TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/6 89/11/0161

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Veröffentlicht am 06.03.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §52 Z10a;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
VStG §47;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 11. April 1989, Zl. MA 70-8/252/89, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. April 1989 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 vorübergehend für die Dauer von drei Monaten (vom 22. Februar bis 22. Mai 1989) entzogen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde stützte die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers darauf, daß er mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf, vom 12. Jänner 1989 rechtskräftig schuldig erkannt wurde, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws am 11. November 1988 um

8.35 Uhr in Wien 19, Heiligenstädterstraße, auf der Höhe des Hauses Nr. 295, in Fahrtrichtung Stadtgrenze, die durch Verkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit (von 70 km/h) um mehr als 50 km/h überschritten, sich dabei besonders rücksichtslos gegenüber anderen Straßenbenützern verhalten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 52 Z. 10a StVO 1960 begangen zu haben. In diesem Verhalten sei eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 zu erblicken. Im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 sei zu berücksichtigen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers verwerflich sei, weil er zur Erzielung eines relativ geringen Zeitgewinnes eine Geschwindigkeit gewählt habe, durch die die Risken (im Straßenverkehr) erheblich erhöht worden seien. Die seit der Tat verstrichene Zeit sei zu kurz, um auf eine Änderung seiner Sinnesart schließen zu können.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe kein Ermittlungsverfahren betreffend das Vorliegen einer bestimmten Tatsache durchgeführt, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde mit Recht von der Bindung an die rechtskräftige Strafverfügung vom 12. Jänner 1989 ausgegangen ist. Hinsichtlich der Bindung der Kraftfahrbehörde an derartige rechtskräftige Strafverfügungen in bezug auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 genügt es, im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage hinzuweisen (siehe die Erkenntnisse vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0070, vom 19. September 1989, Zl. 89/11/0068, und vom 22. September 1989, Zl. 89/11/0065). Der Beschwerdeführer bringt keine Argumente vor, die den Verwaltungsgerichtshof zum Abgehen von dieser Rechtsprechung veranlassen könnten. Der Standpunkt des Beschwerdeführers, eine Bindung könne deshalb nicht bestehen, weil es sich nicht um eine Vorfrage, sondern um die Hauptfrage handle, die die Kraftfahrbehörde selbst zu beurteilen habe, kann nicht geteilt werden. Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 ist vielmehr eine Vorfrage zu der im Rahmen des Entziehungsverfahrens als Hauptfrage zu beurteilenden Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person.

Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 allein rechtfertigt noch nicht die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person. Gemäß § 66 Abs. 1 leg. cit. gilt eine Person dann als verkehrsunzuverlässig, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen und ihrer Wertung angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe u.a. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden wird.

Gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 sind für die Wertung bestimmter Tatsachen im Sinne des Abs. 1 bei strafbaren Handlungen ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers war zu berücksichtigen, daß das unbestrittene Ausmaß der von ihm begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung angesichts der örtlichen Verhältnisse - es handelt sich bei dem Tatort um eine vier Fahrstreifen breite, gerade verlaufende Straße mit Gegenverkehr, ohne Kreuzung - zwar eine erhebliche Erhöhung der mit dem Straßenverkehr verbundenen Gefahren herbeigeführt hat. Daß das Verhalten des Beschwerdeführers als besonders gefährlich beurteilt werden müßte, kann aber auf Grund der örtlichen Verhältnisse allein noch nicht gesagt werden. Es bedürfte dazu vielmehr genauer Feststellungen über die konkreten Straßen- und Verkehrsverhältnisse zur Tatzeit. Den Gesichtspunkt der Gefahrenerhöhung hat die belangte Behörde im Rahmen des Wertungskriteriums der Verwerflichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt. Richtig ist, daß die seit der Tat verstrichene Zeit von drei Monaten und elf Tagen bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides zu kurz ist, um im Rahmen der Wertung zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht zu fallen. Für den Beschwerdeführer spricht allerdings in starkem Maße die Tatsache, daß er seit 1974 die Lenkerberechtigung besitzt und nach der Aktenlage als "Schnellfahrer" bisher nicht in Erscheinung getreten ist. Die aufgezählten, im Rahmen der Wertung zu beachtenden Umstände lassen insgesamt nicht auf ein derart ungünstiges Charakterbild des Beschwerdeführers schließen, daß befürchtet werden müßte, er werde die Verkehrssicherheit durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr gefährden. Die belangte Behörde ist diesbezüglich eine ausreichende Begründung schuldig geblieben. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und der angefochtene Bescheid nur in einer einzigen, mit S 30,-- zu vergebührenden Ausfertigung vorzulegen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110161.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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