablehnte, weil sich seine Mandanten von diesem Mitarbeiter der AB "in gesetzwidriger Weise unter Druck gesetzt" fühlten. Das weitere Mitglied der AG FM gab bekannt, daß er in einer weiteren Vollversammlung die in der Satzung vorgesehenen Organe wählen würde.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1988 bestellte sodann die AB gemäß § 37 Abs. 3 TFLG in Verbindung mit dem (inhaltsgleichen) § 18 Abs. 2 der Satzung Oberrat Dr. JG vom Amt der Tiroler Landesregierung bis auf Widerruf als Sachwalter für die AG auf deren Gefahr und Kosten; der Sachwalter wurde mit allen Befugnissen der Organe der AG betraut. Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 iVm § 1 AgrVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen. Begründend führte die AB dazu nach einer kurzen Darstellung des vorangegangenen Verfahrensablaufes aus, Agrargemeinschaften seien Körperschaften des öffentlichen Rechts und als solche juristische Personen, die durch ihre Organe handelten. Wenn sich die überwiegende Mehrheit der Mitglieder beharrlich weigere, die Selbstverwaltung auszuüben und die zur Geschäftsführung und Vertretung befugten Organe zu bestellen, dann sei die Agrarbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, nach vorheriger Androhung das Erforderliche zu veranlassen. Wenn die Bestellung der Organe vernachlässigt werde, könne dieses "Erforderliche" nur in der Bestimmung eines Sachwalters bestehen, damit die Handlungsfähigkeit der AG gegeben sei. Der nunmehr bestellte Sachwalter sei auf Grund seiner langjährigen Berufserfahrung mit den Verhältnissen der AG bestens vertraut und befähigt, das Amt eines Sachwalters mit allen Befugnissen der in der Satzung genannten Organe auszuüben. Um die kontinuierliche Handlungsfähigkeit der AG zu gewährleisten, sei es geboten, daß der Bestellung des Sachwalters sofort volle Rechtswirkung zukomme. Daher sei die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung auszuschließen gewesen.

In einem Schreiben vom 13. Jänner 1988 forderte hierauf der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer den neu bestellten Sachwalter auf, "keinerlei Tätigkeit als Sachwalter auszuüben, da eine solche Tätigkeit verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte meiner Mandanten verletzt". Überdies wies der Anwalt darauf hin, daß seine Mandanten "nach wie vor bereit sind, ordnungsgemäß bei einer Vollversammlung Organe zu wählen". Die Bestellung eines Sachwalters sei somit gesetzwidrig und unzulässig. In diesem wie auch in seinem weiteren Schreiben vom 15. Jänner 1988 gab der Anwalt jedoch zu erkennen, daß seine Mandanten an ihrer Forderung festhielten, daß zu einer einzuberufenden Vollversammlung auch der vormalige Sachwalter Dr. WB zu laden wäre.

Überdies erhoben die Beschwerdeführer gegen den Bescheid der AB vom 11. Jänner 1988 Berufung, in der sie bestritten, daß die Voraussetzungen für die neuerliche Bestellung eines Sachwalters vorlägen. Auch in dieser Berufung hielten die Beschwerdeführer an ihrer Auffassung fest, die Vollversammlung vom 15. Dezember 1987 sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil dazu Dr. WB nicht geladen worden sei. Es habe somit die AB selbst eine Wahl der Gemeinschaftsorgane vereitelt. Am 15. Dezember 1987 habe nur ein "offensichtlich informelles Treffen" stattgefunden, bei welchem die Beschwerdeführer auf der Vorladung des früheren Sachwalters bestanden hätten. Trotzdem sei seitens der AB das Schreiben vom 16. Dezember 1987, welches keinen Bescheid darstelle, abgefaßt worden. Außerdem seien die Beamten der AB Dr. HS und Dr. WB befangen. Ferner sei die Bestellung des OR. Dr. JG als eines Mitgliedes des Landesagrarsenates zum neuen Sachwalter Ausdruck des den Beschwerdeführern gegenüber unfairen Verfahrens. Schließlich werde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung als gesetzwidrig bekämpft. Das Vorgehen der AB sei insgesamt offensichtlich gesetzwidrig und schuldhaft.

In einem weiteren Schreiben vom 25. Jänner 1988, gerichtet an den neuen Sachwalter, ersuchten die Beschwerdeführer, nun erstmals ohne jede Bedingung, um Anberaumung einer weiteren Vollversammlung, da sie bereit wären, auch ohne Zuziehung des Dr. WB die erforderlichen Gemeinschaftsorgane zu wählen. Daran hielten die Beschwerdeführer nun auch in einem weiteren Schreiben vom 1. Februar 1988 sowie in einer Ergänzung ihrer Berufungsschrift, ebenfalls vom 1. Februar 1988, fest. In dieser Berufungsergänzung wurden überdies weitere Argumente gegen die Eignung des neu bestellten Sachwalters vorgebracht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 1988 wies die belangte Behörde nach Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 37 Abs. 3 TFLG als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach einer ausführlichen Darstellung des Berufungsvorbringens im wesentlichen aus, daß die (neuerliche) Bestellung eines Sachwalters für die AG zu Recht erfolgt sei; dies folge aus den im angefochtenen Bescheid noch einmal im einzelnen dargestellten Vorgängen vor und nach der außerordentlichen Vollversammlung vom 15. Dezember 1987. Gemäß § 37 Abs. 3 TFLG und § 18 Abs. 2 der Satzungen sei die Agrarbehörde als Aufsichtsbehörde verpflichtet, einzuschreiten. Aus den Akten ergebe sich, daß die AG die Bestellung ihrer Organe auch nach wiederholten Hinweisen der AB auf die Rechtslage vernachlässigt habe. Die im § 37 Abs. 3 TFLG vorgesehene Androhung könne in jeder Form erfolgen und bedürfe nach Ansicht der belangten Behörde keines Bescheides. Die nunmehr erklärte Bereitschaft der Beschwerdeführer, anläßlich einer Wahl die entsprechenden Organe der AG zu bestellen, stehe im Widerspruch zu ihrem Verhalten in der Vollversammlung vom 15. Dezember 1987. Einen Rechtsanspruch darauf, daß zur Vollversammlung auch der frühere Sachwalter geladen würde, hätten die Beschwerdeführer nie gehabt. Auch könne die belangte Behörde keinen Grund für die Annahme einer Befangenheit der für die AB eingeschrittenen Beamten erkennen. Zur Person des neu bestellten Sachwalters Dr. JG führte die belangte Behörde aus, gerade aus dessen gelegentlicher Befassung mit Problemen der AG sei ersichtlich, daß er sich hinsichtlich der sehr komplexen Vorgänge innerhalb dieser AG bestens auskenne und daß er daher ad hoc in der Lage gewesen sei, für die AG stellvertretend tätig zu werden. Wie vorteilhaft sein Wirken für die AG bisher gewesen sei, sei schon daraus ersichtlich, daß eine Reihe von Streitigkeiten, die mit hohen Kosten für die AG verbunden gewesen wären, in kürzester Zeit im Vereinbarungswege erledigt worden seien. Auch der Umstand, daß Dr. JG Ersatzmitglied des belangten Landesagrarsenates sei, mache seine Bestellung zum Sachwalter nicht rechtswidrig. Gerade seine dabei erworbenen Spezialkenntnisse im Agrarrecht ließen Dr. JG geradezu für die Bestellung zum Sachwalter prädestiniert erscheinen. Ein außenstehender Rechtsanwalt etwa hätte sich sicherlich erst einarbeiten müssen, wodurch der AG weit höhere Kosten entstanden wären. Abschließend müsse noch gesagt werden, daß es zu keiner neuerlichen Sachwalterbestellung gekommen wäre, hätten sich die Mitglieder der AG zeitgerecht zu einer Wahl der Organe bereit gefunden.

Zum Zeitpunkt der Sachwalterbestellung habe die AG keine Organe gehabt, es sei aber rasches Handeln für die AG erforderlich gewesen. Es sei daher auch die ebenfalls bekämpfte Aberkennung einer aufschiebenden Wirkung einer Berufung berechtigt gewesen. Es sei im Interesse der AG im Hinblick auf zahlreiche anhängige Verfahren geboten gewesen, für funktionsfähige Organe der AG zu sorgen. Durch die sofortige Bestellung des Sachwalters, verbunden mit der Aberkennung einer aufschiebenden Wirkung einer Berufung, habe die AG sofort handlungsfähige Organe bekommen. Diese Vorgangsweise sei daher im § 64 Abs. 2 AVG 1950 gedeckt.

Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides stellten die Beschwerdeführer den Antrag auf bescheidmäßige Enthebung des Sachwalters Dr. JG und auf unverzügliche Verfügung der Anberaumung einer Vollversammlung zum Zwecke der Wahl der Gemeinschaftsorgane. Mit Bescheid vom 6. September 1988 hat sodann die AB die Bestellung des Oberrates Dr. JG als Sachwalter für die AG gemäß § 37 Abs. 3 TFLG widerrufen, und zwar mit dem Beisatz, daß dieser Widerruf erst mit der Wahl der in der Satzung der AG vorgesehenen Organe wirksam werde.

Den Bescheid der belangten Behörde vom 26. Mai 1988 haben die Beschwerdeführer mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen behaupteter Verletzung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte bekämpft; der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 27. Februar 1989, Zl. B 1311/88, abgelehnt und hat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "insofern beschwert, als die belangte Behörde nicht in Stattgebung ihrer Berufung einen Widerruf der Bestellung des Sachwalters der Agrargemeinschaft HG verfügt hat".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig, in eventu ihre Abweisung als unbegründet beantragt.

Die mitbeteiligte AG hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vernachlässigt die Agrargemeinschaft die Bestellung der Organe oder vernachlässigen die Organe die satzungsgemäßen Aufgaben, so hat gemäß § 37 Abs. 3 TFLG die Agrarbehörde (als Aufsichtsbehörde) nach vorheriger Androhung das Erforderliche auf deren Gefahr und Kosten zu veranlassen; sie kann insbesondere einen Sachwalter mit einzelnen oder allen Befugnissen der Organe auf Kosten der Agrargemeinschaft betrauen.

Diese Bestimmung des TFLG wurde wortgleich in § 18 Abs. 2 der Satzungen der AG aufgenommen. Diese Satzungen sehen in ihrem § 4 als Organe der Agrargemeinschaft die Vollversammlung und den Obmann vor. Der Obmann und dessen Stellvertreter sind gemäß § 5 Abs. 1 der Satzungen von der Vollversammlung aus ihrer Mitte mit Stimmzetteln in getrennten Wahlvorgängen zu wählen. Hiebei steht jedem Mitglied eine Stimme zu. Ebenfalls von der Vollversammlung gewählt oder bestellt werden der Kassier und die Rechnungsprüfer. Gemäß § 6 Abs. 1 der Satzungen hat die Vollversammlung regelmäßig einmal im Jahr stattzufinden; eine außerordentliche Vollversammlung hat gemäß § 6 Abs. 2 stattzufinden a) wenn es der Obmann für notwendig erachtet, b) binnen eines Monates ab Antragstellung, wenn es mindestens die Hälfte der Mitglieder begehrt und c) wenn es die Agrarbehörde anordnet oder selbst eine einberuft. Die Einberufung der Vollversammlung hat gemäß § 6 Abs. 4 der Satzungen in der Weise zu geschehen, daß die Tagesordnung mindestens eine Woche vorher ortsüblich kundgemacht wird und die Mitglieder nachweislich eingeladen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung nicht zu folgen, daß durch den inzwischen erfolgten Widerruf der Bestellung des OR. Dr. JG zum Sachwalter der AG Klaglosstellung der Beschwerdeführer eingetreten wäre. Eine förmliche Klaglosstellung oder sonstige Gegenstandslosigkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG liegt nicht vor; dies deshalb weil der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid nach wie vor dem Rechtsbestand angehört, und weil auf Grund der durchaus denkbaren Fernwirkungen dieses Bescheides keinesfalls davon ausgegangen werden kann, daß der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde nach der Sachlage überhaupt keine Bedeutung mehr zukommen könne (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, auf S. 306 ff angeführte Judikatur).

Die belangte Behörde ist auch damit nicht im Recht, daß die einzelnen Mitglieder der AG durch die Bestellung eines Sachwalters nicht in ihren Rechten berührt werden könnten, und daß daher ihre Beschwerde mangels Parteistellung zurückzuweisen wäre. Schon allein dadurch, daß den einzelnen Mitgliedern der AG durch eine behördliche Sachwalterbestellung die Möglichkeit genommen wird, sich im Rahmen der Selbstverwaltung ihre Gemeinschaftsorgane gemäß den Satzungen selbst zu wählen, greift eine Sachwalterbestellung ganz offenkundig in die Rechte der einzelnen Gemeinschaftsmitglieder ein. Dazu haben die Beschwerdeführer mit Recht in einem ergänzenden Schriftsatz zu ihrer Beschwerde darauf hingewiesen, daß dann, wenn in dieser Frage nur die Agrargemeinschaft selbst Parteistellung hätte, eine Bekämpfung seiner Bestellung zum Sachwalter nur diesem selbst als dem einzigen dafür zuständigen Gemeinschaftsorgan zukäme. Der Verwaltungsgerichtshof konnte deshalb nicht zu dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift beantragten Ergebnis einer Zurückweisung der vorliegenden Beschwerde gemäß § 34 VwGG kommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte somit zu prüfen, ob die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Sachwalterbestellung durch die AB gerechtfertigt war oder nicht. Sache des vor der belangten Behörde anhängig gewesenen Berufungsverfahrens und des angefochtenen Bescheides war dabei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches im Bescheid der AB gebildet hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1983, Zl. 81/10/0137). Diese Angelegenheit war ausschließlich die von der AB verfügte Sachwalterbestellung, nicht aber ein allenfalls später vorzunehmender Widerruf dieser Bestellung. Es gehen deshalb alle Hinweise der Beschwerde auf ein nach dieser Sachwalterbestellung geändertes Verhalten der Beschwerdeführer in der Frage ihrer Bereitschaft, Gemeinschaftsorgane zu wählen, ebenso ins Leere wie das Beschwerdevorbringen zur Vorgangsweise der AB bei dem durch sie inzwischen bescheidmäßig vorgenommenen Widerruf der Bestellung des OR. Dr. JG zum Sachwalter der AG.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1980, Zl. 2341/79, hinsichtlich der AG festgestellt hat, ist diese eine Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß § 34 Abs. 3 TFLG, die durch ihre Organe tätig wird. Bis zu seiner rechtskräftigen Enthebung auf Grund des Bescheides des LAS vom 19. November 1987 war für die AG in der Person des Dr. WB ein Sachwalter mit allen Befugnissen bestellt, die nach der Satzung dem Ausschuß und dem Obmann zukamen. Seine Enthebung brachte die Notwendigkeit der Bestellung neuer Gemeinschaftsorgane mit sich, weil die AG ansonsten nicht handlungsfähig gewesen wäre. Diese Bestellung neuer Organe sollte satzungsgemäß im Wege der Wahl durch die Mitglieder erfolgen. Entscheidender Streitpunkt im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Frage, ob das Mißlingen dieser beabsichtigten Wahl die AB zur neuerlichen Bestellung eines Sachwalters für die AG berechtigt hat.

Bei der Prüfung dieser Frage hatte der Verwaltungsgerichtshof nach der Aktenlage davon auszugehen, daß die Einberufung der außerordentlichen Vollversammlung für den 15. Dezember 1987 durch die AB dem TFLG nicht widersprach und in § 6 Abs. 2 lit. c der Satzungen der AG gedeckt war, und daß diese Einberufung auch alle Mitglieder rechtzeitig erreicht hat. Bei der außerordentlichen Vollversammlung waren alle Mitglieder anwesend bzw. vertreten, und sie haben sich auf die Behandlung der vorgesehenen Tagesordnungspunkte auch eingelassen.

Die Beschwerdeführer halten in ihrer Beschwerde daran fest, daß sie berechtigterweise begehrt hätten, den früheren Sachwalter Dr. WB der außerordentlichen Vollversammlung am 15. Dezember 1987 beizuziehen, und daß ihre Weigerung, bei dieser Vollversammlung eine Wahl der Gemeinschaftsorgane vorzunehmen, durch die Nichtteilnahme des früheren Sachwalters gerechtfertigt gewesen sei. Dieser Argumentation vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, findet doch dieses Begehren der Beschwerdeführer weder im Gesetz noch in der Satzung der AG Deckung. Hätten die Beschwerdeführer nicht durch ihre somit unbegründete Weigerung die Wahl von neuen Gemeinschaftsorganen verhindert, dann wäre es diesen umgehend möglich gewesen, namens der AG auf geeignete Weise für die Vorlage eines Abschlußberichtes durch den früheren Sachwalter zu sorgen.

Die Beschwerdeführer halten ferner ihr Vorbringen aufrecht, daß die in § 37 Abs. 3 TFLG vorgesehene Androhung durch die Aufsichtsbehörde, das "Erforderliche" (im Beschwerdefall: eine Sachwalterbestellung) zu veranlassen, der Bescheidform bedurft hätte. Auch dieses Vorbringen findet jedoch im Gesetz keine Deckung. Durch die in der Vollversammlung im Beisein aller Mitglieder mündlich und unmittelbar danach durch das Schreiben der AB vom 16. Dezember 1987 neuerlich erfolgte Androhung wurde vielmehr dem Gesetz, welches keine näheren Formerfordernisse für diese Androhung normiert, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer durchaus Genüge getan.

Die Beschwerdeführer meinen schließlich, die Agrarbehörden hätten in der Person des OR. Dr. JG eine "untaugliche Person" zum Sachwalter bestellt, weil jener schon auf Grund seiner hauptberuflichen Tätigkeit als weisungsgebundener Beamter des Landesagrarsenates nicht dazu geeignet erscheine, seine Tätigkeit in unabhängiger Weise zum Wohle der AG durchzuführen. Die Beschwerdeführer räumen zwar ein, daß Dr. JG auf Grund seiner Tätigkeit von seinen Rechtskenntnissen her sehr wohl in der Lage wäre, die AG ordnungsgemäß zu vertreten, doch sei es nicht Sinn und Zweck der Bestimmung des § 37 Abs. 3 TFLG, daß sich "die Agrarbehörde aus ihren Reihen einen von ihr abhängigen und ihr genehmen Sachwalter zur Unterjochung freier Tiroler Bauern" bestellen könne.

Das Gesetz enthält keine Vorschriften darüber, welche Personen für eine Sachwaltertätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 3 TFLG in Betracht kommen. Es besteht somit keine Vorschrift dahingehend, daß von einer solchen Tätigkeit Landesbeamte ausgeschlossen wären. Das Gesetz ist daher durch die strittige Sachwalterbestellung nicht verletzt worden; die belangte Behörde hat darüber hinaus in der Begründung des angefochtenen Bescheides gute Gründe dafür geltend gemacht, daß die vorgenommene Sachwalterbestellung auch von der Sache her zweckmäßig gewesen sei. Zur behaupteten Abhängigkeit des bestellten Sachwalters von der bestellenden Behörde bzw. der ihm übergeordneten Behörden ist darauf hinzuweisen, daß die Rechtsstellung eines von der Behörde bestellten Sachwalters allein auf Grund seiner Zugehörigkeit zum Kreis der öffentlich Bediensteten nicht anders zu beurteilen ist, als bei der Bestellung eines Sachwalters, der diesem Personenkreis nicht angehört. Ob und inwieweit die Vertretungstätigkeit des OR. Dr. JG für die AG deren berechtigten Interessen im Beschwerdefall tatsächlich gedient hat, war weder im angefochtenen Bescheid zu behandeln noch erstreckte sich darauf im vorliegenden Beschwerdefall die Rechtskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Soweit in der Beschwerde Vorbringen gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid enthalten ist, verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, daß nicht erkennbar ist, daß seitens der AB die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung mit Rücksicht auf die Dringlichkeit der Erhaltung der Handlungsfähigkeit der AG nicht dem Gesetz (§ 64 Abs. 2 AVG 1950) entsprechend begründet worden wäre.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde erstmals in dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz im verwaltungsgerichtlchen Verfahren und damit verspätet gestellt (vgl. dazu die bei Dolp aaO auf S. 540 angeführte Judikatur). Aber auch abgesehen davon ließen die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

SachwalterParteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070049.X00

Im RIS seit

24.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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