TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/13 89/11/0254

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

VwGG §48 Abs1 Z1;
WehrG 1978 §15 Abs1 idF 1988/342;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 1. September 1989, Zl. 19526-1111/91E/89, betreffend Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem von der Stellungskommission beim Militärkommando Wien beschlossenen, als "Stellungsbeschluß" bezeichneten Bescheid vom 1. September 1989 wurde gemäß § 15 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1978 die Eignung des im Jahre 1960 geborenen Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit dem Beschluß "Tauglich" festgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 in der Fassung des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 342, dürfen in das Bundesheer nur österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde beim Beschwerdeführer anläßlich der Stellungsuntersuchung vom 28. April 1989 folgender Sachverhalt erhoben: "Hyperkinetisches Herzsyndrom, Chron. Ekzem bd. Hände, Gonarthrosis bil. incip.". Beim Beschwerdeführer bestünden nach dem Facharztbefund und der darauf gestützten militärärztlichen Begutachtung "für die Ableistung des Grundwehrdienstes gesundheitliche Einschränkungen", die bei der Beurteilung seiner Wehrdienstfähigkeit berücksichtigt worden seien. Seiner eingeschränkten Tauglichkeit werde sowohl bei der Grundausbildung als auch bei seiner weiteren Verwendung im erforderlichen Ausmaß Rechnung getragen werden.

Der Beschwerdeführer wendet unter Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 ein, er besitze auf Grund seines beeinträchtigten Gesundheitszustandes nicht "die volle körperliche und geistige Eignung zum Dienst im Bundesheer". Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß es seit dem Inkrafttreten des Wehrrechtsänderungsgesetzes 1988 mit 1. Juli 1988 nicht mehr auf die "volle" Eignung einer Person zum Dienst im Bundesheer ankommt. Vielmehr genügt nach der oben wiedergegebenen Neufassung des § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 für einen auf "Tauglich" lautenden Beschluß der Besitz der notwendigen körperlichen und geistigen Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung.

Der Beschwerdeführer rügt das Fehlen von Feststellungen und Erwägungen zu den von ihm im Stellungsverfahren beigebrachten ärztlichen Befunden, wonach bei ihm Zeichen inzipienter Gonarthrosis deformans (nach Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch: degenerative Erkrankung des Kniegelenks), links etwas stärker ausgeprägt als rechts, vorlägen, Verdacht auf Chondropathia patellae (nach Pschyrembel: degenerative Knorpelveränderungen an der Kniescheibe) links bestehe, bei ihm eindeutig Diabetes anzunehmen sei, er an einer Atopie (nach Pschyrembel: Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe), an Kontaktallergie auf Epoxidharze und Quecksilber leide und ihm deshalb ein Allergiepaß ausgestellt worden sei. Es sei überhaupt nicht erkennbar, welches militärische Mindestanforderungsprofil die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe und ob bzw. warum er diesem entspreche.

Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift entgegen, die im angefochtenen Bescheid angeführten Diagnosen begründeten die eingeschränkte Tauglichkeit des Beschwerdeführers, "wobei die letzte" (beginnende Gonarthrose beidseits) "eine Verwendung im Bundesheer mit nur geringster körperlicher Belastung bewirkt". Denn nach Auffassung des untersuchenden Arztes der Stellungskommission sei der Beschwerdeführer "zur Ableistung des Präsenzdienstes mit geringster körperlicher Belastung (Schreiber, Gehilfe in einem Magazin etc.) geeignet".

Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde von einer nicht dem Gesetz entsprechenden Rechtsansicht ausgegangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, dargelegt, daß nach der bestehenden Rechtslage der Dienst im Bundesheer jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn umfaßt, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat, und daß in diesem Sinn auch § 15 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1978 zu verstehen ist. Dies bringt die Anforderung mit sich, daß der Betreffende jeweils eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann. Das schließt zwar nicht aus, daß Präsenzdiener auch zu sogenannten "systemerhaltenden" Funktionen - wie in Kanzleien oder im Rahmen der Versorgung - herangezogen werden dürfen. Die Auffassung aber, daß Personen, die lediglich für solche Funktionen ausgebildet werden können und die aus diesem Grunde nur in solchen Funktionen einsetzbar sind, auch als zum Wehrdienst geeignet anzusehen seien, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis als verfehlt erkannt.

Offenbar auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat sich die belangte Behörde nicht näher damit auseinandergesetzt, welche Auswirkungen mit den beim Beschwerdeführer festgestellten Leiden, insbesondere der Kniegelenke, auf die Möglichkeit seiner militärischen Ausbildung im genannten Sinne verbunden sind. Hiebei wäre jedenfalls zu klären gewesen, welcher Belastung die Kniegelenke des Beschwerdeführers im Zuge der militärischen Ausbildung ausgesetzt wären und ob dadurch eine dem Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang nicht zumutbare, weitere gesundheitliche Schädigung eintreten würde. Allenfalls hätte es dazu, ausgehend von dem bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehenden Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, einer ergänzenden fachärztlichen Untersuchung im Sinne des § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Wehrgesetzes 1978 bedurft. Die belangte Behörde ist demnach ihrer Verpflichtung, gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG 1950 den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt bezüglich der genannten, für die Beurteilung der Tauglichkeit des Beschwerdeführers offensichtlich nicht unmaßgeblichen Leiden von Amts wegen (zur Gänze) festzustellen, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren für Stempelgebühren war abzuweisen, weil neben einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides weitere Beilagen zur Beschwerde nicht erforderlich waren.

Schlagworte

Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und Beilagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110254.X00

Im RIS seit

07.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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