TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/12 90/19/0160

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Veröffentlicht am 12.03.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §16 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 lite;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des K gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28. März 1989, Zl. Sich-04/3740/1989-Ho/Ma, betreffend Sichtvermerk, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. 1. Nach Ausweis der Akten ist der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, am 22. September 1988, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein, nach Österreich eingereist. Mit Eingabe vom 15. November 1988 beantragte er bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die Erteilung eines (Wiedereinreise-)Sichtvermerkes für die Dauer von sechs Monaten. Am 14. März 1989 beantragte er vor der genannten Behörde die Erteilung eines Sichtvermerkes "für die Dauer eines Jahres ab Antragstellung".

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (die belangte Behörde) unter dem Datum 28. März 1989 einen Bescheid, mit dem sie den bezeichneten Antrag des Beschwerdeführers (irrigerweise als vom "7.11.1988" stammend angegeben) gemäß § 25 Abs. 3 lit. e des Paßgesetzes 1969 idgF abwies.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 25 Abs. 1, 2 und 3 lit. e des Paßgesetzes folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe nach seiner sichtvermerksfreien Einreise nach Österreich beschlossen, für längere Zeit in diesem Land zu bleiben und deshalb den verfahrensgegenständlichen Antrag gestellt. Zum Nachweis der Mittel für die Bestreitung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers sei eine Verpflichtungserklärung vorgelegt worden, in der sich sein Bruder und dessen Gattin verpflichteten, alle mit dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich verbundenen Kosten zu tragen. Durch das Gendarmeriepostenkommando in G sei erhoben worden, daß der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt teilweise aus Ersparnissen in der Höhe von S 50.000,-- und teilweise aus dem Einkommen seines Bruders (monatlich S 20.000,-- netto) bestreite. Weiters sei ermittelt worden, daß der Bruder des Beschwerdeführers außerdem noch für seine Gattin und vier Kinder zu sorgen und eine monatliche Miete in der Höhe von S 3.500,-- zu zahlen habe. Aufgrund dieses Sachverhaltes, insbesondere der persönlichen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers, sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß für einen Aufenthalt in Österreich der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers keinesfalls gesichert erscheine. Weiters sei zu befürchten, daß bei einem allfälligen Krankenhausaufenthalt im Bundesgebiet dem österreichischen Staat Kosten entstünden. Es sei daher die ernste Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in dem "Recht auf gesetzesgemäße Handhabung des der Behörde bei der Entscheidung über meinen Sichtvermerksantrag gemäß § 25 Paßgesetz 1986 idgF eingeräumten Ermessens" verletzt und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wobei inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 25 Abs. 1 Paßgesetz 1969, BGBl. Nr. 422, kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Gemäß Abs. 3 lit. e dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß bei richtiger Würdigung der vorgelegenen Beweisergebnisse die belangte Behörde zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, daß aufgrund der Ersparnisse des Beschwerdeführers in der Höhe von S 50.000,-- und des Einkommens des Bruders des Beschwerdeführers in der Höhe von monatlich S 20.000,-- netto der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers für die beantragte Sichtvermerksdauer von einem Jahr gesichert sei, folglich der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung der Republik Österreich führe und demnach der Versagungsgrund des § 25 Paßgesetz 1969 nicht vorliege.

2.2. Die belangte Behörde hat als für die Verwirklichung des § 25 Abs. 3 lit. e Paßgesetz 1969 maßgeblichen Sachverhalt folgendes angenommen: Zum einen Ersparnisse des Beschwerdeführers in der Höhe von S 50.000,--, ein monatliches Nettoeinkommen des sich zur Tragung der Kosten des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich verpflichtenden Bruders des Beschwerdeführers in der Höhe von S 20.000,--, die Sorgepflichten des Bruders für seine Gattin und vier Kinder sowie die von diesem zu zahlende monatliche Miete in der Höhe von S 3.500,--; zum anderen, daß bei einem "allfälligen Krankenhausaufenthalt" des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dem österreichischen Staat Kosten entstehen könnten.

3. Der aus der erstangeführten Sachverhaltsannahme gezogene Schluß, daß für einen einjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich der Lebensunterhalt "keinesfalls gesichert erscheint", entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Die belangte Behörde hat es insbesondere verabsäumt offenzulegen, welchen Maßstab sie dieser Beurteilung zugrunde gelegt hat, d.h. von welchen - an Erfahrungswerten orientierten - notwendigen persönlichen Bedürfnissen des Beschwerdeführers sie ausgegangen ist und wie hoch sie die dafür voraussichtlich auflaufenden Kosten veranschlagt hat. Eine derartige Begründung wäre umsomehr geboten gewesen, als keineswegs ohne weiteres einsichtig ist, daß ein Betrag in der Höhe von S 50.000,--, über den der Beschwerdeführer frei zu verfügen in der Lage ist, in Verbindung mit der von seinem Bruder abgegebenen Verpflichtungserklärung, die Annahme nahelegt, es drohe der Republik Österreich durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine finanzielle Belastung, noch dazu, wo sich dieser Aufenthalt aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers auf den überschaubaren Zeitraum bloß eines Jahres beschränkt.

Was die zweite unter 2.2. genannte Sachverhaltsannahme anlangt, so ist weder dem bekämpften Bescheid noch auch dem übrigen Akteninhalt zu entnehmen, daß konkrete Anhaltspunkte die belangte Behörde dazu bewogen hätten, einen Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers in den für ihre Entscheidung maßgebenden Sachverhalt einzubeziehen. Die ganz abstrakte Möglichkeit eines "allfälligen" Krankenhausaufenthaltes, ohne daß auch nur im Ansatz erkennbar wäre, worauf sich hiebei die belangte Behörde im Beschwerdefall gestützt hat, reicht als Basis für die gerechtfertigte Annahme, es bestehe (auch) unter diesem Gesichtspunkt die Gefahr einer finanziellen Belastung der Republik Österreich, nicht aus. Dazu kommt, daß - worauf in der Beschwerde zu Recht hingewiesen wird - die belangte Behörde den (ihr nach der Aktenlage nachgewiesenen) Abschluß einer Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach § 16 Abs. 1 ASVG durch den Beschwerdeführer völlig unberücksichtigt gelassen hat. Aus der im Akt erliegenden Anmeldebestätigung vom 25. Oktober 1988 ergibt sich, daß ein Anspruch auf Kassenleistungen ab 25. April 1989 besteht. Angesichts der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit 29. März 1989 blieb damit von vornherein nur ein Zeitraum von knapp einem Monat, in dem ein Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers durch dessen Krankenversicherung nicht gedeckt gewesen wäre. Daß aber gerade in dieser Zeitspanne ein Spitalsaufenthalt des Beschwerdeführers zu befürchten sei, hätte die belangte Behörde unter Zugrundelegung konkreter Anhaltspunkte darzutun gehabt.

4. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, wären ihr die aufgezeigten Verfahrensmängel nicht unterlaufen, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, sind diese Mängel wesentlich. Dies hat zur Folge, daß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190160.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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