TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/7 89/01/0444

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.1990
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §13a;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. August 1989, Zl. 245.662/2-II/9/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Dezember 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und sprach wie die Verwaltungsbehörde erster Instanz aus, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, sei am 11. September 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 15. September 1988 Asyl beantragt. Bei ihrer Einvernahme am 25. September 1988 habe sie angegeben, sie sei nie Mitglied der kommunistischen Partei Rumäniens gewesen und hätte daher immer Nachteile zu verzeichnen gehabt. Im Jahre 1980 hätte sie aus diesem Grunde ihren Arbeitsplatz verloren. Zwei Jahre später hätte sie Bekannten einen politischen Witz erzählt, weshalb sie elf Mal zum Sicherheitsdienst vorgeladen und dort "sehr scharf" verhört worden sei. Im Jahre 1987 seien von ihr gezüchtete Blumen von Provokateuren umgeworfen und im Gewächshaus alle Einrichtungsgegenstände zerstört worden. Ihr Sohn habe auf Grund ihrer "Schwierigkeiten mit dem Sicherheitsdienst" nur einen Hilfsarbeiterposten bekommen. Nachdem sie in Erfahrung gebracht hätte, daß ihr Haus abgerissen werden solle, hätte sie sich zum Verlassen ihres Heimatlandes entschlossen.

In der Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde die Ansicht, zufolge der gegenwärtig in Rumänien herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin zu zweifeln; diese würden daher der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Eine gesellschaftliche, wirtschaftliche oder berufliche Besserstellung von Mitgliedern der kommunistischen Partei Rumäniens bedeute noch keine Verfolgungshandlung gegenüber denjenigen, die wegen ihrer Nichtmitgliedschaft zur kommunistischen Partei gewissen Begünstigungen nicht teilhaftig würden. Die Beschwerdeführerin habe nicht behauptet, während der Verhöre durch den Sicherheitsdienst mißhandelt worden zu sein oder unmittelbar danach Nachteile erlitten zu haben. Die rumänischen Behörden hätten die Genehmigung zur Ausreise der Beschwerdeführerin erteilt. Wäre tatsächlich beabsichtigt gewesen, gegen sie Verfolgungsmaßnahmen einzuleiten, so wäre es ihr niemals gestattet worden, ihr Heimatland legal für eine Reise in einen westeuropäischen Staat zu verlassen; dies werde offenkundig nur Personen mit "unauffälligem" oder regimekonformem Verhalten zugebilligt.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber das politische System in seinem Heimatland ablehne, jedoch konkret keinen Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Da die Beschwerdeführerin diese Ablehnung auch nicht öffentlich "bekannt gemacht" habe, könne es auch aus diesem Grunde zu keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Flüchtlingskonvention kommen. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland im Beruf oder bei der Vergabe von Wohnungen nicht die Privilegien eines Mitgliedes der kommunistischen Partei genossen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (AsylG), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, es sei nicht zwingend anzunehmen, daß den ersten Angaben des Asylwerbers gegenüber etwaigen späteren Darlegungen eine erhöhte Beweiskraft zuzubilligen sei, da doch der Flüchtling nach dem Übertritt in das Asylland unter Schockwirkungen stehe und sich scheue, sich dem vernehmenden Beamten anzuvertrauen. Sache der Behörde wäre es, gezielte Fragen für eine positive Erledigung des Asylansuchens an den Asylwerber zu richten.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eine Beweiswürdigung im Sinne der Beschwerdeausführungen nicht vorgenommen hat; sie hat vielmehr dem angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Grunde gelegt und unwidersprochen festgestellt, daß in der Berufung keine vom erstinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin abweichenden Umstände geltend gemacht worden sind. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind nicht verhalten, dem Asylwerber Unterweisungen zu erteilen, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe oder Anfragen an sie so zu formulieren, damit einem Asylantrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 26. Februar 1986, Zl. 84/01/0267). Zentrales Entscheidungskriterium im Asylverfahren ist das Vorbringen des Asylwerbers. Entgegen den Beschwerdeausführungen ist es auch nicht einsichtig, daß der Asylwerber sich bei der späteren Darstellung (Erstbefragung und Berufung) seiner wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aus den in der Konvention genannten Gründen vor den Behörden des Asyllandes, dessen Schutz er gerade anstrebt, Zurückhaltung auferlegen sollte. Umstände, die darauf hindeuten würden, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren in einem entscheidungswesentlichen Punkt an der vollständigen Geltendmachung ihrer Rechte gehindert worden wäre, sind nicht hervorgekommen.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, die Vorladung eines rumänischen Staatsbürgers zur Geheimpolizei stelle sich als "eine Handlung der politischen Verfolgung" dar. Die Beschwerdeführerin sei elf Mal zur Polizei vorgeladen worden, weil sie 1982 einen politischen Witz erzählt habe. Dabei sei sie auch durch Stoßen ihres Kopfes gegen eine Tischkante mißhandelt und an der Stirne verletzt worden. Bei den "sehr scharfen" Verhören sei die Beschwerdeführerin einem starken psychischen Druck ausgesetzt gewesen.

Die erstmals in der Beschwerde behaupteten Mißhandlungen sind eine unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG), da die Beschwerdeführerin solche weder bei der ersten Einvernahme noch in der Berufung behauptet hat. Das im Heimatland der Beschwerdeführerin herrschende politische System, das die Beschwerdeführerin ablehnt und das alle dort lebenden Staatsbürger in gleicher Weise belastet, bildet keinen Grund, die Beschwerdeführerin als Konventionsflüchtling anzuerkennen (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 19. März 1989, Zl. 88/01/0338). Ferner begründen schon längere Zeit zurückliegende Verfolgungshandlungen keinen Asylanspruch, wenn der Asylwerber bis zu seiner tatsächlichen Flucht nicht ständig in "wohlbegründeter Furcht" vor Verfolgung aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen gelebt hat. Im Falle der Beschwerdeführerin liegt immerhin ein verfolgungsfreier Zeitraum von einigen Jahren vor (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zlen. 88/01/0303, 0304), sodaß auch die von der Beschwerdeführerin behaupteten (im Verwaltungsverfahren nicht weiter konkretisierten) "scharfen Verhöre" keinen Asylgrund darstellen.

Schließlich kann im Zertreten von Blumen auf dem Markt durch Provokateure keine Verfolgungshandlung aus den in der Konvention genannten Gründen gesehen werden.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010444.X00

Im RIS seit

07.03.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten