TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/26 B794/86

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Veröffentlicht am 26.06.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

StGG Art4
StGG Art6 Abs1
StGG Art8
PersFrSchG
MRK 4. ZP Art2
MRK Art5

Leitsatz

Von Kriminalbeamten ausgesprochenes Verbot, ein Schiff zu verlassen und an Land zu gehen - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördicher Befehls- und Zwangsgewalt; Amtshandlung nicht auf Beschränkung der Bewegungsfreiheit gerichtet, sondern darauf, die Einreise des ausländischen Bf. nach Österreich zu verhindern; keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit; Ausländern ist ein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet verfassungsgesetzlich nicht gewährleistet - keine Verletzung im Recht auf Freizügigkeit der Person und auf Niederlassungsfeiheit

Spruch

Der Bf. ist dadurch, daß ihm am 12. und 13. August 1986 von Organen der Bundespolizeidirektion Wien verboten wurde, ein Donauschiff zu verlassen, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtwidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch die bekämpfte Amtshandlung in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

Der Bf. ist schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur die mit S 10.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 (Abs1 zweiter Satz) B-VG gestützte Beschwerde wendet sich dagegen, daß dem Bf. am 12. August 1986 - als er mit einem Donauschiff aus Budapest kam von Organen der Bundespolizeidirektion Wien verboten wurde, dieses Schiff zu verlassen und daß er daher genötigt war, die Nacht vom 12. auf den 13. August 1986 auf dem Schiff zu verbringen.

Der Bf. erachtet sich dadurch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit (Art8 StGG, Art5 MRK), auf Freizügigkeit der Person (Art4 StGG), auf Niederlassungsfreiheit (Art6 StGG) sowie im Recht nach Art2 des 4. ZP MRK verletzt. Er beantragt, diese behaupteten Rechtsverletzungen kostenpflichtig festzustellen.

hilfsweise die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

2. Die durch die Finanzprokuratur vertretene Bundespolizeidirektion Wien legte die Verwaltungsakten vor. Sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Auf Grund des übereinstimmenden Parteienvorbringens und des vorgelegten Verwaltungsaktes der Bundespolizeidirektion Wien ZI-Pos. 5037/VII-5/StB/86 steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bf. - ein rumänischer Staatsangehöriger - reiste am 12. August 1986 mit einem unter tschechoslowakischer Flagge fahrenden Schiff von Budapest nach Wien. Dieses legte gegen 19 Uhr 45 an der Grenzkontrollstelle Wien-Praterkai an. Unter den Personen, die an Land gehen wollten, befand sich auch der Bf. Den die Grenzkontrolle vornehmenden Kriminalbeamten gegenüber gab er an, als Tourist nach Österreich einreisen zu wollen. Er verfügte über kein österreichisches Einreisevisum und seinen Behauptungen zufolge lediglich über einen Betrag von DM 1.200. Die Kriminalbeamten gestatteten ihm nicht, an Land zu gehen, sodaß er die Nacht auf dem Schiff verbringen mußte. Erst als ein in Österreich wohnhafter Bekannter für den Bf. intervenierte und eine Bürgschaftserklärung abgab, wurde diesem am 13. August 1986 morgens das Verlassen des Schiffes gestattet.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Die angefochtene Amtshandlung - nämlich das von Kriminalbeamten ausgesprochene Verbot, das Schiff zu verlassen und an Land zu gehen - ist als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, die nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim VfGH bekämpfbar ist.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit liegt jedoch nicht vor:

Nach Art8 StGG ist die Freiheit der Person gewährleistet. Diese Verfassungsnorm und das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, schützen jedoch - ebenso wie Art5 MRK - nicht vor jeglicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit schlechthin (vgl. VfSlg. 10378/1985), sondern nur vor solchen Maßnahmen, die nach dem Willen der Behörde primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet sind (vgl. zB Vfslg. 8879/1980 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Die bekämpfte Amtshandlung war nun nicht darauf gerichtet, die (Bewegungs-)Freiheit des Bf. zu beschränken, sondern zielte darauf ab, seine Einreise nach Österreich zu verhindern.

b) Zur Widerlegung der Behauptung des Bf. in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freizügigkeit der Person und auf Niederlassungsfreiheit (Art4 und 6 StGG sowie Art2 des 4. ZP MRK) verletzt worden zu sein, genügt es, auf die ständige Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 3913/1961, 8611/1979 und 9174/1981) zu verweisen, wonach Ausländern ein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet verfassungsgesetzlich nicht gewährleistet ist.

c) Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. durch die bekämpfte Amtshandlung in einem sonstigen, von ihm nicht geltenden gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

3. Sie war aber antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem VwGH zur Entscheidung darüber abzutreten, ob der Bf. durch die angefochtenen Maßnahmen in einem sonstigen Recht verletzt wurde.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B794.1986

Dokumentnummer

JFT_10129374_86B00794_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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