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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131a;Betreff
N gegen die Bezirkshauptmannschaft Horn wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerde richtet sich gegen die am 15. September 1989 um
23.23 Uhr in Horn erfolgte vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers durch Beamte des Gendarmeriepostenkommandos Horn. Der Beschwerdeführer beantragt, diese Maßnahme kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.
Die Bezirkshauptmannschaft Horn hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der - im wesentlichen unbestrittene - Sachverhalt wird vom
Verwaltungsgerichtshof wie folgt als erwiesen angenommen: Der Beschwerdeführer hat am 15. September 1989 um ungefähr
20.15 Uhr mit einem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht. Dabei wurde auch das Kfz beschädigt. Neben Schäden an der Karosserie wurden ein (laut Gegenschrift der belangten Behörde) oder zwei (laut Beschwerde) Reifen "entlüftet". Der Beschwerdeführer lenkte das Kfz auf einen nahegelegenen (ungefähr 150 bis 200 m entfernten) Parkplatz. Dort wurde er im Kfz sitzend um ungefähr 23.00 Uhr von den Gendarmeriebeamten angetroffen. Bei einer anschließenden Messung der Atemluft wurde ein Alkoholgehalt von über 0,4 mg/l festgestellt.
Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die völlige Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird u.a. dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0146, und vom 28. März 1989, Zl. 88/11/0117).
In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof die Annahme von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, eine bestimmte durch Alkohol in ihrer Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug zu lenken, beeinträchtigte Person werde in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen, als ungerechtfertigt qualifiziert und dementsprechend die vorläufige Führerscheinabnahme für rechtswidrig erklärt, wenn die Person nach erkennbar abgeschlossenem Lenkvorgang in ihrer Wohnung angetroffen worden ist (vgl. außer dem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. Jänner 1987 jenes vom 17. September 1986, Zl. 86/11/0046), wenn sie beim Verlassen eines Firmenparkplatzes angetroffen wurde, auf dem sie das von ihr gelenkte Firmenfahrzeug abgestellt hat (vgl. das Erkenntnis vom 19. November 1986, Zl. 86/11/0136), wenn sie nach einem Verkehrsunfall in einem Krankenhaus stationär aufgenommen worden ist (vgl. das Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 87/11/0026), wenn das Fahrzeug bei einem Unfall schwer beschädigt wurde und der Lenker danach verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert wurde (vgl. das Erkenntnis vom 14. Juni 1988, Zl. 88/11/0049), wenn das Kraftfahrzeug in großer Entfernung vom Ort der Führerscheinabnahme abgestellt war (vgl. das Erkenntnis vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/11/0260), sowie wenn am Kraftfahrzeug bei einem Verkehrsunfall ein Totalschaden entstanden ist (vgl. das Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/11/0117). In all diesen Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof mangels entgegenstehender Anhaltspunkte die Auffassung vertreten, daß die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Eindruck haben mußten, die betreffende Person werde in nächster Zeit kein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen.
Im Lichte dieser Rechtsprechung erweist sich die angefochtene vorläufige Führerscheinabnahme als nicht rechtswidrig. Für die einschreitenden Gendarmeriebeamten bestand Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer könnte in seinem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versuchen, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Der Beschwerdeführer ist in einer anderen Gemeinde als Horn wohnhaft. Das Kraftfahrzeug wies zwar Beschädigungen auf. Das Ausmaß dieser Beschädigungen war aber nicht dergestalt, daß es ausgeschlossen erscheinen mußte, der Beschwerdeführer werde nicht zumindest den Versuch unternehmen, das Kraftfahrzeug - etwa nach Montieren des Reserverades - ungeachtet eines allfälligen zweiten defekten Reifens wieder in Betrieb zu nehmen. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, das Fahrzeug vom Unfall- bis zum Abstellort gelenkt zu haben. Von einem für die Gendarmeriebeamten erkennbar abgeschlossenen Lenkvorgang kann keine Rede sein. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme kommt es auch nicht darauf an, ob es objektiv unmöglich gewesen ist, das Kraftfahrzeug weiter zu benützen. Es genügt vielmehr, daß die Beamten auf Grund eines Augenscheines, der sich durchaus auf die Betrachtung des Fahrzeuges beschränken konnte, zur Annahme gelangen konnten, daß ein allfälliger Versuch des Beschwerdeführers, das Fahrzeug trotz seiner Beschädigung in nächster Zeit wieder in Betrieb zu nehmen, nicht von vornherein scheitern müßte.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf den letzten Satz des § 59 Abs. 3, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110257.X00Im RIS seit
19.03.2001