TE Vwgh Beschluss 1990/3/13 88/11/0257

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art118 Abs4;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art23;
SHG Stmk 1977 §1;
SHG Stmk 1977 §19;
SHG Stmk 1977 §33;
SHG Stmk 1977 §4;
SHG Stmk 1977 §42;
SHG Stmk 1977 §46 Abs1;
SHG Stmk 1977 §48;
SHG Stmk 1977 §7;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Landeshauptstadt Graz gegen Steiermärkische Landesregierung vom 3. Oktober 1988, Zl. 9-18 Bi 6-1988/1, betreffend Rückersatz gemäß § 42 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt)

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz gab mit Bescheid vom 18. Jänner 1988 dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Rückersatz der Kosten, die ihr durch die Behandlung der Claudia B., einer Schweizer Staatsangehörigen, in ihrem Unfallkrankenhaus in Graz entstanden waren, gemäß § 42 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977, (SHG) keine Folge.

Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Oktober 1988 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 "in Verbindung mit den §§ 34 und 46" SHG Folge gegeben und "dem Magistrat Graz aufgetragen", der mitbeteiligten Partei die ihr erwachsenen Kosten antragsgemäß zu ersetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde der Landeshauptstadt Graz als Sozialhilfeträger. Beschwerdepunkt ist nach dem gesamten Beschwerdevorbringen das Recht, nur bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen zum Ersatz der von der mitbeteiligten Partei erbrachten Hilfeleistung verpflichtet zu werden.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf diese Bestimmung gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn nach Lage des Falles zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. die Beschlüsse verstärkter Senate vom 13. Juli 1956, Slg. Nr. 4127/A, vom 2. Juli 1969, Slg. Nr. 7618/A, und vom 2. Juli 1981, Slg. Nr. 10.511/A). Nach dem zuletzt genannten Beschluß setzt die Beschwerdelegitimation voraus, daß die Beschwerde (nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG) unter Berufung auf eine eigene, gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehende, Interessensphäre des Beschwerdeführers erhoben wird. An dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof auch in der Folge festgehalten (vgl. etwa die Beschlüsse vom 29. Februar 1988, Zl. 87/10/0011, und vom 19. Mai 1988, Zl. 87/06/0130).

1) Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides war die Entscheidung über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Ersatz der Kosten der von ihr geleisteten Hilfe gemäß § 42 SHG. Über diese "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 hatte die belangte Behörde als Berufungsbehörde abzusprechen. Der angefochtene Bescheid ist - ungeachtet der Anführung auch des (die Pflicht zur vorläufigen und zur endgültigen Kostentragung regelnden) § 34 SHG - als Entscheidung in dieser "Sache" zu verstehen. Laut dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde nämlich zum einen "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 der Berufung Folge gegeben" und zum anderen dem "Magistrat Graz" aufgetragen, der mitbeteiligten Partei die ihr erwachsenen "Behandlungskosten zu ersetzen", ein Auftrag, der die Entscheidung als eine solche nach dem den Rückersatzanspruch Dritter für Hilfeleistungen regelnden § 42 SHG ausweist.

2) Zu prüfen ist im Sinne der angeführten Rechtsprechung, ob sich die Beschwerdeführerin, eine Stadt mit eigenem Statut, in bezug auf die hier getroffene Entscheidung über den Antrag eines Dritten auf Rückersatz gemäß § 42 SHG auf eine eigene, gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehende, Interessensphäre zu berufen vermag. Nur unter dieser Voraussetzung könnte sie durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt worden sein und wäre demnach ihre Beschwerdelegitimation nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu bejahen. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die Sozialhilfe umfaßt unter anderem die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (§ 1 Abs. 2 lit. a SHG). Auf sie besteht gemäß § 4 Abs. 1 SHG nach Maßgabe der hiefür in Betracht kommenden Bestimmungen ein Rechtsanspruch. Zum Lebensbedarf gehört gemäß § 7 Abs. 1 lit. c SHG die Krankenhilfe. Sie umfaßt unter anderem die Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten (§ 10 Abs. 1 lit. c). Eine solche Leistung wäre nach Meinung der mitbeteiligten Partei als (vorläufig) hilfeleistender Dritter und der belangten Behörde im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin als Sozialhilfeträger zu erbringen gewesen.

Gemäß § 19 Abs. 1 SHG sind Träger der Sozialhilfe das Land, die Gemeinden durch die Sozialhilfeverbände und die Städte mit eigenem Statut. Sie haben nach dem mit "Verpflichtung der Sozialhilfeträger" überschriebenen § 33 SHG die durch Ersatzleistungen oder Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten für Hilfeleistungen nach diesem Gesetz zu tragen (Abs. 1 Satz 1). Nach dem zweiten Satz des Abs. 1 hat - von hier nicht zu erörternden Regelungen über die vorläufige und die endgültige Kostentragung abgesehen - jeder Sozialhilfeträger die Kosten "für die von ihm geleistete Hilfe" zu tragen.

§ 42 SHG regelt die Rückersatzansprüche Dritter für Hilfeleistungen. Nach seinem Abs. 1 hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, unter anderem dann Rückersatz zu leisten, wenn (lit. a) eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war und (lit. b) die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat er dem Dritten nicht mehr zu ersetzen, als er selbst nach diesem Gesetz aufzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 46 Abs. 1 SHG entscheidet in behördlichen Angelegenheiten der Sozialhilfe - von dem hier nicht in Betracht kommenden Sonderfall des Abs. 2 abgesehen - in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, über dagegen eingebrachte Berufungen die Landesregierung.

Gemäß § 48 SHG sind Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde unter anderem die nach diesem Gesetz den Sozialhilfeverbänden und den Städten mit eigenem Statut als Sozialhilfeträger zukommenden Aufgaben.

Aus den Bestimmungen über die Kostentragung und über die Entscheidung in behördlichen Angelegenheiten der Sozialhilfe ergibt sich, daß die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes durch die bescheidmäßige Entscheidung der staatlichen Behörde einerseits und durch den ihr korrespondierenden Realakt der Hilfeleistung durch den Sozialhilfeträger anderseits erfolgt. Diese beiden Verwaltungsakte stehen insofern in einem untrennbaren funktionellen Zusammenhang, als sich das Erfordernis, die Art und das Ausmaß der konkret zu leistenden Hilfe aus der behördlichen Entscheidung ergibt. Diese zieht kraft Gesetzes die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum entsprechenden Realakt nach sich. Erst damit wird die öffentliche Aufgabe "Gewährung von Sozialhilfe" zur Gänze erfüllt. Schon dieses durch das Gesetz vorgezeichnete notwendige Zusammenwirken von Behörde und Sozialhilfeträger bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe "Gewährung von Sozialhilfe" verbietet die Annahme, dem Sozialhilfeträger komme insoweit gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - eine geschützte Rechtsposition im Sinne eines subjektiven Rechtes zu. Wird nämlich ein "Rechtsträger" (Art. 23 B-VG und § 1 Amtshaftungsgesetz; vgl. dazu Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, S. 305) - so wie hier die Sozialhilfeträger - vom Gesetz unmittelbar zum Vollzug einer behördlichen Entscheidung berufen, dann kann ihm in bezug auf diese Entscheidung kein vom allgemeinen öffentlichen Interesse an ihrer Rechtsrichtigkeit abgehobenes geschütztes subjektives Interesse, das ihm in Ansehung dieser Entscheidung die Beschwerdelegitimation nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vermitteln könnte, zugebilligt werden. Eine derartige gesetzliche Regelung erschöpft sich in der Zuweisung einer öffentlichen Aufgabe an den Rechtsträger; sie schließt die Annahme eines geschützten Interesses des Rechtsträgers an der Abwehr der durch die behördliche Entscheidung konkret zu bestimmenden Aufgabe aus.

Das zur Gewährung von Sozialhilfe Gesagte gilt in gleicher Weise für die hier in Rede stehende "Leistung von Rückersatz" gemäß § 42 SHG. Denn dabei handelt es sich, wie sich aus dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ergibt, lediglich um die nachträgliche Erbringung einer Leistung an den Dritten, die der Leistung entspricht, die der Sozialhilfeträger auf Grund seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Hilfeleistung bei rechtzeitiger Kenntnis von der Notlage des Hilfesuchenden ohnedies hätte erbringen müssen, und damit dem Grunde nach um eine Sozialhilfeleistung, die sich vom Regelfall nur insoweit unterscheidet, als die Leistung nachträglich und dem vorleistenden Dritten gegenüber erfolgt. Daher greift auch ein Bescheid gemäß § 42 SHG nicht in eine gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehende geschützte Rechtssphäre der Sozialhilfeträger ein.

Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß die der Beschwerdeführerin als Sozialhilfeträger zukommenden Aufgaben zufolge § 48 SHG im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde wahrzunehmen sind. Denn das bedeutet im normativen Zusammenhang des SHG nur, daß die BESORGUNG dieser durch Bescheid der staatlichen Behörde jeweils konkret bestimmten Aufgaben nach den Grundsätzen des Art. 118 Abs. 4 B-VG zu erfolgen hat. Das Gesagte entspricht im Ergebnis dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1989, V 13/89. Mit diesem Beschluß wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des § 2 der Verordnung der belangten Behörde vom 21. November 1988, LGBl. für Steiermark Nr. 99, womit den Sozialhilfeträgern die Verpflichtung zur Erbringung einer betraglich bestimmten Leistung an Sozialhilfebezieher auferlegt wurde, u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, darin liege kein Eingriff in das der antragstellenden Gemeinde gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung.

Dazu, daß gegen die Bezeichnung der gemäß § 48 SHG den Sozialhilfeträgern zukommenden Aufgaben als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wird auf das zur gleichlautenden Bestimmung des § 62 des O.ö. Sozialhilfegesetzes ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1989, G 8/89, verwiesen.

Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einer gegenüber dem Staat - als Träger der Hoheitsgewalt - bestehenden Interessensphäre nicht verletzt werden konnte, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - und zwar in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - wegen mangelnder Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988110257.X00

Im RIS seit

13.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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