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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §412 Abs2 Halbsatz2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 18. Dezember 1989, Zl. VIII/1-1920-1989, betreffend Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 412 Abs. 2 ASVG in einer Angelegenheit der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Bescheid der mitbeteiligten Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 14. November 1989 wurde der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied der X-Aktiengesellschaft gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet, der mitbeteiligten Partei die auf einem näher bezeichneten Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 14. Juni 1989) im Betrage von S 2.574.622,-- zuzüglich Verzugszinsen seit 15. Juni 1989 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind derzeit 10,5 Prozent, berechnet von S 2.035.953,41, binnen dreizehn Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Er beantragte, dem Einspruch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, und brachte vor, durch die vorzeitige Vollstreckung träte ein nicht wiedergutzumachender Schaden ein. Das öffentliche Interesse gebiete nicht eine sofortige Vollstreckung. Er sei Pensionist und lebe von seiner Pension, bei deren Pfändung er seinen Lebensunterhalt nicht mehr decken könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Einspruches gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 412 Abs. 2 ASVG keine Folge. Der im Einspruch gestellte Antrag des Bechwerdeführers sei mangels Konkretisierung ohne weiteres abzuweisen gewesen, weil die belangte Behörde mangels entsprechender Angaben über die Einkünfte, die Vermögensverhältnisse sowie die gesetzlichen Sorgepflichten des Beschwerdeführers nicht in der Lage sei, zu beurteilen, ob durch die vorzeitige Vollstreckung für den Beschwerdeführer ein nicht wiedergutzumachender Schaden eintrete.
Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe ihre Manuduktionspflicht verletzt. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer mitzuteilen, daß er seinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch bestimmte Angaben über sein Vermögen zu konkretisieren habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 412 Abs. 2 ASVG hat der Einspruch keine aufschiebende Wirkung; der Landeshauptmann kann dem Einspruch auf Antrag aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden einträte und nicht öffentliche Interessen die sofortige Vollstreckung gebieten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. August 1986, Zl. 86/08/0077, und in der darin zitierten Vorjudikatur dargelegt hat, sind an einen Aufschiebungsantrag nach § 412 Abs. 2 zweiter Halbsatz ASVG inhaltlich jene Anforderungen zu stellen, die der Verwaltungsgerichtshof im Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. 10.381/A, für den Bereich des § 30 Abs. 2 VwGG als erforderlich erachtet. Nach dem zuletzt genannten Beschluß ist es, um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, erforderlich, daß der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, daß sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen, wie z.B. bei Aufschiebungsanträgen, die sich auf Bescheide beziehen, mit denen Primärarreststrafen verhängt wurden. Betrifft der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einen Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer zu Geldleistungen verpflichtet wurde, so genügt der Antragsteller dem genannten Konkretisierungsgebot nur dann, wenn er einerseits seine im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie seine Vermögensverhältnisse (unter Einschluß seiner Schulden, jeweils nach Art und Ausmaß) und andererseits, sofern es sich um eine physische Person handelt, seine gesetzlichen Sorgepflichten durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben glaubhaft dartut. Denn nur so wird der Verwaltungsgerichtshof überhaupt in die Lage versetzt zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides, d.h. die zwangsweise Hereinbringung der auferlegten Geldleistungen, für den Beschwerdeführer einen angesichts des glaubhaft gemachten Sachverhaltes unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte. Begründungen von Aufschiebungsanträgen, die die Beurteilung solcher Relationen nicht gestatten, erfüllen das dargelegte Konkretisierungsgebot nicht.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall, daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mangels Konkretisierung ohne weiteres Verfahren abzuweisen war, weil die belangte Behörde mangels entsprechender Angaben über die Einkünfte, die Vermögensverhältnisse und die gesetzlichen Sorgepflichten des Beschwerdeführers nicht in der Lage war, zu beurteilen, ob durch die vorzeitige Vollstreckung für den Beschwerdeführer ein nicht wieder gutzumachender Schaden einträte. Allein aufgrund der Höhe des Haftungsbetrages und des Umstandes, daß über das Vermögen der Beitragsschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet wurde, war nicht im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG 1950 offenkundig, daß mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wegen der Verletzung der den Beschwerdeführer treffenden Mitwirkungspflicht war die belangte Behörde nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer aufzufordern, eine entsprechende Begründung des Aufschiebungsantrages nachzutragen, oder selbst von Amts wegen Ermittlungen in dieser Richtung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. August 1986, Zl. 86/08/0077, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Der Beschwerdeführer leitet aus dem hg. Erkenntnis vom 17. März 1987, Zl. 86/04/0118 (= ZfVB 1987/2368) ab, die belangte Behörde wäre zur Belehrung des Beschwerdeführers über die Notwendigkeit einer Konkretisierung seines Vorbringens verpflichtet gewesen. Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof aber ausgesprochen, daß § 13 a AVG 1950 eine Pflicht der Behörde zu Anleitungen und Belehrungen nur in bezug auf die Vornahme von Verfahrenshandlungen vorsieht, die Behörde aber nicht zu Anleitungen und Belehrungen verpflichtet ist, die sich auf den materiellen Inhalt des Antrages beziehen. Die in Betracht kommende Verfahrenshandlung, nämlich der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, lag hier bereits vor; zu Anleitungen und Belehrungen in bezug auf die Vornahme einer Verfahrenshandlung bestand daher kein Anlaß. Das Fehlen ausreichend konkreter Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers stellt jedoch einen Mangel des materiellen Inhaltes des Antrages dar, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, § 13 a AVG 1950 E 1 bis 4), mit der auch das vom Beschwerdeführer bezogene Erkenntnis im Einklang steht, keine Belehrungspflicht der Behörde auslöst.
Auch dem weiteren vom Beschwerdeführer bezogenen hg. Erkenntnis (vom 15. Dezember 1986, Zl. 85/12/0127, Slg. 12340/A) ist kein Abgehen vom Grundsatz der Beschränkung der Anleitungspflicht auf die Vornahme von Verfahrenshandlungen zu entnehmen, da im Anlaßfall das Fehlen notwendiger Bestandteile des Parteiantrages dazu führte, daß ein erledigungstauglicher Antrag nicht vorlag. Die aus diesem Umstand abzuleitende Belehrungspflicht bezog sich somit - anders als im vorliegenden Beschwerdefall - auf die Vornahme einer Verfahrenshandlung.
Schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde läßt somit erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Es erübrigt sich daher auch eine Entscheidung über den Antrag, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990080029.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010