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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 20.Februar 1989, Zl. FrB-4250/88, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 22. März 1988 wurde über den Beschwerdeführer, einen am 5. August 1959 geborenen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, in der derzeit geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet erlassen.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20. August 1987 wegen des Verbrechens nach § 15 StGB und § 12 Abs. 1 und 5 Suchtgiftgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt worden. Einem diese Strafsache betreffenden Wiederaufnahmsantrag sei im Instanzenzug vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 6. September 1988 keine Folge gegeben worden. Dem Beschwerdeführer sei in dem Strafverfahren angelastet worden, den Versuch unternommen zu haben, 200 g Heroin in Verkehr zu setzen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer gemäß einer Anzeige der Kriminalabteilung Bregenz vom 9. Dezember 1988 dringend verdächtig, im April 1987 gemeinsam mit einem Landsmann 2 kg Heroin aus Ungarn nach Österreich und anschließend über eine Grenzkontrollstelle in Lustenau in die Schweiz verbracht zu haben. Eine gerichtliche Verurteilung liege bezüglich dieses Sachverhaltes jedoch noch nicht vor. In einer Zeit des ständig zunehmenden Suchtgiftmißbrauches stelle die Einfuhr von "harten Drogen" in das Bundesgebiet an sich einen gravierenden Verstoß gegen die einschlägigen Rechtsbestimmungen dar. Die Einfuhr und der Vertrieb von Suchtgiften in einer Größenordnung, wie dies der Beschwerdeführer gesetzt habe, ließen die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit auf das höchste gefährdet erscheinen. Allein schon unter Wahrung des öffentlichen Interesses an der möglichsten Hintanhaltung bzw. Miniminierung der Suchtgiftkriminalität im Lande wäre die Behörde erster Instanz berechtigt gewesen, gegen den Fremden ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes könne gegen einen Fremden insbesondere dann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn er von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden sei. Die Tatsache, daß das Landesgericht Feldkirch den Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt habe, lasse die Schwere des Rechtsbruches besonders anschaulich zutage treten. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer nicht nur in einer einmaligen Verfehlung die Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes übertreten habe. Wenngleich hinsichtlich der zweiten angeführten Straftat noch keine gerichtliche Verurteilung vorliege, hätten das vorliegende Geständnis und die einschlägige gerichtliche Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch die belangte Behörde veranlaßt, auch diesen Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigen. Es lägen somit eindeutig die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 vor.
Zu seinen privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er halte sich bereits seit 12 Jahren im Bundesgebiet auf, sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit acht Jahren verheiratet und habe mit dieser gemeinsam zwei (acht und zwei Jahre alte) Kinder und habe für den Unterhalt seiner Familie aufzukommen. Diese Einwendungen bestünden zu Recht, sodaß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife. Eine sorgfältige Abwägung der zweifelsohne berücksichtigungswürdigen privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet mit den maßgebenden öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes im Zusammenhalt mit Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten rechtfertige den Schluß, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Wahrung der öffentlichen Interessen dringend geboten sei. Es werde von der belangten Behörde nicht verkannt, daß der lange Aufenthalt im Bundesgebiet zum einen und vor allem das bestehende Eheverhältnis mit einer österreichischen Staatsangehörigen sowie die Sorgepflicht für zwei eheliche Kinder starke Argumente des Beschwerdeführers darstellten, die gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sprechen könnten. Die öffentlichen Interessen, die Suchtgiftkriminalität möglichst zu minimieren, die gesundheitliche Gefährdung (insbesondere von jugendlichen Menschen) zu vermeiden und organisierte Verbrechen im Bereich der Rauschgiftkriminalität zurückzudrängen, seien jedoch höher einzustufen. Eine Befristung des Aufenthaltverbotes wäre auf Grund der vorliegenden gravierenden Rechtsbrüche nicht tunlich. Gerade im Bereich des Suchtgifthandels müsse immer wieder die Erfahrung gemacht werden, daß die Rückfallquote besonders hoch sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Familienleben nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz und dem Recht auf ordnungsgemäße Sachverhaltsfeststellung und mängelfreie Verfahrensführung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPolG) kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958 (MRK), genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Nach § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1) Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen; 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.
Nach Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Wer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt, ist gemäß § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Eine Suchtgiftmenge ist dann als groß anzusehen, wenn die Weitergabe einer solchen Menge geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen.
In Ausführung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich der Beschwerdeführer in erster Linie gegen die Mitberücksichtigung eines Sachverhaltes bei Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes, hinsichtlich dessen lediglich eine Anzeige der Kriminalabteilung, aber noch keine gerichtliche Verurteilung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgelegen habe. Dieses Vorbringen kann der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil im gegenständlichen Fall unbestritten eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen versuchten Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 27 Monaten vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) liegen gerade wegen der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung bei Verurteilungen wegen § 12 Suchtgiftgesetz zu Freiheitsstrafen, die den im § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG genannten Zeitraum wesentlich übersteigen, jedenfalls die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes vor (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 12. Juli 1989, Zl. 88/01/0036, und vom 20. April 1988, Zl. 88/01/0099).
Der Beschwerde kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn sie rügt, die belangte Behörde hätte die persönliche Situation und die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewürdigt. Die belangte Behörde hat ohnehin alle vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten persönlichen Umstände als gegeben erachtet und im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung gewürdigt. Sie hat dabei aber wegen der schon oben erwähnten besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die öffentlichen Interessen als schwerwiegender eingestuft als die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Dazu war sie aber berechtigt; hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seiner bereits angeführten Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß bei Verurteilungen wegen § 12 Suchtgiftgesetz zu Freiheitsstrafen, die den im § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG genannten Zeitraum wesentlich übersteigen, gerade wegen der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes selbst dann vorliegen, wenn der vom Aufenthaltsverbot betroffene Fremde im Inland sozial voll integriert ist. In dem erstgenannten Erkenntnis vom 12. Juli 1989 waren die zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnisse des damaligen Beschwerdeführers insofern ähnlich gelagert wie im gegenständlichen Fall, da sich der Fremde unter anderem seit mehr als 15 Jahren in Österreich aufgehalten und eine lange und vorbildliche Ehe mit einer Österreicherin geführt hatte, aus der Ehe zwei Kinder hervorgegangen waren und der Unterhalt der Familie von dem Fremden erbracht worden ist. Angesichts dieser Judikatur, von der abzugehen auch der vorliegende Fall keinerlei Anlaß bietet, erweist sich auch in diesem Punkt die Beschwerde als unbegründet, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht finden kann, daß der belangten Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG gebotenen Interessenabwägung ein Fehler unterlaufen ist.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann eine Erörterung der Verfahrensrüge schon deshalb unterbleiben, weil die diesbezüglichen weitwendigen Ausführungen nur jenen Teil des im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes betreffen, dem - wie bereits ausgeführt - bei Entscheidung des gegenständlichen Falles keine Bedeutung zukommt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190157.X00Im RIS seit
12.03.1990Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010